Zwischen Hardrock und Klassik

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Zusammen sind sie die Band Gotthard: (v. l.) Marc Lynn (Bass), Nic Maeder (Vocals), Freddy Scherer (Gitarre), Hena Hab­egger (Drums) und Leo Leoni (Gitarre). Bild:zvg

Gotthard-Gitarrist und -Gründer Leo Leoni (51) über seine ambivalenten Gefühle betreffend das Unplugged-Album «Defrosted» und seine Auftritte bei Rock Meets Classic.

von Reinhold Hönle

Mit ihrem Unplugged-Live- Album «Defrosted II» kehrt Gotthard am Dienstag, 7. August, auf die grosse Bühne des «Stars in Town» zurück. Damit eröffnet die derzeit erfolgreichste Schweizer Rockband zusammen mit Nightwish und The Beauty of Gemina das Festival. Gitarrist Leo Leoni hat zusammen mit seinem Jugendfreund Steve Lee vor 25 Jahren Gotthard ins Leben gerufen.

Erinnern Sie sich an die erste klassische Musik, die Sie gehört haben?

Leo Leoni: Es muss Beethoven gewesen sein, die 5. Symphonie – was sonst? (summt sie und lacht)

Standen Ihre Eltern auf Klassik?

Nein, mein Vater mochte Volksmusik Tessiner Art. Es muss in der Schule gewesen sein, aber damals hat mich Klassik nicht interessiert. Mich fasziniert, wie in einem Orchester so viele Menschen zusammen spielen können. Bis heute.

In einem Orchester gibt es einen Dirigenten. Und bei Gotthard?

Jeder passt seine Spielweise intuitiv der Art des Songs und den Reaktionen des Publikums an.

Können Sie nach Noten spielen?

Nein, die sind nicht so mein Ding. Ich habe es mal probiert zu lernen, als ich Handörgeli spielen wollte, aber es ging nicht. I went the hard way. Ich versuchte meine Gitarrenidole nachzuahmen. Dabei hörte ich meine Lieblingsplatten, bis sie alle zerkratzt waren, spulte die Kassetten vor und zurück und beobachtete bei Konzerten stundenlang die Gitarristen. Damals gab es ja noch kein Internet! (lacht)

Haben Sie das Notenlesen noch gelernt?

Als wir 1997 unser erstes Unplugged-­Album «Defrosted» machten und ein Jahr später ein Lied mit Montserrat Caballé aufnehmen wollten, wäre es praktisch gewesen, wenn ich es beherrscht hätte. So fragte ich meinen ersten Musiklehrer, ob er es mir beibringen könne. Er meinte, es wäre für mich besser, wenn ich wie bisher weiterarbeite und meinem Gefühl vertraue. Die Noten von «One Life, One Soul» für Montserrat hat dann jemand anders zu Papier gebracht.

Nun wirken Sie und Nic Maeder bei Rock Meets Classic mit. Wie stehen Sie zu solchen Crossover-Projekten?

Alles hat mit Deep Purple begonnen, oder? Ich habe zuerst nicht verstanden, was Jon Lord 1969 mit «Concerto For Group And Orchestra» wollte. Erst 40 Jahre später, als ich ihn kennenlernen und sogar bei der Wiederaufführung mitspielen durfte, merkte ich, dass die beiden Stilrichtungen gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie man denkt. Der «Wall of Sound» eines Orchesters ist nämlich ähnlich imposant wie eine Wand aus Marshall-Verstärkern! (lacht) Ausserdem waren leidenschaftliche Musiker wie Mozart oder Beethoven die Rock ’n’ Roller ihrer Zeit.

Sind Sie vor einem Auftritt mit einem ­Orchester nervöser als sonst?

Sicher, denn es müssen sich Musiker finden, die aus komplett verschiedenen Welten stammen. Wir haben grossen Respekt voreinander, da beide Seiten Dinge beherrschen, welche die andere nicht kann. Ich muss mich auf ein solches Konzert auch mehr vorbereiten und disziplinierter sein, damit es die gleiche Qualität hat wie ein normaler Gotthard-Gig.

Wie kamen Sie zu Rock Meets Classic?

Mat Sinner, der das seit acht Jahren macht, kennt unsere Geschichte und fragte Nic und mich an, ob wir zusammen mit seiner Band und dem RMC Symphony Orchestra spielen wollten. Da die Tournee unsere übrigen Aktivitäten perfekt ergänzt, sagten wir zu.

Wie gut kennen Sie die übrigen Rock­solisten?

Mit Francis Rossi von Status Quo waren wir gemeinsam auf Tour, Michael Sadlers Saga kenne ich aus der Hitparade, und bei Saxofonist John Helliwell weiss jeder, dass er mit Supertramp Geschichte geschrieben hat.

Was sind Ihre weiteren Pläne?

Mit meinem Soloprojekt CoreLeoni spielen wir auf der CD «The Greatest Hits Part 1» Songs von den ersten drei Gotthard-Alben und touren im Sommer. Mit Gotthard sind wir bereits ab 8. März unterwegs und nehmen «Defrosted II» auf.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem ersten «Defrosted»-Album?

Wir beschlossen, uns nach «G.» für das nächste Studioalbum mehr Zeit zu nehmen. Aus den Diskussionen zwischen Chris (von Rohr) und mir entstand die Idee, ein Unplugged-Album zu machen. Wir dachten damals, dass wir eine kleine Tournee machen, doch die Nachfrage nach Konzerten war so gross, dass sie zwei Jahre dauerte. Für den Leoni nicht optimal! (lacht)

Weil Sie Ihre elektrische Gitarre vermissten?

Genau, aber nicht nur das. Durch den Doppel-Platin-Erfolg driftete Gotthard in eine Richtung ab, an der ich nicht so Freude hatte. «Open» wurde ein Album mit vielen Popsongs und Balladen ohne Ende, «Homerun» ein Kompromissversuch, aus dem wenigstens unser grösster Hit ­«Heaven» resultierte ...

Dann weckt «Defrosted II» bei Ihnen ­gemischte Gefühle?

Nein, ich kann mich darauf freuen, alte Songs für diese akustische Platte neu zu arrangieren, weil ich daneben CoreLeoni habe. Eigentlich beschlossen Steve (Lee) und ich schon 2010, eine Pause einzulegen, um unsere Soloprojekte zu verwirklichen. Doch dann kam sein tragischer Unfall dazwischen, weshalb ich mich zuerst einmal um die Bandzukunft kümmern musste. Nach drei Studioalben mit Nic lässt mir «Defrosted II» nun genügend Zeit, wieder einmal ohne Rücksicht auf die Banddemokratie dem Hardrock zu frönen, der mir sehr am Herzen liegt und die Basis für Gotthard war.

 

 

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