Anwohner wehren sich gegen Busschleuse

Daniel Jung | 
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In Herblingen soll die Quartierstrasse Im Brüel für den ­Busverkehr geöffnet werden. Damit sind die Anwohner im ruhigen Wohnquartier nicht einverstanden.

Die Anwohner der Quartierstrasse Im Brüel in Herblingen sind unzufrieden. Ihre 175 Meter lange Strasse ist heute eine Sackgasse, die lediglich von den Anwohnern selbst, von Fussgängern und von Lieferanten genutzt wird. Für den Durchgangsverkehr ist sie seit 1971 gesperrt. Sie verbindet die Stüdliackerstrasse im Süden mit der Thayngerstrasse im Norden.

Im Rahmen der Ausbaus der Bus­linien in Herblingen soll diese Quartierstrasse nun für den Bus der Linie 5 geöffnet werden: Aktuell verkehrt der 5er-Bus in Herblingen ab der Haltestelle Post in einem Rundkurs: Er bedient die Haltestellen Einkaufszen­tren, Neutal und Hirschen und fährt dann wieder in Richtung Stadtzen­trum. Neu soll die Linie 5 bis zum Wendeplatz Gründliacker verlängert werden und in beide Richtungen über dieselbe Route verkehren.

Rundkurse haben Nachteile

Gemäss Martin Gugolz, Betriebschef der VBSH, haben Punkt-zu-Punkt-Verbindungen gegenüber Rundkursen klare Vorteile. Der Anspruch der VBSH sei es, die Passagiere so schnell wie möglich ans Ziel zu bringen. «Unsere Fahrgäste wollen keine Quartierrundfahrten machen», sagt er. Wenn eine Person vom Herblinger Markt heute zurück ins Stadtzentrum fahren will, so muss sie die «Schlaufe» über den Hirschen in Kauf nehmen. Mit der geplanten neuen Linienführung, bei der die Haltestelle Einkaufszentren in beide Richtungen bedient würde, würde diese Fahrt direkter. «Und die Einkaufszen­tren ist – nach dem Bahnhof Schaffhausen – die am zweitstärksten frequentierte Haltestelle auf dem gesamten VBSH-Netz», sagt Gugolz – es geht hier also nicht um eine x-beliebige Haltestelle.

Fährt ein 5er-Bus vom Stadtzen­trum künftig in Richtung Einkaufszen­tren, so benutzt er die Gennersbrunnerstrasse. In die Gegenrichtung ist dieser Weg allerdings nicht möglich aus Gründen der Kurvengeometrie: Der Winkel zwischen Gennersbrunnerstrasse und Herblingerstrasse ist zu spitz, als dass ein Bus, von Süden kommend, dort links abbiegen und vernünftig vor der Post Herblingen halten könnte, ohne den übrigen Strassenverkehr zu beeinträchtigen. Eine Verschiebung der Bushaltestelle in west­liche Richtung ist aufgrund der Eigentumsverhältnisse nicht möglich. Deshalb möchten die VBSH die Quartierstrasse Im Brüel für den Bus in eine Fahrtrichtung öffnen. Nur so könnten die Linienbusse die Haltestellenkante Post korrekt anfahren, wie dies etwa auch durch das Behindertengleichstellungsgesetz verlangt werde. Weil die Strasse nur für den ÖV und nicht für den ­Individualverkehr geöffnet wird, heisst das Teilprojekt «Busschleuse ‹Im Brüel›».

Quartierstrasse als Busschleuse

Damit sind die Anwohner der Quartierstrasse jedoch nicht einverstanden. Sie kritisieren, dass ihre Strasse zu eng sei für den Busverkehr. Wenn der Bus künftig alle zehn Minuten oder rund 100-mal pro Tag durch die enge Quartierstrasse fahre, so würden Probleme entstehen bei Ein- und Ausfahrten von Autos, bei Umzügen oder bei Umbauten, bei Anlieferungen von Möbeln oder Heizöl. «Für uns hat die geplante Kursführung keine Vorteile, wir werden 100-prozentig benachteiligt», sagt Werner Eifler.

«Wir sind nicht ge­gen den Ausbau der Buslinie», sagt er. Jedoch dürfe die Quartierstrasse nicht in Anspruch genommen werden. Auf der Strasse besteht heute ein Parkierverbot. Die Anwohner befürchten, dass es künftig gar ein Halteverbot geben könnte, und kri­tisieren, dass sie nicht frühzeitig über die Pläne der Stadt informiert wurden.

