Schmökern, bis der Bus kommt

Ernst Hunkeler | 
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Charlotte Blank Andres in der neuen Bibliothek an der Bushaltestelle. Bild: Ernst Hunkeler

Die Telefonkabine bei der Hemishofer Bushaltestelle hat ausgedient, doch das Lesen noch nicht. Die Gemeinderätin Charlotte Blank Andres hatte die Idee, hier eine kleine Bibliothek einzurichten.

Zugegeben: Die Hemishofer sind nicht die ersten, die auf die Idee einer «Nimm eins, bring eins»-Bücherbox gekommen sind. Aber das spielt keine Rolle, denn der Ort dürfte neu sein, und letztlich bringt’s die Umsetzung in die Tat. Idee und Umsetzung – beides stammt von der Gemeinderätin Charlotte Blank Andres. Der Gemeinderat war einverstanden, und nachdem die Swisscom im Januar dieses Jahres den Kasten und die übrigen Installationen abmontiert hatte, folgte die Realisierung. Der ortsansässige Schreiner Kurt Leibacher erstellte rund sieben Meter Tablare auf fünf Etagen und restaurierte die Bank vor der Kabine. Das Ganze gehört zur Wartenische des DB-Busses, der zwischen Stein und Singen pendelt. ­Eröffnung war am 1. Mai, und als Charlotte Blank kurz davor mit einer Leiter bei der Haltestelle stand, um das Schild «Bücher-Box» zu montieren, erschreckte sie einen Chauffeur eben dieser Linie gewaltig, denn der glaubte, die Macherin warte mit der Leiter auf den Bus ...

Über 100 Bücher sind schon da

Schon ein paar Tage nach der Eröffnung war in der Minibibliothek ein stattlicher Bestand zusammengekommen: Gut 100 Bücher von Adler-Olson («Das Washington Dekret») über E. L. James («Shades Of Grey») bis hin zum Bildband «Die Erde von oben» standen bereits in den Regalen, der Austausch läuft schon rege. An einer Wand hängt übrigens seit Dezember 2016 der Defibrillator des Dorfes, und der wird auch hier hängen bleiben. Nicht nur für den Fall, dass jemand beim Warten auf den Bus einen unverträglichen Lesestoff erwischt – sondern einfach für alle Fälle. Übrigens: Die Bücher-Box unterliegt den regelmässigen Kontrollen des ­zuständigen Teams, und «Bücher mit sexistischen, gewaltverherrlichenden oder sonstigen politisch unkorrekten Inhalten», so die schriftliche Mitteilung an die Hemishofer, «werden entfernt». Dass sich etwa Marcel Prousts Kolossalwerk «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit», das mit über 4000 Seiten als längster je verfasster Roman gilt, nicht unbedingt als Zeitvertreib an der Hemishofer Bushaltestelle eignet, versteht sich von selbst. Aber für genau diese Kurz-Lese-Gelegenheiten liegen auch Magazine auf, wie etwa ein Stapel von «National Geographic».

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