Kräftemessen der Improvisationsprofis

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Spielten auf Zuruf Theater: Hiddenshakespeare aus Hamburg und das Improtheater Konstanz. Bild: Selwyn Hoffmann

Eine Lovestory in der Kläranlage und das «Blick»-Horoskop: Am zweitägigen Theatersport-Event fieberten 550 Zuschauer in der Kammgarn mit zwei Schauspielerensembles mit.

von Hermann-Luc Hardmeier

Achtung, fertig, los! Zwei Mannschaften und ein Schiedsrichter. Was ein bisschen nach Fussballspiel klingt, ist in Wirklichkeit eine der kreativsten Veranstaltungen, seit es Theaterbühnen gibt. Beim zweitägigen Theatersport des Schauwerk-Theaters in der Kammgarn mussten zwei Schauspielerensembles gegeneinander antreten und in verschiedenen Spielen die Gunst der Zuschauer gewinnen. Das Schöne daran war, dass die «Zutaten» für die improvisierten Theaterstücke aus dem Publikum kamen. «Ich suche einen Ort, ein Gefühl und einen Beruf», forderte die Moderatorin Bettina Wyler das Publikum jeweils auf. Unterstützt wurden die Bühnenpiraten von der Pocket Band, welche die Szenen dramatisch oder enthusiastisch musikalisch untermalte. So sahen die Gäste jeweils einzigartige und spontane Premieren von Kurztheaterstücken. Das Interesse der Zuschauer war riesig. Am Freitag wollten 300 Besucher das Kräftemessen zwischen Hiddenshakespeare aus Hamburg und Winterthur TS sehen. Am Samstag forderte das Improtheater Konstanz die Hamburger vor 250 Gästen erneut heraus.

Das Publikum bestimmt

Gelb, Trauer, Bäcker und Frankreich waren zum Beispiel beim ersten Spiel am Samstagabend die Vorgaben des Publikums. Jedes Wort wurde einem der vier Schauspieler zugewiesen und definierte damit seine Rolle. Zudem bestimmten die Zuschauer, das Stück müsse in einer Cafeteria einer Firma spielen. Bei diesem «In and Out»-Spiel wirkten beide Teams zusammen. Sobald im Gespräch eines der Schlagwörter fiel, musste der entsprechende Schauspieler den imaginären Pausenraum verlassen oder betreten. «Der Kaffee sieht gelb aus», beförderte demnach den ersten Schauspieler auf die Bühne. «Kennen wir uns nicht aus Frankreich?» – «Ja, genau, aus Frankreich», sorgte dafür, dass ein anderer Schauspieler kurz hereinkam und sofort wieder hinausmusste. Das Theater um den sauren Kaffee war köstlich komisch und sorgte für viele Lacher im Publikum. «Frankreich» wurde zudem als Running-Gag eingebaut. «Nun suche ich einen romantischen Ort für ein erstes Treffen», erklärte die Moderatorin. «Kläranlage», kam es wie aus der Pistole geschossen von einem Gast in der Mitte des Saales. Es wurde nun eine Lovestory gespielt, wie man sie so wohl noch nie gesehen hat. Mit teilweise überraschenden Wendungen inklusive eines Schlucks Wasser aus der Wiederaufbereitungsanlage.

Moderatorin Bettina Wyler hatte einige unkonventionelle Ideen für Spieleinstiege mitgebracht.

Moderatorin Bettina Wyler hatte am Samstagabend einige unkonventionelle Ideen für Spieleinstiege mitgebracht. Einmal las sie das Tageshoroskop aus dem «Blick» einer Schauspielerin vor. Das war nun die Vorgabe für ihre Rolle. Bei einem anderen Spiel las sie den ersten und den letzten Satz aus einem Buch vor. Alles, was dazwischen passierte, hatten die Schauspieler nun aufzuführen. Es folgten Szenen mit einem Glatzkopf beim Frisör, einem viel zu fröhlichen Friedhofsgärtner, der Grabsteine vertauschte, Songs über Fische mit Erfrierungen und ein Nachbarschaftsstreit, der mit dem Tod eines Wellensittichs endete. Die Leistung der Schauspieler, aus ganz wenig ganz viel zu machen, beeindruckte, und einmal mehr gingen die Besucher begeistert nach Hause.

Nachgefragt

«Uns hat gereizt, etwas Neues auszuprobieren»

Thorsten Neelmeyer und Kirsten Sprick Schauspieler

Wie kommt man dazu, ­Theatersport zu spielen?

Thorsten Neelmeyer: Wir haben 25 Jahre Bühnenerfahrung und spielen normalerweise Stücke mit vorgegebenen Handlungen und Texten. Uns hat gereizt, etwas Neues auszuprobieren, wo wir kreativ sein können.

Wie anstrengend ist es, mit wenig Vorgaben ein Stück zu spielen?

Kirsten Sprick: Ja, es ist eine Herausforderung. Am Freitag musste ich beispielsweise singen und hatte die Vorgaben Tango und Meditationsmusik. Das ist nicht einfach, doch es macht riesigen Spass, wenn es gelingt.

Wie übt man Improtheater?

Sprick: Wir sind tagsüber wie Schwämme. Wir saugen Geschichten und Erlebnisse auf, die wir schnell mit den Vorgaben verknüpfen können. Man muss nicht oft üben, sondern einfach schnell im Kopf sein. Das trainieren wir.

Hat es Ihnen gefallen, in Schaff­hausen zu spielen?

Neelmeyer: Wir sind begeistert. Die Schaffhauser sind lebendig und euphorisch von Anfang bis Ende. Eine La-Ola-Welle von 300 Leuten zugleich haben wir noch nie erlebt. Wir kommen auf jeden Fall sehr gern wieder.

Interview: Hermann-Luc Hardmeier

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