Surfen auf der Wasserrutsche

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Sich wie in einem Fluss treiben lassen – aber viel aufregender. Dieses Gefühl vermittelt die in Hallau ansässige Firma Klarer Freizeitanlagen. Sie ist auf den Bau von Wasserrutschen spezialisiert und erfreut damit Badende auf der ganzen Welt. Dass es so weit gekommen ist, hat mit Zufällen und auch mit Geistesblitzen zu tun.

von Vincent Fluck

In grösseren Schwimmbädern und in Freizeitparks sind Wasserrutschen eine unverzichtbare Attraktion. Doch eine Kunststoffröhre, in der man durch zwei, drei Kurven saust und schliesslich in ein Wasserbecken platscht, lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Immer aufregender, immer ausgefallener muss es sein. Die auf den Rutschbahnbau spezialisierte Firma Klarer Freizeitanlagen AG in Hallau stillt dieses Bedürfnis. Da ist zum Beispiel die «Racer Slide» aus parallel verlaufenden Rutschbahnen, auf denen sich drei Personen ein Wettrennen liefern. Oder die «Stehrutsche», auf der man sich links und rechts mit den Händen festhält und in aufrechter Haltung abwärts surft. Oder der mit einem starken Ventilator ausgestattete «Storm Chaser», dessen Luftstrom so stark ist, dass sich auch Steigungen überwinden lassen. Garniert sind diese Bahnen mit Lichteffekten, Filmausschnitten, Klängen und vielem mehr. Wer es schafft, beim Vorbeiflitzen bestimmte Flächen zu berühren, sammelt Bonuspunkte. Oft sind die Bahnen auch einem bestimmten Thema gewidmet und erzählen packende Geschichten, etwa die eines Autorennens in Monaco oder einer Stollenfahrt in einem Bergwerk.

Geführt wird die Hallauer Firma in zweiter Generation vom Geschwisterpaar Claudia und Stefan Klarer. Sie ist für den administrativen Bereich zuständig und sorgt dafür, dass die Wasserrutschen auch wirtschaftlich Freude machen. Der eineinhalb Jahre jüngere Bruder ist für den technischen Bereich zuständig und denkt sich die neuen Produkte aus. Er ist voller Leidenschaft, spricht schnell und bildreich und ist ein guter Unterhalter. Dies ist mit ein Grund, weshalb er auch für die Kundenbeziehungen zuständig ist. Diese führen ihn bis nach Israel, China, Australien und früher in die USA. Hauptabsatzmarkt ist aber Europa.

Auslagerung ins Ausland

Bis vor knapp 20 Jahren wurde am Firmensitz produziert. Heute werden die Rutschbahn-Elemente, die aus glasfaserverstärktem Polyester bestehen, in der Slowakei und in Polen hergestellt. Die ebenfalls benötigten Stahlträger stammen aus Werken in der Schweiz und in Deutschland. Grund für die Auslagerung der Produktion waren einerseits die Kosten, andererseits der Mangel an Arbeitskräften. Wegen der unangenehmen Lösungsmittel war es schwierig, Personal zu finden.

«Wir sind oft Vorreiter. Wir haben als Erste auf der Welt einen Looping gemacht.»

Stefan Klarer

Ein Teil des Hallauer Firmengebäudes ist inzwischen vermietet. Der Rest wird für die Entwicklung von Prototypen oder für Reparaturen verwendet. Am Standort geblieben sind auch die Administration, das Offertwesen und die Detailplanung für die Betonfundamente, die Stahlträger und die Polyesterelemente. In der Planung sind Leute tätig, die unter anderem Innenarchitekt und Bauzeichner gelernt haben. Da der Rutschbahnbau eine nicht alltägliche Branche ist, braucht es jeweils eine Spezialeinführung durch den Chef. «Wenn einer neu zu uns kommt, bringe ich ihm alles bei», sagt Stefan Klarer, der über alle Produktionsschritte Bescheid weiss. Er selbst hat ursprünglich Zimmermann gelernt, kehrte nach der Lehre zurück und war während zehn Jahren als Monteur tätig.

Was die Endbenutzer nicht wahrnehmen: In den Rutschbahnelementen ist viel Elektronik eingebaut. Deshalb arbeiten im Betrieb auch zwei Elektrotechniker mit, die die nötigen Verkabelungen vornehmen, unter anderem von Leuchtmitteln, Tonerzeugern und Bildschirmen. «Das machen wir alles selber», sagt Stefan Klarer. Denn meistens seien die Bahnen Einzelanfertigungen. Nicht selten handle es sich dabei auch um Neuentwicklungen. Damit hebe sich das Unternehmen von den Mitbewerbern ab. Einige von ihnen seien zwar viel grösser und bei Standardausführungen kostengünstiger. Bei innovativen Projekten sei die Klettgauer Firma aber im Vorteil. «Wir sind oft Vorreiter», sagt Stefan Klarer. «Wir haben als Erste auf der Welt einen Looping gemacht.»

Zum Teil komme er selber auf die Ideen. Manchmal trage er sie jahrelang mit sich herum. So sei in den 1990er-Jahren ein Film mit Arnold Schwarzenegger herausgekommen, in dem er mittels einer Kapsel in eine andere Welt geschossen wird. Kürzlich war der Zeitpunkt gekommen, die Idee umzusetzen. Entstanden ist der «Stormchaser», die bereits erwähnte Blasrutsche mit Windantrieb. In einem anderen Fall beobachtete er, wie Kinder beim Rutschen aufzustehen versuchten, was der Auslöser war für die «Stehrutsche». Eine Herausforderung war, einen Handlauf zu entwickeln, von dem keine Verletzungsgefahr ausgeht.

