Die Webergasse mit ihren Textil- und Ledergeschäften gilt als starke Strecke

Schaffhauser Wirtschaft | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
An der Webergasse in Schaffhausen finden sich diverse florierende Textilgeschäfte. Bild: Roberta Fele

Die ehemalige «Spaghetti-Allee», wie sie in den 1960er Jahren genannt wurde, weil damals viele Italiener und Italienerinnen dort wohnten, kehrt zurück zu ihren Wurzeln. Heute ist die Gasse, wo sich im Mittelalter das Zunfthaus der Weber befand, erneut Textil- und Ledermeile. Sie ist Standort von kleinen Verkaufsläden und Handwerkbetrieben dieser Branche. Daneben gibt es zahlreiche, einzigartige Lokale für Schönheit und Kultur sowie Speis und Trank.

 

Der «Wullelade» bestrickt die Follower der Maschenmode

Kathrin Lang greift für jedes Stück nach der geeigneten Wolle. Bild:Roberta Fele

All die Jacken und Kapuzen, Schals und Socken, die im «Wullelade» an Bügeln baumeln oder Puppenköpfe zieren, hat Kathrin Lang eigenhändig gestrickt. Abends vor dem Fernseher oder Podcast hörend in jeder freien Minute, damit die Kundinnen in ihrem Lokal die Strickwaren bestaunen und betasten können, bevor sie sich für ein Modell oder ein Material entscheiden und sich selbst ans Stricken machen.

Die Regale sind massgeschneidert, sodass die bunten Wollknäuel aus Merino, Seiden-Mohair, Alpaka, Cashmere ordentlich zur Geltung kommen. Im Sommer liegt in den Fächern auch Garn aus Leinen und Baumwolle. Kathrin Lang hat einen Teil ihrer Altersvorsorge in den Laden gesteckt, denn sie wollte im Alter nochmals etwas ganz anderes im Leben versuchen. «Auf meinen 60. Geburtstag leiste ich mir das», sagte sie sich, nachdem sie den Zettel ihrer Vorgängerin an der Tür gesehen hatte, die eine Nachfolgerin suchte. So übernahm sie von Jacqueline Brauchli im Oktober 2022 den «Wullelade».

Stricken war schon immer ihre Leidenschaft, als ehemalige Buchhändlerin verkaufte sie gern und als Geschäftsführerin der «Haberhaus Bühne» wusste sie, worauf sie bei einem Laden achten musste. Sie beschloss, ein breites Sortiment zu führen, das alle ansprechen sollte. «Die Kundschaft hat zugenommen», sagt die inzwischen 63-Jährige. Würde sie Kurse anbieten, könnte sie bescheiden davon leben. Doch Wachstum ist gar nicht ihr Ziel und so bleibt der «Wullelade» eine passionierte Nebenbeschäftigung.

Strickkleider aus Ananasfasern

Kathrin Lang bietet auch Wollmarken und Anleitungen, die nur wenige Läden in der Schweiz führen. Da ist zum Beispiel das Label des Instagram-Stars Mette Wendelboe Okkels aus Dänemark, die kreative Anleitungen herstellt und mit PetiteKnit eine eigene Marke kreiert hat. Viele junge Frauen kommen zum «Wullelade», weil sie ihre Bilder auf Social Media gesehen haben und Kathrin Lang als eine Händlerin aufgelistet wird.

Im Frühling besucht Kathrin Lang Messen, wo die aktuellen Trendfarben und Neuigkeiten zu entdecken sind. Es kommen immer wieder innovative Garne auf den Markt wie etwa eine Ananasfaser mit Lyocell oder Fasern aus Holz, Bambus, Seegras. Sie legt Wert auf Nachhaltigkeit. Im Laden findet sich etwa ein Produkt, das aus Jeansabfällen und einem Petfaden als Trägerfaden besteht.

Ein grosser Teil der Wolle, den sie vor allem vom führenden Schweizer Garnproduzenten «Lang» bezieht, wird in Norditalien hergestellt. Die Zeiten als in der Kammgarn die «Schaffhauser Wolle» gefertigt wurde, sind seit 1989 vorbei (siehe Kasten).

Kathrin Lang legt die mit Kommentaren versehenen Anleitungen beim Schaufenster auf, damit die Kundinnen alle Infos zur Verfügung haben. Die Beratung spielt trotzdem eine wesentliche Rolle. Die Wollverkäuferin hilft bei der Farbauswahl und zeigt den Schwierigkeitsgrad der Anleitungen auf. Kundinnen, die etwas ausprobieren und zu Hause anstehen, können in den Laden zurückkehren und Rat einholen.

