«Ich finde, der Ort verkommt»

Alfred Wüger | 
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Viele tote Winkel ziehen Drogenkonsumenten an, Abfall quillt aus überfüllten Tonnen: Die Unterführung vom Löwengässchen zur Überbauung Urbahn ist kein Schmuckstück.

Es gibt idyllischere Orte für eine Kaffeepause. Die drei jungen Männer, die unter dem grünen Fluchtwegsignal bei der Tür stehen, ganz hinten in einem mit Fahrrädern vollgestellten Schlauch, den man nicht ohne ein mulmiges Gefühl betritt, nehmen denn auch gleich eine gespannte Haltung ein, als da ein Fremder kommt.

Sie rauchen, trinken Kaffee, sie arbeiten im Hotel Arcona, und nur einer möchte namentlich genannt werden: Jasper Ebinger, der Koch. «Heute ist es ein guter Tag», sagt er, «es stinkt nicht.» Und das trotz der eingetrockneten Flecken unbekannter Herkunft am Boden. «Es gibt hier unten Drogenkonsumenten und Alkoholiker», sagt ein anderer. «Das hätte ich nie gedacht, dass es in Schaffhausen so aussieht. Ich war vorher in Zürich. Dort ist es sauberer.»

«Schaffhausen muss aufstehen!»

Man kann sich nicht vorstellen, dass eine junge Frau ihr Fahrrad in diesem von der Unterführung her uneinsehbaren toten Winkel abstellt. «Auch als Mann würde ich mein Fahrrad nicht hier hinstellen», sagt einer der Männer. Viele Velos sind kaputt, ohne Sättel, mit platten Reifen, im Transportkörbchen liegt Abfall. «Seit anderthalb Jahren arbeite ich hier. Es sieht immer so aus», sagt der Koch. Abends um acht oder neun – zur Zeit, wo sie ihre Arbeitsstelle verlassen – würden sie oft Jugendliche im Treppenhaus zum Parkhaus sitzen sehen. Mit grossen Flaschen.

«Wir sind hier jeden Montag, Mittwoch und Freitag und sammeln Abfall ein.»

Carmine Natola Reinigungsequipe des Kantons Schaffhausen

Ein Haus weiter, in der Migrolino-Filiale, sagt Besarta Arifaj: «Es ist megadreckig.» Artan Spahi, der beim Denner gleich gegenüber arbeitet und auf einen Kaffee vorbeigekommen ist, ergänzt: «Schaffhausen muss aufstehen! Die Polizisten sind viel zu passiv, das habe ich denen auch schon ­direkt gesagt.»

Was seinen Unmut erregt, ist, dass in der undefinierbaren Betonnische von etwa 25 Quadratmetern, gleich neben dem Denner, überall hingepinkelt wird und er den Abfall selber aufwischen muss. «Wir haben jeden Tag Reklamationen. Es sieht schrecklich aus da draussen.» Besarta Arifaj berichtet von Urin, von herumliegenden Spritzen, sie erzählt, dass Leute im Treppenhaus des Parkhauses schlafen würden. «Wir haben von 6 Uhr am Morgen bis um 22 Uhr ge­öffnet. Wenn ich am Samstagabend hier rauslaufe oder am Sonntagmorgen zur Arbeit komme, habe ich Angst. Ich schäme mich für Schaffhausen, denn ich bin hier aufgewachsen.»

«Jetzt putzen sie, aber das ist selten»

Ein Mann in Orange mit einem Reisig­besen ist plötzlich ins Blickfeld gekommen. «Jetzt putzen sie», sagt Artan Spahi und Besarta Arifaj: «Aber das ist selten.» Wie häufig sie putzen, weiss der Mann mit dem Besen, Carmine Natola: «Wir sind hier jeden Montag, Mittwoch und Freitag», sagt er. Die Frage, ob das genüge, beantwortet er mit ­einem Lächeln und die Frage, ob er da viel zusammenkehre, ebenfalls. Die Treppe zur Spitalstrasse hinauf hat er jedenfalls mit grossem Erfolg gereinigt. «Die andern Treppen gehören den SBB», sagt er, «die dürfen wir nicht putzen.» Nun erscheint eine orange Putzmaschine und sammelt mittels zweier rotierender Bürsten das ein, was Carmine Natola zusammengefegt hat.

Zu wenig Polizeipräsenz bemängelt

Sandra Müller ist Pendlerin. Sie sagt: «Es gammeln betrunkene junge und ältere Leute herum, teilweise noch mit Hunden, um die man besser einen Bogen macht. Velofahrer sausen durch die Unterführung, trotz Fahrverbot, Polizei- oder Securitypräsenz sucht man vergebens.»

Zu diesem letzten Punkt sagt Romeo Bettini, Bereichsleiter Sicherheit und öffent­licher Raum: «Es geht um das subjektive ­Sicherheitsempfinden, und das gilt es, ernst zu nehmen. Allerdings haben wir in dieser Unterführung sehr wenige Delikte. Die randständigen Personen reden zwar laut, sind aber nicht angriffslustig.» Die Polizei habe keine Handhabe, sie wegzuweisen. «Aus Sicht der Polizei», so Bettini, «gibt es gegenwärtig keinen Grund, stärker präsent zu sein. Ein Problem sind allerdings die ­Velofahrer in der Fussgängerzone. Hier spricht die Polizei nun auch Bussen aus.»

 

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