Am 1. April vor 80 Jahren kam der Krieg nach Schaffhausen

Am 1. April 1944 um 10:55 Uhr fallen Bomben auf Schaffhausen. 40 Menschen verlieren ihr Leben. Die SN erinnern an einen der dunkelsten Tage der Schaffhauser, und Schweizer, Geschichte.
Bereits im Jahre 2014 haben die «SN» ein umfangreiches Online-Dossier zur Bombardierung erarbeitet, das aus dem aktuellen Anlass wieder aufgeschaltet wird. Es bietet zahlreiche Fotos und Hintergrundinformationen sowie Filmaufnahmen. Zeitzeugen erinnern sich in Videos an das dramatische Ereignis. Hier geht es zum Dossier.
von Mark Liebenberg und Ralph Denzel
Amerikanische Bomberpiloten begingen am Vormittag des 1. April 1944 einen verhängnisvollen Fehler: Sie bombardierten mitten im Zweiten Weltkrieg Schaffhausen, das sie für eine deutsche Stadt hielten. Brand- und Sprengbomben verwüsteten Teile der Innenstadt und forderten 40 Menschenleben. Heut jährt sich diese schwerste Verletzung der Neutralität in der Schweizer Geschichte zum achtzigsten Mal.
«Mich würde es gar nicht geben, ich wäre in den Flammen umgekommen» – Ursula Oertli-Huber ist als Kleinkind von ihrer ältesten Schwester in letzter Sekunde aus dem bombardierten, brennenden Altstadthaus gerettet worden, in dem die Familie damals wohnte. Als sich die Flugzeuge näherten, gingen viele Stadtbewohner ins Freie oder auf Balkone um die Maschinen neugierig zu betrachten. Auch die Kinder der Familie Huber stieg auf eine Dachterasse hoch über dem Rebleutgang beim Herrenacker, «um den Piloten zuzuwinken». Als dann plötzlich die Bomben fielen, war die Panik gross.
An jenem Samstagmorgen herrscht klares Wetter und es ist Wochenmarkt. Am Samstagvormittag arbeiten die Leute damals noch, manche Kinder haben Schule. Um 10.38 Uhr zeigt ein Fliegeralarm das dröhnende und vom Boden gut sichtbare Geschwader der U.S. Air Force an – nichts Ungewöhnliches in jenen Kriegstagen. Die erste Gruppe überliegt die Stadt von südostlicher Himmelsrichtung her. Eine zweite Staffel von B-24-Bombern des Typs «Liberator» folgt. Und greift an. In nur 40 Sekunden entladen die 15 Flugzeuge ihre tödliche Fracht über der Munotstadt. Fast 400 Brand- und Sprengbomben verwandeln Teile der Stadt in eine Feuersbrunst und bringen Tod und Verwüstung. Plötzlich ist Schaffhausen mitten im Krieg. 40 Menschen verlieren bei der Bombardierung ihr Leben, 29 Männer, 9 Frauen und zwei Kinder. 270 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. 450 Obdachlose und Schäden in Höhe von 40 Millionen Franken sind zu beklagen.
Vergleich: So sah die Stadt nach der Bombardierung aus - und so heute
Rathausbogen
Vordergasse
Museum Allerheiligen
Beckenstube
Herrenacker
Thiergarten
Wieso die Stadtbewohner der Bombenangriff so unvorbereitet traf, wie sich die Situation für die blutjungen Bomberpiloten darstellte und warum sich ein böses Gerücht Jahrzehnte lang hartnäckig hielt – das weiss der Historiker Matthias Wipf. Er hat vor fünf Jahren zum 75. Jahrestag den Hergang des Angriff minuziös untersucht und zur Bombardierung mittlerweile mehrere Bücher veröffentlicht.