Konfettiregen in der Altstadt
Grosser Andrang am 42. Schaffhauser Fasnachtsumzug: Mehr als 50 Narrengruppen zogen am Samstag durch die Stadt. Die Organisatoren ziehen eine positive Bilanz – würden aber gern Neues initiieren.
Werner Mändli AG bekommt den «Chnortz»
«Guten Morgen, auch allen, die heute lieber daheim geblieben wären» begrüsste Heinz Hegetswiler am Samstag die Fasnächtler im Saal des Hotels Kronenhof. Am Zunftmeisterempfangs vergab er den «Chnortz»; laut Schaffhauser Wörterbuch ein anderer Begriff für schlecht ausgeführte Arbeit. Ausgezeichnet wurde die Werner Mändli AG für ihre «hochstehende rechnerische Leistung» – obwohl, zugute komme sie genau genommen nur dem Schaffhauser Tourismus, so Hegetswiler. Mit der Fahrpreiserhöhung um mehr als hundert Prozent sei der freie Markt etwas überstrapaziert worden, weshalb Geschäftsführer Thomas Mändli den «Chnortz» mit nach Hause nehmen durfte. Die Geschäftspartner Mändli und Burkhardt konterten in ihrer Rede mit Humor: «Wer weiss, vielleicht gewinnen wir das nächste Mal den Bsetzi.»
Diesen erhielten zwei Brüder, die einen fast vergessenen Beruf wieder zum Leben erweckt haben: Martin und Thomas Harzenmoser wurden für ihre langjährige Arbeit als Nachtwächter ausgezeichnet. Seit 20 Jahren führen sie durch die Altstadt. «Mit diesem Preis danken wir euch für eure Kreativität und euer Traditionsbewusstsein», so der ehemalige Munotwächter Christian Beck, der den «Bsetzi» übergab. In voller Montur, aber noch etwas bleich, betraten die beiden die Bühne. «Wir sind uns das Ausschlafen gewohnt», sagten sie und lachten. «Verlegt die Preisverleihung das nächste Mal doch bitte in den Abend.» (mah)
Warum die Geehrten ausgesucht wurden und was sie zu den Preisen gesagt haben, hören Sie hier:
von Marielle Heeb
Mit den ersten Sonnenstrahlen treffen auch die ersten Guggenmusikanten auf dem Fronwagplatz ein. Es ist noch kühl, doch ihre Kostüme sind für solch kühle Februartage gemacht. Schillernde Clownanzüge und pinke Perücken stechen zwischen der matten, gedeckten Kleidung der Wochenmarktbesucher hervor. Noch ist alles ruhig. In homogenen Gruppen schlendern die Narren umher, ihre grossen Instrumente haben sie um den Bauch geschnallt.
Mit ihren rot-goldenen Umhängen und Schottenröcken ziehen auch die Turtalia Gugger Blicke der Passanten auf sich. Sie warten darauf, für das «Guggen-Warm-up» aufgerufen zu werden. Bereits um halb acht Uhr morgens startete der Tag für die Guggenmusik aus dem Turbenthal. Um sich so herzurichten, brauche man etwa eine Stunde, erzählt eine Musikerin. «Ich bin übrigens Sandra» – an der Fasnacht duzt man sich. «Für das Schminken benötige ich ungefähr 15 Minuten», sagt sie, das rot bemalte Gesicht mit glitzernden Mustern verzieht sich zu einem Lachen: «Reine Übungssache.» Kein Wunder, sieben Wochenenden in dieser fünften Jahreszeit stehen für sie Fastnachtsumzüge auf dem Programm. «Die Musik hat für uns erste Priorität», versichern zwei weitere Trompetenspieler, während sie ihre Instrumente festzurren, um weiterzuziehen. Auch das Klischee des betrunkenen Narren stimme so nicht, sagt Trompetenspielerin Sandra. Vielmehr geniesse die Gruppe das gute Zusammenspiel.
Schau, sie kommen!»
Inzwischen ist das Warm-up gestartet, im Hintergrund ertönen Paukenschläge und einstimmige, eingängige Blechblasmelodien. Der Fronwagplatz füllt sich nach und nach mit kleinen Polizisten, Einhörnern, Marienkäfern und Indianern mit Federschmuck auf dem Kopf. Bewaffnet mit riesigen Tüten voller Konfetti wippen sie auf den Schultern ihrer Eltern zur Musik.
Dann hat das Warten endlich ein Ende: «Schau, sie kommen!», ruft eine Indianerin mit zwei Zöpfen, die sich über die Absperrung lehnt. Sie wolle möglichst viele Süssigkeiten fangen, erzählt sie, während sie in ihrer kleinen Umhängetasche kramt. Mit einem Nilpferd im Kinderwagen tauscht sie ihr lilafarbenes Konfetti gegen eine Luftschlange. Die erste Narrengruppe nähert sich – und wirft prompt einen Sugus in ihre Richtung. Schnell bückt sie sich und lässt die Ausbeute in ihrer Tasche verschwinden.
