Aschenbeisetzung fand zu früh statt: «Es gab mir einen Stich ins Herz»

Isabel Heusser | 
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Der Waldfriedhof Schaffhausen: Neu finden Aschenbeisetzungen nicht mehr früher als auf der Bestattungsanzeige vermerkt statt. Bild: Selwyn Hoffmann

Weil die Friedhofsgärtnerei die Asche eines Verstorbenen früher als vereinbart beisetzte, verpasste ein Mann die Bestattung seines Vaters. Es ist bereits der zweite vergleichbare Zwischenfall.

Rund acht Monate ist es jetzt her, seit Christoph Hedingers Vater auf dem Schaffhauser Waldfriedhof bestattet wurde. Hedinger hat das Grab seither nicht besucht. Er würde gerne, aber er schafft es nicht. «Es fühlt sich so an, als ob mein Vater gar nicht dort wäre», sagt er. Denn Hedinger war nicht dabei, als sein Vater bestattet wurde. Ein Friedhofsgärtner hatte die Asche früher als zum vereinbarten Zeitpunkt ins anonyme Gemeinschaftsgrab ohne Urne gegeben.

Wie das passieren konnte, kann sich Hedinger auch heute noch nicht erklären. Sein Vater war am 6. März verstorben; die Aschenbeisetzung, so war es mit dem Bestattungsamt abgemacht, sollte am 12. März um 15 Uhr stattfinden. «Ich habe dem zuständigen Mitarbeiter gesagt, dass nur wenige kommen werden oder ich allein», sagt der Mann. Am Tag der Beisetzung sei er dann gegen 14.30 Uhr beim Gemeinschaftsgrab erschienen, wo schon seine Mutter bestattet ist und wo auch der Vater bestattet werden sollte. «Keiner war da.» Das habe ihn noch nicht beunruhigt, «ich war ja viel zu früh».

Die Zeit schritt voran, gegen 15 Uhr war noch immer niemand beim Grab. «Langsam hatte ich ein mulmiges Gefühl.» Dann entdeckte Hedinger einen Gärtner, der nicht weit vom Grab arbeitete, und erkundigte sich, warum noch niemand vor Ort sei. Doch der Gärtner habe ihm nicht weiterhelfen können. Die Zeit verging, noch immer tauchte niemand auf. Schliesslich wandte Hedinger sich an einen weiteren Mitarbeiter. «Dieser sagte mir, dass etwas nicht stimmen könne, und machte ein paar Telefonate.»

Beisetzung war Stunden vorher

Über eine Stunde habe er gewartet, sagt Hedinger. Dann sei ein weiterer Mitarbeiter aufgetaucht. «Der Mann sagte mir, dass ich viel zu spät sei, die Urnenbeisetzung habe schon um zehn Uhr stattgefunden.» Offenbar habe der zuständige Gärtner geglaubt, dass niemand zur Beisetzung erscheine, und habe die Urne deshalb beigesetzt. «Der Mitarbeiter entschuldigte sich bei mir und sagte, man könne leider nichts mehr machen.» Er habe es kaum glauben können, sagt Hedinger. «Es gab mir einen Stich ins Herz. Ich hatte die Urne nochmals sehen und vielleicht die Asche ins Grab streuen wollen.» Das konnte er nun nicht mehr tun. Zurück daheim, habe er die Polizei angerufen. Dort habe man ihm aber gesagt, dass keine Anzeige möglich sei.

«Es darf nicht sein, dass eine Beisetzung vor dem vereinbarten Termin stattfindet.»

Leo Müller, Leiter Bestattungsamt

Er sei nicht in der Verfassung gewesen, um etwas zu unternehmen, sagt Hedinger. Einige Tage später habe sich sein Götti deshalb an seiner Stelle beim Bestattungsamt gemeldet und sich erkundigt, ob man dem Hinterbliebenen wenigstens die Kosten für die Urnenbeisetzung erlassen könne. «Aber auch das war nicht möglich.»

Beisetzung im Stillen vereinbart

Leo Müller, Leiter des Schaffhauser Bestattungsamts, sagt: «Vonseiten des Bestattungsamts ist alles korrekt verlaufen.» Er bestätigt, dass die Urnenbeisetzung an besagtem Tag auf 15 Uhr angesetzt war. Allerdings habe man mit Hedinger schriftlich eine sogenannte Bestattung im Stillen vereinbart – das heisst, es wird auf eine Abdankungsfeier verzichtet. Hedinger habe erklärt, dass er nicht an der Beisetzung teilnehmen wolle. «Wir haben die Friedhofsgärtnerei dann angewiesen, die Urne beim Krematorium abzuholen.» Werde eine Bestattung im Stillen vereinbart, könne die Gärtnerei grundsätzlich selbst entscheiden, wann die Asche beigesetzt wird. Man habe nach diesem Vorfall aber das Gespräch mit der Friedhofsgärtnerei gesucht. «Es darf nicht sein, dass eine Beisetzung vor dem vereinbarten Termin stattfindet.» Die Hinterbliebenen müssten in jedem Fall die Möglichkeit haben, dabei zu sein. «Auch wenn sie sich ursprünglich dagegen entschieden haben.»

Ab sofort wird eine Zeit vermerkt

Für die Beisetzung von Särgen oder Urnen sind Mitarbeiter von Grün Schaffhausen zuständig. Der Abteilungsleiter Stadtgrün, Konrad Bruderhofer, sagt, dass die Mitarbeiter bei einer stillen Beisetzung den Zeitpunkt der Beisetzung bis anhin frei wählten – in der Regel vormittags, da sich dann weniger Personen im Friedhof aufhalten würden. «Der Vermerk 15 Uhr wurde unsererseits ignoriert, da uns der Hinweis ‹stille Beisetzung› signalisierte, dass niemand der Aschenbeisetzung beiwohnen wird», sagt Bruderhofer. «Wir versuchen, die Aschenbeisetzungen so vorzunehmen, dass diese möglichst unbemerkt ablaufen.» Seit dem Vorfall mit Christoph Hedinger sei die Praxis dahingehend geändert worden, dass das Bestattungsamt auf der Bestattungsanzeige nun immer eine Zeit vermerke. «Unsere Mitarbeitenden sind jetzt immer zu diesem Zeitpunkt mit der Urne vor Ort. Wenn niemand da ist, wird eine Viertelstunde gewartet, ob doch noch Hinterbliebene erscheinen», sagt Bruderhofer. «Nach dieser Wartezeit wird die Asche beigesetzt.»

Mit der fixen Zeitvorgabe habe man nun eine weitere Sicherung eingebaut, falls sich Hinterbliebene nicht sicher seien oder kurzfristig ihre Einstellung zur Teilnahme an der Aschenbeisetzung änderten.

Bereits im Juli berichteten die SN über einen Zwischenfall im Bestattungsamt: Eine Frau hatte sich Anfang Mai nicht mehr von ihrem verstorbenen Mann verabschieden können, weil alle Räume in der Aufbahrungshalle des Waldfriedhofs besetzt waren. Damals erklärte das Bestattungsamt, künftig eine temporäre Aufbahrung in ­einem separaten Raum zu ermöglichen, um ähnliche Fälle zu vermeiden.

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