Briefe, Pakete, Duschschläuche

Andreas Grossmann | 
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Peter Bohren geht in Pension. Bild: agr

Seit 1980 bei der Post, gut 20 Jahre Filialleiter auf der Poststelle in Thayngen. Peter Bohren kennen im Reiat viele. Nun geht er in Pension. Wie beurteilt er die Entwicklung der Post?

«Morgens fuhren Lastwagen voll mit Briefen und Paketen auf der Poststelle in Thayngen vor», erinnert sich Peter Bohren. «Heute kommt gerade einmal ein kleiner Anhänger. Der Postverkehr ist deutlich zurückgegangen.» In Zeiten von E-Mails werden kaum noch Briefe geschrieben. Online-Lieferdienste sind überlebenswichtiger Bestandteil des täglichen Paketversands geworden: «Wenn Zalando Konkurs ginge, hätte die Post ein Problem», fasst Peter Bohren die Situation zusammen. Überhaupt sei die Diversifizierung der Post bei gleichzeitiger Schliessung vieler Filialen eine der markantesten Änderungen, die er in den 40 Arbeitsjahren miterlebt habe. «Zeitweise boten wir alles an, was irgendwie Umsatz brachte: von Schokolade über Abfallmarken bis hin zu Duschschläuchen.» Hier sei man zum Glück etwas zu den Wurzeln zurückgekehrt. Seit gut drei Jahren konzentriere man sich wieder vermehrt auf Post-nahe Produkte. «Eine positive Entwicklung», findet Bohren. «Die Kunden fragten mich häufig: Jetzt hast du das auch noch im Sortiment? Mit Sanitärartikeln konkurrenzierten wir teilweise sogar das lokale Gewerbe.» Die Post habe durch die Digitalisierung eben einen immensen Wandel durchgemacht. «Früher leistete man sich noch fast in jedem Dorf eine Filiale. Die Poststelle am heutigen Standort in Thayngen ist Anfang der 1970er-Jahre – zu Hochkonjunkturzeiten – optimistisch für ein Einzugsgebiet von 8000 Einwohnern angelegt worden.» Man bediente teilweise zu fünft.

Der Wandel der Zeit

Doch die Auflösung der PTT, des ehemaligen Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebs, konnte nicht ohne Folgen bleiben. Swisscom übernahm die Führung im Telekommunikationsmarkt. Die Digitalisierung hielt Einzug. Poststellen wurden geschlossen. In Dörfern wie Bibern oder Altdorf agiert die Post heute via Hausservice. Anfang der 2000er begann das Filialsterben, erinnert sich Peter Bohren, dem zu Beginn mehrere Poststellen im Reiat unterstellt waren.

Als schliesslich auch noch der Finanzmarkt und damit das Bankgeschäft der Post schwächelte, sei man zwischenzeitlich schon arg von den eigentlichen Kernaufgaben abgewichen, sagt Bohren. Er selbst kennt die gute alte Zeit noch, hat seinem Vater, der Briefträger und Filialleiter war, als Jugendlicher schon einmal am Schalter ausgeholfen, fuhr später mit der Bahnpost bis nach Chiasso und über Nacht zurück. «Unterwegs sammelten wir Post ein und sortierten Teile der Bahnladung, um die Briefzentren zu entlasten.» 1998 kam er nach Thayngen. «Es hat sich vieles verändert», resümiert er. «Das Netz wurde irgendwann zu teuer, das konnte nicht mehr rentieren.» Neu vermittelt die Post Versicherungsgespräche, liest den Strom ab, bestellt Strafregisterauszüge. «Es gibt keine Alternative», meint er. «Die Post übernimmt schliesslich auch viele gesellschaftlich wichtige Aufgaben, so sammeln unsere Zustellboten in Thayngen etwa Altkleider und Kaffeekapseln.»

Ende Mai ist Schluss, Peter Bohren geht in Pension. Bestimmt wird ihn der eine oder andere Thaynger vermissen, wenn er ein Päckchen auf die Filiale bringt oder Einzahlungen mit dem gelben «Postbüechli» tätigt – denn, wie Bohren versichert, gibt es sie noch: Personen, die ihr Geld auf der benachbarten Bank abheben, um es ein Haus weiter auf der Post wieder einzuzahlen. Die Zukunft hält also auch in Zeiten des E-Banking nicht von heute auf morgen Einzug.

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