Nicht alle Narren machen einen freundlichen Eindruck: Mit zotteligen Fellen bedeckt schlurfen manche durch die Altstadt und ziehen Ketten hinter sich her. Nähern sich die Fratzen den Absperrgittern, so ziehen die Eltern ihre Kinder zwei Schritte zurück, obwohl auf die drohende Handvoll Konfetti meist noch eine Süssigkeit folgen würde.
«Für das Schminken benötige ich etwa 15 Minuten.»
Sandra, Trompetenspielerin bei den Turtalia Guggern
Die Ansagen vom Speaker sind über die Lautsprecher kaum mehr hörbar, so laut ist die Musik der 52 Umzugsgruppen, die sich gegenseitig übertönen. Mit ihren Gefährten schlängeln sich die Narren entlang der Zuschauerreihen. Schreiende Jugendliche werden Opfer eines Konfettibads, das währenddessen gemächlich weiter in Richtung Mosergarten gezogen wird. Fahrende Schaukeln, ein Postauto und sogar eine riesige Raumstation drängeln sich zwischen den Erkern in der Altstadt hindurch.
Mehr Fasnächtler als 2018
Unter den Narren befindet sich auch Urs Huber, Medienverantwortlicher des Fasnachtskomitees Schaffhausen (FaKoS) . Am Umzug selbst mitzulaufen, sei für ihn neben dem Zunftmeisterempfang der heutige Höhepunkt. Seit 17 Jahren ist er im FaKoS mit dabei, gross verändert habe sich die Fasnacht in dieser Zeit nicht. «Wir würden gerne Neues initiieren», sagt er mit einem Schulterzucken, doch leider sei das organisatorisch und finanziell nicht ganz einfach. Umso mehr freue es ihn, dass der Umzug im Vergleich zum Vorjahr sehr gut angekommen sei. «Ich bin mehr als zufrieden», so Huber, der Umzug ist viel besser besucht als letztes Jahr.» Vermutlich liege das am blauen Himmel, der den ganzen Nachmittag über den Hausdächern erstrahle.
«Der Umzug ist viel besser besucht als letztes Jahr.»
Urs Huber, Medienverantwortlicher
Auch die letzten Narren sind im Mosergarten angekommen, langsam kehrt Ruhe ein. Der Spuk ist vorbei, Kapuzen und Masken werden abgenommen. Teufel und eigenartige Kreaturen kehren wieder in den Alltag zurück, stehen Schlange vor einem Geldautomaten. Doch die Ruhe währt nur kurz: Die Ansage eines Monsterkonzerts hallt durch die Lautsprecher. Noch einmal versammeln sich alle Musikanten auf der Tribüne, um als farbige Einheit den Fronwagplatz zum Vibrieren zu bringen. Aus dem Chaos an goldenen Posaunen und Pauken erklingt zum Schluss ein improvisiertes aber umso lauteres Munotglöggli.
Die Schaffhauser Fasnacht und insbesondere der Umzug durch die Altstadt sind gemäss Radio Munot ohne nennenswerte Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Laut der Schaffhauser Polizei blieb es am Wochenende den Umständen entsprechend ruhig. Im vergangenen Jahr war es an der Schaffhauser Fasnacht zu einer Schlägerei und mehreren Diebstählen gekommen.
Reaktionen zur Fasnacht
Nea Tresch hat sich ihr Kostüm selbst ausgedacht, gestaltet hat sie es zusammen mit ihrer Mutter. «Ich gehe jedes Jahr an die Fasnacht», sagt die Drittklässlerin aus Schaffhausen. Besonders freut sie sich jeweils auf die aufwendig geschmückten Guggen und die vielen Instrumente.
Duo Chäschüechli: Das sind Michelle Bottlang und Benno Scheidegger aus Rorbas im Kanton Zürich. Seit 20 Jahren gehen die beiden mit selbstgestalteten Kostümen zusammen an die Fasnacht. «Schaffhausen hat einen grossen Umzug und viel Publikum, das gefällt uns», sagen sie.
Anja Richter aus Uhwiesen ist mit der ganzen Familie an der Fasnacht in Schaffhausen. Für ihren kleinen Sohn Rafael ist es das erste Mal. «Uns gefällt es, wenn es bunt und laut ist», sagt sie. Sogar die Grossmutter Regina Fleischer aus Leipzig ist beim «Fasching» mit dabei.
Renato Mächler ist mit seiner Freundin und den Kindern an der Fasnacht unterwegs. In Schaffhausen und Diessenhofen trifft man ihn jedes Jahr. «Ich war extra einkaufen für die Fasnacht», sagt er. «Im Brocki gibt es besonders viele Verkleidungsideen.» Verkleidet hat er sich als Voodoo-Priester.
Priska Kistler ist bereits seit 32 Jahren in der Guggenmusik Quastenflosser. «Die Atmosphäre und das Herumziehen in den Gassen gefällt mir in Schaffhausen besonders gut», sagt die Perkussionistin aus Sirnach. «Die Narrenfreiheit an der Fasnacht ist ein Höhepunkt für mich.» ( jhe )