Vernissage der gebräunten «Sixpacks»

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Gebräunt, geschminkt und in glitzerndem Bikini präsentiert sich Sportlerin Kepsia Gerster. Bild: Evelyn Kutschera

Schweiss, Muskeln und viel Bling-Bling – am Bodybuilding-Cup in Schaffhausen präsentierten 170 Athleten und Athletinnen ihre durchtrainierten Körper.

von Marielle Heeb

Der beissende Geruch von Bräu­nungscreme und Schweiss zieht sich am Samstag durch die Garderoben der BBC-Arena in Schaffhausen. Braune Flecken zieren den Boden, der in weiser Voraussicht zuvor mit Folie abgedeckt wurde. Hinter der grossen Bühne häufen sich Sporttaschen, Gymnastikmatten und glitzernde Bikinis – kaum eine leere Stelle ist auf dem Hallenboden zu finden. Auf kleinsten Raum bereiten sich hier 170 Athleten und Athletinnen auf den anstehenden Wettkampf vor. Sie alle präsentieren im Rahmen der Bodybuilding-Meisterschaft ihre muskelbepackten Körper, die sich heute in Topform befinden sollten.

Die Vorbereitungen hinter den Kulissen könnten unterschiedlicher nicht ablaufen: Falsche Wimpern werden aufgesetzt, Bikinis angezogen und letzte Liegestützen gemacht. Kepsia Gerster (Bild) nimmt in der Kategorie «Bikini Fitness» teil und schmückt ihren Körper mit Armreifen, langen Ohrringen und pinkfarbenem Bikini, wie es sich für diese Show gehört. Im Gewimmel von Coaches und Sportlern sieht man aber vor allem eines: viel nackte Haut.

Newcomer-Thaibox-Weltmeisterin

Unter den Bodybuildern befindet sich auch Athletin Adriana Sollberger. Sie trifft gerade die letzten Vorbereitungen, um auf der Bühne glänzen zu können – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Bereits seit morgens um elf Uhr ist die Fitnesstrainerin aus Basel vor Ort. Nach dem Bräunen und dem Schminken folgt nun das Anziehen des Bikinis. Für 520 Euro hat Sollberger das massgeschneiderte, rot-silbern schillernde Kunstwerk aus Russland bestellt. «Ich dachte schon, ich müsste heute ohne Bikini auf die Bühne», sagt die Sportlerin. Nachdem das Paket am russischen Zoll aufgehalten wurde, ist es vorgestern aber doch noch eingetroffen.

Unter vielen langjährigen Teilnehmern gehört Sollberger noch zu den Newcomern der Szene. Ihre eigentliche Sportkarriere startete aber viel früher. Die Thaiboxerin holte sich 2006 den Weltmeistertitel. Da sie durch ihren Beruf dazu inspiriert wurde, trainiert die Fitnesstrainerin nun seit zwei Jahren hauptsächlich Bodybuilding. Krafttraining steht bei ihr viermal in der Woche auf dem Programm, und auch die Ernährung musste sie anpassen. «Während der Vorbereitungen arbeitet man mit einem ständigen Kaloriendefizit», erklärt sie. Obwohl die Athletin eine leidenschaftliche Esserin ist, hält sie sich seit Juli konsequent an ihren Ernährungsplan. Je früher man mit den Vorbereitungen beginne, desto gesünder sei das für den Körper, so Sollberger. «Spontane Feuerwehrübungen bringen hier nichts.»

«Jede sichtbare Verschönerung ist eine Entschädigung und Motivation für mich.»

Adriana Sollberger, Athletin und Fitnesstrainerin

Doch für was dieser ganze Verzicht? Für die Sportlerin steht die Perfektion ihres eigenen Körpers im Vordergrund der ganzen Abstinenz. «Der menschliche Körper ist so wunderschön», sagt Sollberger mit abwesendem Blick, «und jede sichtbare Verschönerung ist eine Entschädigung und Motivation für mich.» Doch der Druck unter den Teilnehmern ist gross, gerade in einer Sportszene wie dieser, wo Aussehen den Erfolg definiert. Natürlich gebe es viele Zickenkriege und Neid, gerade unter den weiblichen Teilnehmerinnen, so Sollberger. Doch sie versuche sich da bewusst herauszuhalten: «Meine Muskeln werden durch den Neid nicht grösser», sagt sie mit einem Lachen.

