«Das war wirklich ein Super-GAU»
Eine zerstörte Sägerei, Sachschaden von über einer Million Franken und zwei Hektaren abgebrannter Eichenwald: Das ist die Bilanz des Grossbrands, der am Samstagnachmittag in einer Sägerei in Merishausen ausgebrochen war.
Wasserversorgung: Wegen der Löscharbeiten war das Dorf zeitweise am Limit
«Wir haben für die Löscharbeiten unglaublich viel Wasser gebraucht, kurzzeitig waren wir am Anschlag», bilanziert Rolf Biber, Kommandant der Verbandsfeuerwehr Bargen-Merishausen. «Das Wasser war in Merishausen schon knapp. Es hat lange nicht genügend geregnet», so Biber. Schon vor zweieinhalb Wochen rief der Gemeinderat die Bevölkerung dazu auf, Trinkwasser zu sparen.
In Merishausen stammt das Trinkwasser vorwiegend aus Quell- und Grundwasser. Sinken die Pegel wegen Niederschlagmangels, wird zusätzlich Wasser von der Wasserversorgung Reiat ins Dorf gepumpt. «Während der Löscharbeiten war das Trinkwasser für die Bevölkerung knapp. Es floss nicht mehr viel aus dem Hahnen. Und auch die Bauern haben nachgefragt, wann wieder Trinkwasser für die Kühe fliesst», sagt Rolf Biber. So wurde für die Löscharbeiten zusätzlich auch Wasser aus der Wasserversorgung Reiat gebraucht. Zudem wurde der Feuerwehrteich beim Alten Zollhaus, der mit Wasser aus der Durach gefüllt ist, genutzt. Sonst wurde kein Wasser aus dem Fluss gebraucht. Die Bauern haben damit die auf den Traktoren befestigten Druckfässer gefüllt, die rund 10 000 Liter fassen. Zudem wurde die Badi Merishausen zum Löschen ausgepumpt. Im Wasserreservoir der Gemeinde steht extra ein Becken, das nur als Löschwasser für die Feuerwehr genutzt werden darf. Auch das wurde geleert. Zusätzlich hat die Feuerwehr eine rund vier Kilometer lange Wasserleitung ins Merishausertal gelegt, wo auf Boden der Stadt Schaffhausen ein Reservoir steht. «Dieses Wasser wurde vor allem zum Löschen der Sägerei verwendet», berichtet Rolf Biber.
Über Ausbau nachdenken
Im Normalfall reiche die Wasserversorgung in Merishausen aus, betont der Merishauser Strassenreferent Werner Stauffacher, der für den Bevölkerungsschutz zuständig ist. Es seien nun die lange Hitze und dieses aussergewöhnliche Brandereignis zusammengekommen, was zur Wasserknappheit geführt habe. «Das Dorf wächst, längerfristig müssen wir über einen Ausbau der Wasserversorgung nachdenken», so Stauffacher. Die Wasserreservoirs auszubauen, könne ein Thema sein.
Ivo Tognella ist am Boden zerstört. Als ihn die SN gestern Vormittag per Telefon erreichen, steht er mitten in der Brandruine seines Unternehmens. Die Firma Tanner Holzbau und Sägerei gehört ihm seit 2014 – sie existiert schon seit bald 80 Jahren. Tognella hat bereits viel in die Modernisierung gesteckt und hatte Ausbaupläne. Nun wurde die Sägerei ein Raub der Flammen. Auch Maschinen und Werkzeug sind vollständig zerstört.
«Ich stehe sozusagen bei null», sagte Ivo Tognella gestern mit bewegter Stimme. Er habe sogar Glück im Unglück gehabt: «Ich konnte die Fahrzeuge noch aus der Halle holen und auch das Holzlager retten.» Zudem habe man glücklicherweise viel Holz schon an die Baustellen ausgeliefert. «Ich bin versichert, aber ich weiss im Moment nicht, wie es weitergeht und ob ich Energie für einen Neustart habe.»
Nun werde er sich mit seinen 17 Mitarbeitern organisieren, sagt der Sägerei-Inhaber. Er habe schon viel
Solidarität von den Holzbau-Konkurrenten erhalten. «Sie haben mir angeboten, ihre Werkstatt zu nutzen.»
Er selbst hat als Offizier der Feuerwehr Bargen-Merishausen beim Löschen des Brandes in seiner Sägerei mitgeholfen. «Ich war am Samstag auf einer Hochzeit in Beggingen als Trauzeuge, als ich gegen 14.50 Uhr alarmiert wurde», berichtet Tognella. Zuerst habe er gedacht, es gehe um ein kleines Waldbrändchen. Als er ins Dorf gefahren kam, habe er aber gesehen, dass das Dach der Sägerei in Flammen stand. Die Firma habe über keine Sprinkleranlage verfügt, das sei auch nicht Vorschrift, so Tognella. Jetzt hätte man sowieso bald Betriebsferien gehabt, die Zeit werde er nun nutzen, um das weitere Vorgehen zu planen.
