Mehr schulergänzende Betreuungsplätze: So baut die Stadt Schaffhausen ihr Angebot aus

Mark Liebenberg | 
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Robin und seine Schwester Elin lassen sich von Barbara schminken am Kinder und Familienfest in der KITA Pumpenhaus, am Samstag, 12. August 2023. (Melanie Duchene / Schaffhauser Nachrichten)
Der Bedarf für Kinder im Vorschulalter sei in der Stadt Schaffhausen gut gedeckt, heisst es. Archivbild: Melanie Duchene

Drei Viertel der Kinder in der Stadt werden bis 2033 Zugang zu einer schulergänzenden, ausserfamiliären Betreuung nötig haben. Nachholbedarf besteht vor allem bei Tagesstrukturen für Kinder ab dem schulpflichtigen Alter, rechnet die Stadt nun vor.

Es ist noch nicht allzu lange her, seit auf kantonaler Ebene debattiert wurde, jedem Kind eine Betreuung ausserhalb der Schule und der Familie zur Verfügung zu stellen. «7to7» hiess die Volksinitiative der mittlerweile in der SP aufgegangenen Alternativen Liste: Kostenlose Tagesschulen für alle, und das von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends, sollten für jede Gemeinde Pflicht werden. Das Angebot, das auf rund 10 Millionen Franken pro Jahr geschätzte wurde, sollte indirekt über die Steuern finanziert werden.

Das Volk stimmte Ende 2017 aber gegen die Initiative und für einen Gegenvorschlag. Dieser stellte es den Gemeinden frei, ob sie einen Bedarf ermitteln und darauf zugeschnittene Tagesstrukturen aufbauen wollten. Die Kosten sollten zwischen Kanton, Gemeinden und Eltern aufgeteilt werden.

Hand in Hand mit Schulhausbau

Der Bedarf an Betreuungsplätzen und der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat seither nicht abgenommen. Auch nicht in der Stadt Schaffhausen – im Gegenteil. Die Stadt ist natürlich nicht untätig geblieben. Insgesamt 19 zugelassene Kindertagesstätten gibt es auf dem Gemeindegebiet, neun davon nur für Kinder ab drei Monaten bis zum schulpflichtigen Alter. Dazu unterstützt die Stadt fünf Mittagstische.

13 der Tagesstätten werden von privaten Anbietern betrieben. Damit sei der Bedarf für kleine Kinder weitgehend gedeckt, aber: «Ein relativ hoher Nachholbedarf besteht bei der schulergänzenden Betreuung in allen Quartieren», schreibt die Stadt nun in einer Orientierungsvorlage an das Parlament. Solche Angebote machten vor allem auf dem Gelände von Schulen oder in unmittelbarer Nähe davon Sinn. Da fast alle städtischen Schulhäuser in den kommenden fünf bis zehn Jahren renoviert und vergrössert werden müssen, will die Stadt schrittweise auch die Tagesstrukturangebote neu schaffen.

Bei der Erweiterung der Schulanlage Steig – das Volk stimmte ihr letzten Sonntag zu – sind etwa 32 Plätze geplant. Diese werden bei der Eröffnung 2027 zur Verfügung stehen. Eine grosse Erweiterung ist im Schulhaus Alpenblick geplant, Eröffnung 2030. Auch die Schule Emmersberg wird ausgebaut werden. Aber auch Zündelgut, Geissberg und Steingut sind in Planung – die Stadt will aber zumal an jenen Standorten beim Auf- und Ausbau von Plätzen fokussieren, wo im Quartier eine höhere Nachfrage besteht.

Unterschiede zwischen den Städten

Die Stadt war bis vor drei Jahren von einer Nutzungsquote von 15 bis 20 Prozent ausgegangen. Jetzt hat sie aber nachgerechnet und die sogenannte Betreuungsquote auf 35 Prozent bis ins Jahr 2033 erhöht. Man liege damit im Mittelfeld, so plane die Stadt Uster mit 36'000 Einwohnern mit einer Quote von 30 und Winterthur mit einer von 40 Prozent.

«Ein relativ hoher Nachholbedarf besteht in der schulergänzenden Betreuung.»

Aus der Orientierungsvorlage des Stadtrats

Was bedeutet das? 35 Prozent aller Kinder auf Kindergarten- und Primarschulstufe werden in zehn Jahren alle angebotenen Module benötigen – von Frühbetreuung ab 6.45 Uhr über Mittags- und Nachmittagsbetreuung bis zum Spätmodul (bis 18.30 Uhr) und zuzüglich Ferienmodule von einem halben oder ganzen Tag. Das ist so gerechnet, wie wenn ein einzelnes Kind alle möglichen Module mit einem Platz belegen würde.

Da in der Realität kaum eine Familie für ihr Kind alle Module an allen Wochentagen benötigt, kann ein Betreuungsplatz theoretisch auf mehrere Familien aufgeteilt werden. Das kann man berechnen, so die Stadt, weil man die heutige «Beliebtheit» einzelner Module recht genau in den künftig benötigten Aufwand umrechnen kann. «Der künftige Nutzungsanteil bei einer Betreuungsquote von 35 Prozent wird gesamtstädtisch folglich bei rund 73 Prozent liegen», rechnet die Stadt vor. Das heisst, für knapp drei Viertel aller Kinder wird es einen Platz geben.

Diese Übersicht gibt die Stadt, weil zurzeit eine Vorlage im Parlament liegt, welche die Finanzierung neu regelt. Mit «Betreuungsgutscheinen» sollen für einkommensschwache Haushalte künftig nicht mehr Kitaplätze unterstützt, sondern die Erziehungsberechtigten sollen die Subventionsgelder pro Kind direkt erhalten.

VPOD will private Kitas an die Kandare nehmen

Es müsse zwingend sichergestellt sein, dass Angestellte von privaten Kitas nicht weniger verdienen als ihre Kollegen in städtischen Institutionen und dass private Institutionen die gleichen Qualitätsstandards einhalten müssen wie öffentliche – dies fordert die Gewerkschaft VPOD Schaffhausen in einem Schreiben.

Hintergrund ist der Wechsel von der Objektfinanzierung zu Betreuungsgutscheinen an die Erziehungsberechtigten, welche künftig die Tagesbetreuung frei wählen können und nicht mehr nur die Plätze in städtischen Einrichtungen vergünstigt erhalten. Die Gewerkschaft befürchtet, dass dies die qualitativ guten städtischen Einrichtungen ungerechtfertigt teuer erscheinen lassen und gegenüber den Privaten benachteiligen könnte. «Wenn private Anbieter in das Subventionssystem eingebunden werden, darf es nicht sein, dass sie ihre Leistungen aufgrund niedrigerer Löhne oder schlechterer Betreuungsschlüssel günstiger anbieten können als städtische Einrichtungen.»

Grundsätzlich begrüsse der VPOD, dass die Stadt die ausserschulische Betreuung erweitern will (siehe Artikel links) – dieser Bereich solle stärker subventioniert werden, findet der VPOD, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu gewährleisten: «Fremdbetreuung sollte als Service Public betrachtet werden», schreibt VPOD-Vorstand Matthias Frick.

Die Gewerkschaft fordere aber vom Stadtparlament, bei der stadträtlichen Vorlage nachzubessern. Betreuungsgutscheine sollen nur in Institutionen eingelöst werden können, die sich an das Personalrecht halten oder einem Gesamtarbeitsvertrag beigetreten sind. Ausserdem müssten diese Privaten Qualitätskriterien erfüllen, «eine Betriebsbewilligung allein darf nicht ausreichen». (lbb)

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