«Wir fordern, dass Herblingen wie bisher mit einem Rundkurs bedient wird», sagt Roland Schaber. Das bestehende System habe sich bewährt. Der Wert der Liegenschaften Im Brüel werde sinken, wenn aus einer ruhigen Quartierstrasse plötzlich eine Busachse werde. Zudem stelle der Bus in der engen Strasse auch ein Sicherheitsrisiko dar. «Unser familienfreundliches Quartier wird kaputt gemacht», befürchtet Anton Falk.

«Unser familienfreundliches Quartier wird durch die geplante Buslinie kaputt gemacht.»

Anton Falk, Anwohner Im Brüel

Kurz bevor die Vorlage Anfang Juni im Grossen Stadtrat behandelt wurde, fand eine Aussprache zwischen der Stadt und den ­besorgten Anwohnern statt. Die Anwohner bemängeln, dass die Vertreter der Stadt ihre Einwände nicht ernst genommen haben. «Wir wurden wie Kinder runtergeputzt», sagt Roland Schaber.

Wichtiges Puzzleteil

Martin Gugolz von den VBSH hat das Treffen anders in Erinnerung. «Es fand in freundlicher Atmosphäre statt», sagt er. Die Anwohner hätten ihre Anliegen und Sorgen deponiert. Die Stadt habe daraufhin angeboten, den Bus am Abend und am Wochenende – wenn die Geschäfte im Einkaufszentrum geschlossen seien – vom Unterdorf über die Thayngerstrasse direkt zur Post zu führen, um so den Anwohnern von Im Brüel entgegenzukommen.

Tagsüber sei es aber essenziell, dass die Haltestelle bei den Einkaufszentren in beiden Fahrtrichtungen bedient werde. Gugolz betont, dass diese Haltestelle nicht nur stark frequentiert ist, sondern künftig auch ein weiterer Umsteigepunkt sein wird, an dem die Linie 5 mit der neuen Linie 9 (Ebnat–Bahnhof Herblingen–Einkaufszen­tren) verknüpft wird. «Die Busschleuse Im Brüel ist daher ein entscheidendes Puzzleteil für das ganze Projekt», sagt er. Gugolz versteht, dass die Anwohner nicht begeistert sind, wenn ihre Strasse künftig stärker genutzt wird – letztlich geht es aber um das Abwägen von ­Interessen einer Mehrheit gegenüber … … Einzelpersonen. Das Angebot der Stadt für einen reduzierten Abend- und Wochenendverkehr sehen die Anwohner kritisch. «Was passiert, wenn das Einkaufszen­trum seine Öffnungszeiten erweitert?», fragt etwa Roland Schaber – dann werden die VBSH bestimmt nachziehen.

«Eine Strasse wie jede andere»

Der Quartierverein Herblingen steht hinter den Plänen der VBSH. «Wir finden den Leistungsausbau in Herblingen insgesamt sehr positiv», sagt Präsident Jürg Weber. Mit der neuen Linienführung können speziell die Bewohner des Trenschen-Quartiers besser mit dem Bus erschlossen werden.

Die Strasse Im Brüel sei eine Strasse wie jede andere auch. «Es ist keine Spielstrasse», betont Weber. Gemäss seiner Einschätzung bringe der Bus keine unzumutbare Mehrbelastung für die Anwohner. Der Bus werde langsam durch die Strasse fahren. «Insgesamt ist die Lösung vertretbar», sagt er. Weber versteht, dass die Anwohner keine Freude haben an der geplanten Linienführung. «Man muss sich aber dran gewöhnen», sagt der Präsident.

«Gesamtheitlich optimiert»

Auch der zuständige Stadtrat Daniel Preisig sagt: «Wir haben Verständnis für die Anliegen der Anwohner.» An der Aussprache von Anfang Juni habe man diese durchaus ernsthaft aufgenommen. Die Stadt kläre derzeit ab, ob durch bauliche Massnahmen die Sicherheit an der Strasse Im Brüel noch verbessert werden könne. «Letztlich brauchen wir aber eine für Herblingen gesamtheitlich optimierte Lösung», sagt Preisig.

«Lärmproblematik geringer»

Aus solch einer gesamtheitlichen Optik sei die Busschleuse Im Brüel die beste Lösung. Andere Lösungen würden die Fahrdistanz erhöhen, die Lärmproblematik in andere Strassen verschieben oder die Attraktivität des ÖV reduzieren. «Und mit den Elektrobussen, die bald einmal kommen, ist die Lärmproblematik geringer als mit den Dieselbussen», sagt Preisig.

 

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