Neben dem Bedienen muss sie viel aufräumen. Im hinteren Teil des Geschäfts lagern ebenso viele Wollknäuel wie im Eingangsbereich. Kauft sie Wolle, muss sie genug Knäuel haben, die aus dem gleichen Farbbad stammen, damit man daraus zum Beispiel einen Pullover stricken kann und möglichst zwei bis drei Päckchen von jeder Farbe bereit halten. Auch handgefärbte Wolle aus kleiner Produktion führt sie im Sortiment. Die Strangen wickelt sie manchmal ab, damit sie sie besser verkaufen kann.

Wer den Laden betritt, nimmt sich Zeit, manchmal einen ganzen Nachmittag, um die Wolle auszusuchen. «Es ist ein Erlebnis», sagt Kathrin Lang. «Die Leute kommen gezielt.» Die Webergasse sei keine Schlendergasse. Synergien zwischen den Handwerkbetrieben ergeben sich aus der Nähe. Gelegentlich schickt sie Kundinnen, die einen Reissverschluss annähen müssen, ins «Nähwerk» gegenüber. Weitere Kooperationen wären in der Webergasse durchaus möglich, so hat sie auch schon daran gedacht, die Lederbändel für die gestrickten Taschen aus dem Lederatelier ein paar Häuser weiter vorne zu beziehen. Und gelegentlich schickt sie ihre Kundinnen, die warten müssen, ins Café nebenan.

Ein farbiger Knäuel stachelt um die Welt

In der schweizweit ersten Kammgarnspinnerei (1867) wurde Kammgarn für die Weberei von Textilien hergestellt sowie Handstrickgarne für den Heimgebrauch zur Herstellung von Kleidern. Von geschorenen Schafen aus Peru in Südamerika stammte die Wolle, die in Zürich gefärbt und in Schaffhausen maschinell unter der Obhut vor allem von Frauen zu Wollstrangen und später in den 1960er-Jahren zu Knäueln verarbeitet wurde. Kunstvolle Werbeplakate und originelle Strickmusterhefte machten die farbige Schurwolle aus Schaffhausen weltweit bekannt. Zur Hochkonjunktur waren 50 Qualitäten und 1200 Farben in 26 Ländern erhältlich. Die zunehmende Strickunlust in der Bevölkerung und die Billigimporte aus Fernost zwangen das Unternehmen «Schaffhauser Wolle» 1989, die Kammgarnspinnerei in Schaffhausen zu schliessen. Das Handwerk erlebt zurzeit ein Revival. Letzten Herbst fand in den Kammgarnfabrikhallen zum ersten Mal ein Wollfest statt, wo Strickbegeisterte Material sichten und Kurse besuchen konnten.

Quelle: Schaffhauser Wolle. Eine Marke macht Geschichte. Plakate 1924–1989. Hg. Museum zu Allerheiligen, 2018.

© Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Inv. 59701, Foto: Jürg Fausch, 372dpi gmb.

Hier geht es zum Anfang


Das «Nähwerk» schneidert passgenaue Lieblingsstücke

Nicole Lang findet die entsprechende Farbe im Fadensortiment. Bild: Roberta Fele

Die Nadel rast über das Stoffstück, bis die Ferse von Nicole Lang aufs Pedal drückt. Das ist das Zeichen für die Industrienähmaschine, den Faden automatisch zu verriegeln und abzuschneiden, sodass keine Handarbeit erforderlich ist. Im Nähatelier an der Webergasse sind kräftige Maschinen vonnöten, damit sich Stoffe oder Kleidungsstücke schneller und einfacher ausbessern, anpassen oder neu zusammenfügen lassen. Auch die Bügelanlage zischt und dampft stärker als ein Bügeleisen im Hausgebrauch, sodass die neu gefertigten, adaptierten oder geflickten Kleider keine einzige Falte aufweisen. Unzählige Stecknadeln, Massbänder, Fäden in allen Farben füllen das Erdgeschoss ihres Nähateliers, im oberen Stock befindet sich das Lager, das als kleiner Aufenthaltsraum genutzt wird.

