Immer wenn’s Futter gibt, muhen die Rinder

Jean-Claude Goldschmid | 
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Schottische Hochlandrinder auf ihrer Weide an der Rebhalde. Dass sie laut und gerne muhen, ist in Büsingen zum Dorfgespräch geworden. Bild: Jean-Claude Goldschmid

Seine Hochlandrinder sind Hanspeter Vestners ganzer Stolz. Doch das laute Muhen der Tiere ruft Kritiker auf den Plan: Der Büsinger Landwirt muss sich immer wieder gegen falsche Vorwürfe wehren.

Mit seinen 27 Dienstjahren ist der 57-jährige Büsinger Landwirt, Hufschmied und Unternehmer Hanspeter Vestner der amtsälteste unter allen Büsinger Gemeinderäten. Neben Amt und Familie, zu der fünf Kinder und zehn Enkel zählen, gehört seine Leidenschaft auch seinen 41 Hochlandrindern. Die Rinder leben zumeist auf einer Weide in der Rebhalde oberhalb der Breitlenstrasse. Spaziert man mit Vestner an ihnen vorbei, beginnen sie sogleich zu muhen. Und das ist auch Teil des Problems, mit dem sich der Landwirt konfrontiert sieht.

Denn wo Erfolg ist, ist oft auch Missgunst nicht weit. So wird Vestner im Dorf immer wieder angefeindet. Ein bekannter Büsinger, der anonym bleiben will, dessen Name der Redaktion aber bekannt ist, behauptet, dass die Hochlandrinder zu wenig Futter und Wasser erhielten. Daher würden sie auch sehr laut muhen.

Eine Infotafel als Abhilfe

«Das ist Rufmord», entgegnet Vestner. «Die Hochlandrinder gehören für uns zur Familie.» Er liebe seine Tiere. Und seit mehreren Jahren würde er nicht nur minutiös protokollieren, wann er den Tieren zu fressen und zu trinken gebe, er filme seine Tiere auch regelmässig, um ihren guten Zustand zu dokumentieren. In der Regel sei er drei- bis viermal täglich bei seinen Rindern, um sie im Auge zu behalten. Und den Schaffhauser Kantonstierarzt ­Peter Uehlinger habe er aufgrund der leider immer wieder vernehmbaren Vorwürfe eingeladen, jederzeit unangemeldet bei ihm eine Inspektion vornehmen zu können. Büsingen gehört landwirtschaftlich aufgrund des Staatsvertrags zwischen Deutschland und der Schweiz zu 100 Prozent zur Eidgenossenschaft.

Die Vorwürfe entstünden wohl teilweise auch aus Unkenntnis und aus einem falschen Tierschutzverständnis, glaubt Vestner. Deswegen habe er sich entschlossen, eine Infotafel zu den schottischen Hochlandrindern aufzustellen, wie es ihm seine Tochter empfohlen habe. Denn die ausgesprochen naturnah gehaltenen schottischen Hochlandrinder seien die einzige Rinderrasse in der Schweiz, die das ganze Jahr hindurch im Freien gehalten werden könne. In der Regel fülle er das Silofutter einmal wöchentlich, das Wasser im Winter sogar täglich auf. In der Zwischenzeit hätten die Rinder gewissermassen ein Buffet à discrétion, aus dem sie sich nach Herzenslust bedienen könnten.

Zum Muhen sagt Vestner: «30 Prozent davon stammen gar nicht von meinen Rindern, sondern von Nachbarrindern.» Dies werde schlicht verwechselt. Seine Rinder muhten aber zu 90 Prozent bei der Anfutterei. Spaziergänger würden bewusst Salatabfälle, Brot und Äpfel auf die Weide werfen, und dann werde eben gemuht. «Ausserdem kennen die Tiere mittlerweile meine gelbe Mütze sowie alle unsere Betriebsfahrzeuge», so der Landwirt weiter. «Nie kann ich mit meiner gelben Kappe unbemerkt an der Weide vorbeigehen, ohne dass die Tiere muhen. Sie begrüssen mich eben einfach.»

Wäre er ein Bauer, dem es nur ums Geld ginge, dann würde er überdies gar keine schottischen Hochlandrinder im Freien halten – sondern Simmentaler oder Angus im Stall. Das Ganze basiere auf Liebhaberei und viel Herzblut. Begonnen habe seine Liebe zu den Hochlandrindern 1989. «An der Fachmesse Agritechnica in Frankfurt am Main sah ich zum ersten Mal so ein Kälbchen», erinnert sich Vestner. «Es sah aus wie ein Bärchen.» Als Geschäftsmann, der pro Jahr zwischen 50 und 65 Events auf seinem Hof durchführe, könne er es sich im

Übrigen gar nicht leisten, je irgendetwas Illegales zu tun.

Vandalismus im Spiel

Gegen sachliche Kritik habe er nichts, sagt Vestner. Aber er möge sich nicht dauernd gegen falsche Anschuldigungen wehren. Und leider bleibe es nicht bei verbalen Attacken. Sein Betrieb sei in den letzten Jahren auch immer wieder Opfer von Vandalismus geworden. Mehrmals habe man das Weidetor absichtlich geöffnet, mehrmals die Leckschalen umgeschmissen und gestohlen, einmal habe man selbst ein Kälblein entwenden wollen. Und gemäss einer Untersuchung des Zürcher Tierspitals wurde ein Kalb gar mit Rattengift auf der Weide vergiftet. «Und das ist leider kein Einzelfall», seufzt der Büsinger. Er habe sich nun mit einem halben Dutzend Landwirten dies- und jenseits der Grenze zusammengetan, um gemeinsam mit einem Anwalt rechtliche Schritte zu unternehmen.

«Die meisten Leute haben ja Freude an unserem Betrieb», räumt Vestner ein. Insgesamt sei es wohl nur eine Handvoll Leute, die ihm übelwollten. Sicher sei da auch Neid im Spiel. Er sei überhaupt kein rachsüchtiger Mensch. Und doch versuche er nun, herauszufinden, wer für die Verleumdungen und für den Vandalismus verantwortlich sei.

«Nichts zu beanstanden»

Der Schaffhauser Kantonstierarzt Peter Uehlinger bestätigt, dass die Situation auf Vestners Hof einwandfrei sei: «Es gibt absolut nichts zu beanstanden.» Vestner habe ihm auch tatsächlich angeboten, jederzeit unangemeldet vorbeikommen zu können. Als Kantonstierarzt bekomme er im Winter im Übrigen immer wieder Meldungen über Kühe und Schafe, die im Freien gehalten würden. «Die Tiere frieren aber nicht», so Uehlinger. «Es handelt sich ja um Wiederkäuer, und da diese Wärme produzieren, ist es ihnen sogar lieber, wenn es etwas kühler ist.»

Der Büsinger Bürgermeister Markus Möll sieht es genau gleich: «Man kann wirklich nicht sagen, dass Hanspeter Vestner seine Tiere nicht gut behandelt.» Unfrieden im Dorf wolle er nicht. Auch er sei dafür, dass man solche Tiere so naturnah wie möglich halte. «Wenn Spaziergänger bei der Weide vorbeikommen, meinen die Kühe, es gebe etwas zu muhen.» Das müsse man eben verstehen.

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