Zurich Film Festival als Erlebniswelt

Andreas Schiendorfer | 
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Nadja Schildknecht, die starke Frau des Zurich Film Festival, gestern in Schaffhausen. Bild: Selwyn Hoffmann

Einem erfreulich jungen Publikum schilderte gestern Abend Nadja Schildknecht in der Rathauslaube, wie sie als «starke Frau» das Zurich Film Festival zusammen mit Karl Spoerri zum Erfolg führte.

104 000 Besucherinnen und Besucher, 162 Filme in 16 verschiedenen Kinosälen, 710 akkreditierte Journalisten und, fast wichtiger noch, 885 akkreditierte Branchengäste: Das Zurich Film Festival, das am 26. September zu seiner 15. Durchführung startet, hat einen Status erreicht, der es Bundesräten und einer Stadtpräsidentin ohne Gesichtsverlust erlaubt, mit Glanz und Gloria auf dem 2010 eingeführten grünen Teppich zu wandeln. Mit anderen Worten: Es ist aus dem Schweizer Kulturbetrieb und aus der internationalen Filmszene nicht mehr wegzudenken.

«Unsere Konkurrenz ist London.»

Nadja Schildknecht, Zurich Film Festival

Und dementsprechend mehren sich die Stimmen, die es schon immer gewusst hatten. Die von Nadja Schildknecht in freier Rede gebotene, beeindruckende und unterhaltsame Retrospektive zeigte indes auf, dass dem nicht so war. Neben Locarno brauche die Schweiz keinen zweiten Filmfestivalort internationaler Ausstrahlung, lautete 2005 der Tenor. Die Tradition, ein weitverbreiteter Anti-Zürich-Reflex und auch der Kampf um die öffentlichen Mittel mögen dabei eine Rolle gespielt haben. Locarno besitzt, bei einem rund doppelt so grossen Budget, einen Eigenfinanzierungsgrad von 60 Prozent, Zürich hingegen einen solchen von 89 Prozent. «Wir sehen Locarno nicht als unseren Konkurrenten an», stellte Nadja Schildknecht klar. «Unsere Konkurrenz ist London. Dort findet unmittelbar nach uns ein Filmfestival mit viel grösserem Budget in einem wichtigen Filmmarkt statt, welches seinem Publikum natürlich Premieren bieten möchte.» Und wie schafft man es? Mit Ideenreichtum, strategisch richtigen Entscheiden, harter Ar­beit rund um die Uhr und einer unermüdlichen Charmeoffensive, um beispielsweise die Hürden der schweizerischen Bürokratie zu überwinden.

Oliver Stone als Dauergast

Doch zunächst machte Nadja Schildknecht klar, dass es sich nicht einfach um einen Balanceakt zwischen Kulturförderung und Sponsoring handelt, sondern dass es Jahr für Jahr gilt, ganz unterschiedliche Anspruchsgruppen zufriedenzustellen. «Zuerst kommen immer die Besucher», betonte sie, «denn ein Festival ohne Besucher macht keinen Sinn. Doch letztlich müssen alle Beteiligten mit einem guten Gefühl auf das Zurich Film Festival zurückblicken.» Dies belegte sie mit verschiedenen Anekdoten und Beispielen. Und wenn man dem Beweis einen Namen geben möchte, so könnte man Oliver Stone nennen, der 2007 so gut betreut wurde, dass er inzwischen schon viermal nach Zürich gekommen ist. Und dazu gehört auch, dass das Zentrum des Festivals seit 2011 auf dem heiligen Sechseläuteplatz am Zürichsee steht.

Kaum zu glauben, dass die jungen Filmfreaks zunächst fast um jeden einzelnen Film kämpfen mussten. Entscheidend war, das Vertrauen von Produzenten und Filmverleihern zu gewinnen. Heute besteht das Mengenproblem in umgekehrter Richtung. Um die besten 160 Filme zu zeigen, müssen gegen 3000 Filme gesichtet werden.

Um, wie beabsichtigt, Nachwuchs zu entdecken und zu fördern, braucht man einerseits die Unterstützung der öffentlichen Hand, muss anderseits aber den rund 20 Sponsoren aus der Privatwirtschaft besondere Erlebniswelten, möglichst mit Prominenz oder gleichwertigen Ideen, bieten und insgesamt nicht weniger als 120 Events.

Stabübergabe angekündigt

Peter Hartmeier, der durch den Abend führte, bezeichnete einerseits die Kultur als einen wichtigen Wirtschaftsfaktor und konnte anderseits den Primeur platzieren, dass Nadja Schildknecht und Karl Spoerri sich 2020 auf die strategische Ebene zurückziehen, während NZZ-Kulturredaktor Christian Jungen die künstlerische Leitung übernimmt. Roland E. Hofer wiederum durfte sich seitens der Randenkommission, die im Rahmen der Vortragsgemeinschaft das Patronat übernommen hatte, über einen nahezu filmreif gelungenen Abend freuen.

Mehr zum Abend in der Rathauslaube gibt es hier zum Nachhören:

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