«Meine Muskeln werden durch den Neid nicht grösser.»

Adriana Sollberger, Athletin und Fitnesstrainerin

Am diesjährigen International Swiss Cup startet die Bodybuilderin zum ersten Mal in der Kategorie «Physique». Dazu absolviert Sollberger die obligatorischen Pflichtposen und präsentiert eine Kür, die sie im Voraus geübt und einstudiert hat. Laute Musik aus den Lautsprechern kündigt den Beginn der Präsentationen an. Die Rap- und Hip-Hop-Klänge werden von Anweisungen der fünfköpfigen Jury unterbrochen. «Frontansicht!», «Vierteldrehung», «Dop- pelbizeps», schallt es durch die grosse Halle, als die ersten Athleten auf die Bühne stolzieren. In Reih und Glied stellen sich die Sportler auf. Es scheint, als wäre die präsentierte Muskelmasse auf der Bühne nicht zu überbieten. Und doch – als die nächste Kategorie ins Rampenlicht tritt, ist der Bizeps noch grösser und die Schultern noch breiter. Fast schon unwirklich scheinen die perfekt proportionierten Körper, die sich unter strengem Blick der Juroren um die eigene Achse drehen. «Spanne!», erklingen Rufe aus dem Publikum. Die Tribüne der BBC-Halle ist gut gefüllt – Angehörige, Coaches und Freunde feuern die Bodybuilder an. Für zwanzig Minuten spannen die Teilnehmer ihre Muskeln an den unvorstellbarsten Stellen an – einige Schweisstropfen bilden sich auf den gebräunten Stirnen. «Wir wollen hier bewusst keine Massenabfertigung», sagt Beat Geser, Präsident des Schweizer Bodybuilding- und Fitness-Verbands. Er selbst kennt die Bodybuilding-Szene bestens aus eigener Erfahrung und möchte jedem Sportler die Chance bieten, angesehen zu werden. Jeder, der hier teilnehme, betreibe diesen Aufwand nur aus eigenem Interesse, ist Geser überzeugt. Diese Sportart sei wirklich kein geeignetes Pflaster, um bekannt zu werden. «Du kannst froh sein, wenn du am Wettkampf einen Gratisriegel bekommst», so Geser.

«Wir wollen den Körper als Kunstwerk und nicht als Betonelement präsentieren.»

Beat Geser, Präsident des SBFV

Gerne vergleicht der Präsident die Bodybuilding-Show mit einer Vernissage: «Wir wollen den Körper als Kunstwerk und nicht als Betonelement präsentieren.» Ihn fasziniert vor allem die Arbeit, welche hinter den durchtrainierten «Sixpacks» steckt. Gerade Erfolge von Teilnehmern, die mehrere Anläufe brauchen, machen ihn besonders stolz. «Diese Pokale scheinen mir dann ein gefühltes Kilogramm schwerer», sagt der Präsident, der viele Sportler persönlich kennt. Das Schlimmste sei für ihn jeweils die Rangverkündigung, denn jeder habe aus seiner Sicht eine Würdigung für seine harte Arbeit verdient.

Zittern, strahlen und hoffen

Ernst gilt es nun für Adriana Sollberger – die Kür der «Physique Frauen» steht auf dem Programm. Gekonnt präsentiert sie eine Mischung aus Akrobatik und Posen, welche ihren trainierten Körper in besonders gutes Licht stellen. Strahlend und zitternd verharrt sie in der Standwaage, ihr Bikini glitzert im Scheinwerferlicht. Nach den 45 Sekunden und einem weiteren «Pose-Down» unter den drei Wettkämpferinnen steht der Entscheid der Jury an. Mit geschlossenen Augen wartet Sollmann auf das Resultat, während ihr Name durch die Lautsprecher ausgerufen wird. – Leider reicht es für sie heute nicht nach ganz vorn. Mit ihrer Darbietung schafft es Sollberger auf den zweiten Platz. «Ich werde ab jetzt noch einmal alles geben», sagt sie kurz nach der Rangverkündigung optimistisch. In zwei Wochen steht die Schweizermeisterschaft in Basel an. Der Swiss International Cup ist Voraussetzung für die Teilnahme an der Schweizermeisterschaft. Nur wer sich in Schaffhausen bewiesen hat, darf in Basel antreten. Sollberger hofft deshalb, sich dort ganz oben auf dem Treppchen wiederfinden zu dürfen.

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