Saisonende im St. Johann: Abschluss mit Musik von Frauen in der kurzen Nacht

Johannes von Arx | 
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Dirigentin Annedore Neufeld mit Solistin Alla Belova und dem Kammerorchester des Musik-Collegiums Schaffhausen. Bild: Selwyn Hoffmann

Ein stimmigeres Programm für das Kammerorchester des Musik-Collegiums Schaffhausen zum Saisonende im St. Johann am Samstag hätte sich deren Leiterin und Dirigentin, Annedore Neufeld, kaum ausdenken können. 

Ein Flügel steht quer auf der Bühne bereit für die Pianistin Alla Belova, die ihr Debüt in Schaffhausen bereits 2021 im Rahmen von «Young Musicians» gegeben hatte (SN vom 17. Juni). Noch aber stehen auf den Pulten des 45-köpfigen Orchesters die Notenblätter von Fanny Hensel-Mendelssohn, die immer mehr aus dem Schatten ihres berühmten Bruders Felix rückt.

Zuvor aber die Begrüssung: «Liebe Komponistinnen im Himmel, liebes Kammerorchester, liebes Publikum auf Erden …», von MCS-Präsident Christian Amsler. Neben ihm Moderatorin Stéphanie Stamm, welche zu den drei Komponistinnen und ihren Werken einige Angaben macht, etwa die, dass Fanny bereits mit 13 alle Präludien und Fugen des Wohltemperierten Klaviers von Bach auswendig gespielt habe.

Bühne frei jetzt für deren Ouvertüre in C-Dur. Die Musik vereinnahmt einen durch das vife Wechselspiel zwischen Streichern und Bläsern. «Spiel» darf man durchaus wörtlich nehmen, denn die Musik kommt lustvoll-leichtfüssig daher. Die geistige Nähe zu Bruder Felix ist unüberhörbar. Doch Fanny Hensel-Mendelssohn gestaltet die einzelnen Themen ausladender als Felix mit seinem impulsiven, vorwärtsstrebenden Gestus.

Wuchtig, lyrisch – und versöhnt

In roter Robe strebt Alla Belova zum Flügel. Gespannte Ruhe in Erwartung des Konzertes für Klavier und Orchester Nr. 1 D-Dur, das, so die Moderatorin, Germaine Tailleferre vor genau 100 Jahren mit 32 komponierte. Ein wuchtiger Takt des Orchesters und Belova setzt in rasant-pulsierendem Tempo ein. Schwingt hier nicht Francis Poulenc inspirierend mit?

So abrupt wie begonnen endet der erste Satz. Der zweite steht in fast atemberaubendem Kontrast dazu: Bedächtige, nachdenkliche Lyrik, zu der das Klavier solo einleitet und wenig später zu einem schier fragenden Schluss führt. Als ob die Komponistin den grossen Gegensatz aussöhnen wollte, leuchtet sie den dritten Satz wie ein Gemälde mit wechselnden Farben aus.

Die Pianistin erfüllt hingebungsvoll die sehr gut besetzte Kirche, auch dann, wenn die Stimmung ins Melancholische schielt. Das Orchester begeistert über alle Erwartungen hinaus. Dankend lässt Alla Belova symbolisch die Hummeln fliegen, nämlich in Rimsky-Korsakow «Hummelflug», bearbeitet von Konstantin Wilensky.

Und nochmals ein Kontrast

Etwas bekannter als Tailleferre ist Emilie Mayer, nicht aber deren 1. Sinfonie in c-Moll aus dem Jahr 1847. Wie zuvor schon fliessen die jeweiligen musikalischen Emotionen durch den ganzen Körper von Annedore Neufeld und in ihrem lebendigen Dirigat direkt weiter auf die Musizierenden, die lustvoll folgen, eben im ersten Satz beim steten Wechsel zwischen dem eher düsteren c-Moll und dem strahlenden Es-Dur.

Nach einem erfrischenden Finale einzelner Instrumenten-Soli geht der Jubel durchs Publikum bis auf das Podium. Der Saisonabschluss wird gefeiert in der kürzesten Nacht des Jahres und zufällig auch bei Vollmond beim Apéro im Kronenhof gleich nebenan.

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