Ein Rekordjahr bei den Vorstössen im Rat

Daniel Jung | 
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Anzahl der Vorstösse im Grossen Stadtrat 2009 bis 2018.

Im Jahr 2018 wurden im Grossen Stadtrat von Schaffhausen so viele Vorstösse eingereicht wie nie in den letzten zehn Jahren. Aktivster Vorstossverfasser war Stefan Marti (SP).

Wie soll man die Erde von Topfpflanzen ökologisch entsorgen? Warum gibt es in Buchthalen keine Standorte mehr für temporäre politische Plakate? Wäre es möglich, auf dem Brunnen am Freien Platz einen Schaffhauser Bock zu platzieren? Diese drei Fragen stammen aus politischen Vorstössen, welche die Mitglieder des Grossen Stadtrats im letzten Jahr eingereicht haben.

Gemeinsam haben die Parlamentarier der Stadt Schaffhausen 2018 hier einen Rekord aufgestellt. Noch nie seit der Verkleinerung des Grossen Stadtrats von 50 auf 36 Sitze im Jahr 2009 wurden so viele Vorstösse eingereicht wie im letzten Jahr. Insgesamt wurden 41 Kleine Anfragen, 20 Postulate und vier Interpellationen vorgebracht; das Instrument der Motion wurde 2018 nicht verwendet. Sowohl die Zahl der Kleinen Anfragen wie auch die Zahl der Postulate stellten im letzten Jahrzehnt einen Höchstwert dar.

Aktivste Fraktion: SP-Juso

Unter den politischen Fraktionen war die Aktivität unterschiedlich verteilt. Klar am meisten Vorstösse hat die SP-Juso-Fraktion eingereicht, nämlich 30. Die grösste Fraktion aus SVP und EDU reichte insgesamt 14 Vorstösse ein. Dahinter folgen die FDP-Jungfreisinn-Fraktion mit zehn Vorstössen, die Mittefraktion aus CVP, EVP, GLP und Grünen mit sieben Vorstössen sowie die AL-Fraktion mit vier Vorstössen.

Die aktivsten Vorstossverfasser sind zwei Sozialdemokraten: Stefan Marti mit zehn Vorstössen und Urs Tanner mit sechs. Ebenfalls sehr aktiv waren Diego Faccani (FDP), Mariano Fioretti (SVP), Michael Mundt (SVP), Marco Planas (SP), Stephan Schlatter (FDP), Christoph Schlatter (SP) und René Schmidt (GLP) mit je vier.

«Wahrscheinlich war es ein gegenseitiges Aufschaukeln der Lager im Parlament.»

Rainer Schmidig, Präsident Grosser , Stadtrat 2018 (EVP)

Die Frage, weshalb im letzten Jahr so viele Vorstösse eingereicht wurden, ist nicht einfach zu beantworten. Das bisherige Rekordjahr war 2016, wo insgesamt 50 Vorstösse aus dem Parlament kamen. Während 2016 ein Wahljahr war, wo sich politische Aktivität oft in Stimmen niederschlägt, war 2018 das zweite Jahr der vierjährigen Legislatur von 2017 bis 2020.

«Ich habe keine klare Erklärung dafür», sagt der noch heute amtierende Ratspräsident Rainer Schmidig (EVP). «Wahrscheinlich war es ein gegenseitiges Aufschaukeln der Lager im Parlament», erklärt er. Ein Teil der Vorstösse sei wohl aufgrund der aktuellen Themenlage entstanden. «Vieles sind einfach Fragen, die aktuell und brennend sind.» Für Schmidig führten die vielen Vorstösse dazu, dass er seinem heute zur Wahl stehenden Nachfolger Hermann Schlatter (siehe Artikel Seite 13) eine relativ lange Traktandenliste mit vielen noch zu besprechenden Interpellationen und Postulaten übergeben muss.

Auch Stadtpräsident Peter Neukomm (SP) hat keine einfache Erklärung für die vielen Vorstösse im Jahr 2018. Er sagt: «Es hat sicher mit der Zuspitzung der politischen Verhältnisse zu tun.» Die hohe Zahl gehe aber auch auf einzelne Personen zurück, die das Instrument des Vorstosses besonders intensiv nutzten. «Manche Mitglieder eines Parlaments bringen sich eher hinter den Kulissen, durch Arbeit in den Kommissionen, ein, andere machen viele Vorstösse», sagt Neukomm. Natürlich sei ein Vorstoss ein Mittel für einzelne Parlamentarier, sich zu profilieren. «Das ist aber ihr gutes Recht», so der Stadtpräsident. Für die Stadtverwaltung bringe die Beantwortung der Vorstösse einiges an Arbeit mit sich. Dennoch sagt er: «Vorstösse sind nach wie vor ein wichtiges Instrument für die Parlamentarier.»

Bei Stefan Marti, dem aktivsten Vorstossverfasser, hatte sich gemäss eigener Aussage nach seinem Präsidialjahr 2017 ein gewisser «Vorstossstau» angesammelt. «Ich habe immer Ideen, manchmal vielleicht sogar zu viele», sagt er. Gemäss seiner Einschätzung sind es nicht primär die Differenzen zwischen Exekutive und Legislative, die zu den vielen Vorstössen führen, sondern die Differenzen innerhalb des Parlaments selbst – obwohl manche Vorstösse durchaus Seitenhiebe gegen Mitglieder des Stadtrats enthielten. «Mein Eindruck ist, dass die politische Atmosphäre in den letzten Jahren eher giftiger geworden ist», sagt Marti. Somit habe die Zahl der Vorstösse wohl insgesamt doch mit der gestiegenen Polarisierung im Parlament zu tun.

 

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