Schnittmuster im Hinterkopf

Seit über zehn Jahren führt die 44-jährige Damenschneiderin und Schnitttechnikerin das «Nähwerk» an der Webergasse. Nicole Lang wohnt in Stein am Rhein, aber weil sie dort niemanden konkurrieren wollte, eröffnete sie ihr eigenes Nähatelier in der Schaffhauser Altstadt. Schon seit sechs Jahren hilft ihr dabei eine Mitarbeiterin, die Aufträge zu bewältigen. «Wir nähen alles, was wir unter die Nähmaschine bringen», sagt Nicole Lang ihren Kunden. Von Kleidern über Kissen bis zu Stofftierli. Was dicker ist, muss ein paar Häuser weiter ins Lederatelier. Meistens bringen die Leute Hosen, Jacken und Hemden, damit sie die Länge an Beinen oder Ärmeln ändert, oder sie haben ein Kleidungsstück, das in der Weite nicht mehr richtig sitzt. Dann optimiert die Schneiderin die Passform. Als gelernte Schnitttechnikerin hat sie jeweils das Schnittmuster im Hinterkopf und weiss genau, wie ein Kleid aufgebaut ist und wo sie eine Naht ausweiten oder verengen kann. «Nicht alle haben eine Standard-Figur und sie finden darum in den Läden keine passenden Stücke», sagt Lang. Bei ihr kann man diese individuell anpassen.

Aus diesem Grund hat Nicole Lang eine kleine Masskollektion von T-Shirts angefertigt, die am Eingang an einem Kleiderständer hängen. Wer ein passendes Modell ausliest, muss nur noch Farbe und Grösse bestimmen. So entfallen die teuren Masskosten. Neu entworfene T-Shirts können schon mal 250 Franken oder Hosen 550 Franken kosten inklusive Schnittmusterherstellung und Anprobe. Je aufwändiger der Schnitt, desto grösser der Aufwand und der Stoff muss noch dazuberechnet werden. Die Büsten im Laden sind nicht nur Deko und Kundenfänger, die Schneiderin braucht sie, um die Passform zu kontrollieren, dort zeigt sich, wie der Kragen um den Hals sitzt oder sie kann den Stoff in Falten legen und sorgfältig drapieren.

Flicken statt entsorgen

Manchmal kommen auch Kunden mit ihren Lieblingsstücken, meistens T-Shirts oder Hosen, von denen sie sich nicht trennen wollen und die im Nähatelier einfach reproduziert werden können.

Flicken liegt im Trend und auch Nicole Lang hat das Gefühl, es kämen aus dem Gedanken der Nachhaltigkeit heraus auch mehr jüngere in den Laden und nicht nur ältere Leute, die das von früher kennen. Da die Qualität der Kleider aber abgenommen habe, lohne sich das Flicken nicht in jedem Fall. Ist der Stoff zu dünn und verlöchert, kann er nebendran reissen, oder wenn die Mottenlöcher zu zahlreich sind, rät die Damenschneiderin von einer Reparatur ab. «In der Regel kann man aber etwas machen.» Und mit kleinem Aufwand, der 10 bis 20 Franken kostet, lässt sich das Leben von manchem Kleidungsstück verlängern, bevor es im Entsorgungssack landet.

Wer nicht sicher ist, kann sich bei Nicole Lang jederzeit beraten lassen und eine Offerte einholen. Es gibt viel Konkurrenz in der Altstadt, aber Nicole Lang ist überzeugt, «eine Schneiderin ist wie ein Zahnarzt oder eine Coiffeuse. Wenn man zufrieden ist, bleibt man bei den Gleichen.» Es sei egal, wo der Laden sich befinde. «In Schaffhausen muss man gut sein und man braucht Mund-zu-Mund-Propaganda.» Die Webergasse sei weniger anonym als die Vorstadt, aber auch keine Flaniermeile, die Kunden gingen gezielt dorthin. Seit einiger Zeit können diese ihre wertvollen oder heiklen Kleider im Atelier abgeben, um sie chemisch reinigen zu lassen. Zwei Mal in der Woche holt und bringt eine externe Firma die zu reinigenden Stücke. Dieser Service lohnt sich für Nicole Lang, er erweitert den Kundenstamm.

Im vorderen Ladenteil sitzt ein Schnupperstift an einer normalen Nähmaschine, weil sie im Gegensatz zur Industriemaschine den Zickzack-Stich beherrscht. «Das braucht es manchmal.» Nicole Lang zeigt auf eine Badehose. Darauf soll mit Zickzack eine Tasche befestigt werden, um eine Brustprothese darin zu verstauen. Auch für solche Spezialanfertigungen findet die Damenschneiderin in der Webergasse fachgerechte Lösungen.