Schaden von über einer Million
Noch ist die Brandursache nicht geklärt, wie Patrick Caprez, Sprecher der Schaffhauser Polizei, gestern sagte. Die Brandermittler seien jetzt am Spurensichern. Zeugenaussagen, wonach der Brand im Dach der Sägerei ausgebrochen sei und möglicherweise durch eine Zigarette verursacht wurde, die von der Autostrasse auf das Dach der Sägerei geworfen worden war, wollte Caprez nicht bestätigen.
Der Waldbrand im Naturschutzgebiet «Gräte» hat rund zwei Hektaren seltenen Eichenwald zerstört. Nach den Löscharbeiten wurden zudem tote Fische in der Durach gefunden. Beim Feuer in der Sägerei verbrannten auch Chemikalien. Nach Angaben der kantonalen Feuerpolizei beläuft sich der Sachschaden allein für die abgebrannte Sägerei auf über eine Million Franken.
Wohnhaus schützen
Das nun zerstörte Gebäude liegt direkt an der Autostrasse A4, die am Samstag bis 22 Uhr aus Sicherheitsgründen gesperrt war. Daran schliesst sich das Naturschutzgebiet «Gräte» an einem Randenabhang an. Das Gebiet dort ist sehr steil und bewaldet. «Es war schnell klar, dass die Sägerei nicht zu retten ist», sagt Rolf Biber, Kommandant der Verbandsfeuerwehr Bargen-Merishausen. «Es ging darum, die Umgebung und ein Wohnhaus in der Nachbarschaft zu schützen.» Doch schon bald tat sich ein neuer Brandherd am gegenüberliegenden Randenhang auf. Funkenschlag und die Abwärme der brennenden Sägerei – hier betrug die Temperatur rund 1000 Grad – trugen das Feuer in das Waldgebiet. «Das war wirklich ein Super-GAU», sagt Biber. «Genau hier war alles trocken und fing Feuer.»
«Ich weiss im Moment nicht, wie es weitergeht, und ob ich die Energie für einen Neustart habe.»
Ivo Tognella, Sägerei-Besitzer
Die Verbandsfeuerwehr Bargen-Merishausen gilt als ausgebildete Waldbrandeinheit. Zum Alarmierungssystem gehört es, dass Bauern mit ihren Druckfässern auf dem Traktor zum Löschen ausrücken (siehe Box). «Im Naturschutzgebiet war die Lage schwierig», so Biber weiter. «Es gibt nur zwei Wanderwege, die durchs Gebiet führen. Mit schwerem Gerät konnten wir hier nicht fahren.» Schnell habe die zentrale Einsatzleitung vor Ort entschieden, im steilen Hang keine Leitungen zu verlegen, was theoretisch möglich gewesen wäre. «Das hätte zu viel Zeit gebraucht», sagt Biber. Stattdessen wurde entschieden, Superpuma-Helikopter der Armee für das Löschen aufzubieten. Zudem war ein Helikopter aus Deutschland im Einsatz. Die drei Helikopter flogen zum Löschen des Waldbrandes Rheinwasser aus dem Schaffhauser Engeweiher heran. Auf der Kuppe des Naturschutzgebietes postierten sich Feuerwehr und Bauern mit Druckfässern, um das Feuer zu stoppen.
Waldbrand seit Sonntag gelöscht
Am Sonntag gegen 18 Uhr konnte die Feuerwehr die Löscharbeiten im Waldbrandgebiet einstellen. «Ein Super-Puma ist mit einer Infrarotkamera nochmals über den Hang geflogen, um Glutnester zu aufzuspüren» , sagt Biber. Inzwischen sind auch diese beseitigt.
Bei der Sägerei qualmte es gestern noch wegen Glutnestern im Boden. Die Feuerwehr hat deshalb mit einem Bagger die Erde verteilt. Am Vormittag war die Spurensicherung auf dem Brandort an der Arbeit. Von Samstag bis Sonntag standen rund 200 Feuerwehrmänner «von fast jeder Feuerwehr im Kanton Schaffhausen sowie Kollegen aus dem benachbarten Deutschland im Einsatz», so Biber.
Werner Stauffacher, als Gemeinderat in Merishausen für den Bevölkerungsschutz zuständig, hält fest: «Es war beeindruckend zu erleben, wie sich die verschiedenen Feuerwehrverbände zu einem Kollektiv zusammenschlossen, um gemeinsam den Brand zu bekämpfen. Ich denke, das war ein Beispiel, wie in einer Notlage ungeahnte Kräfte freigesetzt werden.»