Oft werden neue Ideen auch an Stefan Klarer herangetragen. Mit seiner jahrelangen Erfahrung kann er jeweils schnell sagen, ob sie sich weiterentwickeln lassen oder ob sie wegen der Kosten, der fehlenden Nachfrage oder aus Sicherheitsgründen zum Scheitern verurteilt sind. Eine Voraussetzung für die Innovationskraft der Firma seien die schlanken Strukturen, sagt Klarer. Seine Schwester und er hätten das letzte Wort «Entscheidungen, die bei anderen Firmen Monate dauern, sind bei uns in zehn Minuten durch.»

Einblicke und Reportage über die Firma Klarer Freizeitanlagen AG in Hallau, die Firma Klarer baut unter anderem Wasserrutschen und Rutschanlagen, Bild zeigt die Geschwister Stefan und Claudia Klarer, am Dinestag, 16. April 2025. (Melanie Duchene / Scha
Die Geschwister Stefan und Claudia Klarer leiten das Unternehmen in zweiter Generation. Sie ergänzen sich. Er ist für Produktentwicklung und Verkauf, sie für den kaufmännischen Bereich zuständig. Bild: Melanie Duchene

Mehrere Zufälle haben dazu geführt, dass die Firma Klarer Freizeitanlagen da ist, wo sie heute steht. Der Vater von Claudia und Stefan Klarer, ein Österreicher, arbeitete in Neunkirch bei der Firma Polyplex, die sich auf faserverstärkte Kunststoffe spezialisiert hat. Im Nebenerwerb nahm der Vater Aufträge von Landwirten an und kleidete Betonsilos mit Kunststoff aus, die von der sauren Silage angegriffen waren. Auch Brunnentröge und andere Behältnisse beschichtete er so. Später befasste er sich mit senkbaren Hallenbadböden und mit Rollschuhbahnen – ebenfalls aus Kunststoff. Eines Nachmittags zu Beginn der 80er-Jahre mussten die Kinder Elemente einer solchen Rollschuhbahn abspritzen. Dabei stellten sie erfreut fest, dass man auf den nassen Oberflächen herumrutschen kann. Zuerst schimpfte der Vater mit ihnen, fragte sich dann aber, ob nicht auch Wasserrutschen ein Geschäftsfeld sein könnten. Darauf versuchte ein Verkäufer, damit deutsche Schwimmbadbetreiber zu begeistern. Los ging es aber erst nach zwei Jahren, als Klarer Senior eine Rutsche auf eigene Kosten aufstellte und pro Fahrt 50 Pfennig verlangte. Der Erfolg stellte sich deshalb ein, weil die Interessenten nun ein Referenzobjekt anschauen konnten. Ausserdem beobachteten sie, dass sich damit die Besucherzahlen steigern liessen.

Neue Rutschen locken Besucher an

Das Kundeninteresse ist auch heute noch ein Innovationstreiber. Stefan Klarer erzählt von grösseren Freizeitparks, die gestaffelt neue Rutschen in Betrieb nehmen, um den Besucherstrom immer wieder anzukurbeln. Stefan Klarer wird deshalb oft von seinen Kunden gefragt, ob er wieder etwas Neues im Angebot habe.

In jüngster Zeit hat sich ein neues Kundensegment aufgetan. Nach 20 bis 30 Jahren endet normalerweise die Lebenszeit einer Rutsche, weil die Oberfläche langsam spröd wird. Die Kunden melden sich wieder und wollen einen Ersatz. «Das war ein bisher vergessener Markt, weil er am Anfang gar nie da war», sagt Stefan Klarer. Langsam kommen auch die beiden Geschwister ins Alter. Unlängst auf einer längeren Autofahrt in Frankreich überlegten sie, wie es mit ihrem Betrieb weitergehen soll. Eine Option war für sie, dass die Kinder von Claudia Klarer als dritte Generation einsteigen. Die Geschwister schauten sich an und fragten sich, ob sie ihnen das wirklich antun wollten. Sie beide liebten ihren Beruf sehr, sagt Stefan Klarer, aber dieser sei auch sehr fordernd. «Man muss ständig dranbleiben, kann nicht wirklich ausruhen. Wir machen alles vom Anfang bis zum Schluss. Wir entwickeln die Ideen und stehen da, bis der Bauherr die Anlage am Schluss abnimmt.» Noch eilt es nicht mit der Entscheidung. Die Jungen haben noch Zeit, älter zu werden und sich mit der Idee anzufreunden.

Klarer Freizeitanlagen AG

Bild: Melanie Duchene

Hidden Champion aus Hallau

Die Firma Klarer Freizeitanlagen AG hat bisher weltweit 775 Rutschen gebaut in einer Gesamtlänge von 47,5 Kilometern. In der Schweiz wurden über 100 Projekte realisiert, allein im Wasserpark Alpamare am Zürichsee waren es zehn. Im Durchschnitt kostet eine neue Rutsche eine halbe Million Franken. Das Unternehmen macht pro Jahr einen Umsatz von 13 bis 16 Millionen Franken. Im Hallauer Gewerbegebiet beschäftigt es rund 20 Mitarbeitende, zusätzlich acht festangestellte Monteure auf den Baustellen und bei Gross­aufträgen bis zu 40 temporäre Monteure.

Eines ist jedenfalls sicher: Das Geschäft mit den Rutschen ist krisenresistent. «Freizeit haben wir je länger je mehr», sagt Stefan Klarer. Der Eintritt in einen Freizeitpark koste nicht alle Welt und stosse bei allen Bevölkerungsschichten auf Anklang. «Solange das so ist, müssen wir weiter Rutschen bauen.»

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