Weberzunft

Die Webergasse wurde erstmals 1253 urkundlich erwähnt. Hier fertigten Handwerker aus Hanf und Flachs die berühmte Schaffhauser Leinwand, die damals bis nach Syrien gehandelt wurde. Mitglied der seit 1411 verbrieften Weberzunft ist auch Nachtwächter Martin Harzenmoser. Er berichtet, dass Schaffhausen im 15. Jahrhundert von Städten wie Konstanz überflügelt wurde und sich die Weber zunehmend der Herstellung von Grautuch aus Schafwolle widmeten. 1520 zählte die Stadt noch 25 Webermeister mit je einem Gesellen und einem Lernenden, 1766 waren es lediglich fünf. Das Zunfthaus an der Webergasse 27 wurde im 18. Jahrhundert an die Vordergasse 41 verlegt und schliesslich 1858 an zwei Buchdrucker veräussert.

Hier geht es zum Anfang


Das «Cofi-Textil» bietet Hand für Mass und Uniform

Maria Marangi mag den Austausch mit Berufsleuten. Bild: Roberta Fele

Wer in standesgemässer Ausrüstung am Arbeitsplatz zu erscheinen hat, findet im Laden von Maria Marangi das erforderliche Outfit. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Feuerwehrleute und Polizisten suchen vergeblich nach ihren Uniformen – aus Sicherheitsgründen. «Es könnte jeder reinkommen und sich als Polizist oder Feuerwehrmann ausgeben», sagt die Verkäuferin, die schon seit 20 Jahren in der Webergasse arbeitet. Vor zehn Jahren übernahm sie den Berufskleidungsladen von ihrem Vorgänger und machte sich selbstständig.

Die ausgebildete Detailfachfrau mag das kundenbezogene Geschäft und erfährt bei der Beratung auch einiges über deren Berufssituation. Jeder sei individuell. Da hilft Maria Marangis Erfahrung: «Die Kunden können ihre Grösse oder die Farbe, die ihnen steht, oft nicht einschätzen.» In den Regalen stapeln sich die in Plastik gehüllten Berufskleider. Sie zieht das passende heraus und die Bäcker, Köchinnen, Schreiner, Apothekerinnen, Elektriker oder Chemielaborantinnen schlüpfen in der Umkleidekabine in die jeweiligen Uniformen hinein.

Die spezielle Kluft der Zimmermänner sticht unter den Arbeitskleidern hervor. Wenn die Gesellen auf Wanderschaft gehen oder einen Anlass haben, tragen sie schwarze Schlaghosen aus Manchester, ein weisses Hemd (die Staude) und eine Weste mit Perlmuttknöpfen sowie die Sicherheitsschuhe. Zu den vielen Accessoires gehören etwa der Hammerhalter mit dem Löwenkopf und der Schlapphut aus Filz. Maria Marangi gefällt diese Berufsbekleidung und die der Köche am besten.

Rabatt für Lernende

Im Laden sind diverse Puppen ausstaffiert. Die meisten Arbeitskleider bezieht sie aus der Schweiz, die Zunftbekleidung aus Deutschland, die Uniform der Köche, Apotheker und Arztgehilfinnen aus Italien. Das Geschäft in der Webergasse sei schwierig geworden, obwohl es viele kleine Läden gebe. «Die Kunden sind zunehmend fauler und online fixiert. Sie bekommen die Ware nach Hause geliefert.» Aber die Qualität der Berufskleider in ihrem Laden sei besser. «Sie lassen sich bei hohen Temperaturen waschen und sind farbbeständig.»

Einen Online-Shop führt Maria Marangi nicht. Die Kunden müssen bei ihr persönlich vorbeikommen. Von Mai bis August sind das die Lernenden. Sie erhalten seit jeher 10 Prozent Rabatt. An Fasnacht besucht sie eine spezielle Klientel: Dann sind weisse Mäntel sehr gefragt oder Kochschürzen für Privatanlässe zu Hause als Gag.

Hier geht es zum Anfang


Der «Faccani» besohlt zünftig mit Hammer und Nagel

Diego Faccani schustert am liebsten Massschuhe. Bild: Roberta Fele

Trotz Sneaker-Manie betreibt Diego Faccani auch nach 40 Jahren sein traditionelles Handwerk in der Webergasse. 1986 zog der Schuhmachermeister hierher, weil an der Brunnengasse, wo sich der gleichnamige Schuhladen mit Sandalen, Stilettos und Stiefeln erlesener Marken befindet, kein Platz mehr war. Sein Grossvater hatte 1926 ebenfalls an der Webergasse, im ersten Stock der heutigen Schäferei, eine Schuhmacherei geführt und somit das Familienunternehmen begründet.

Die Kunden bringen heute vor allem ihre abgelaufenen, mittel- bis hochpreisigen Lederschuhe, bei denen sich die Reparatur lohnt, zum Schuhmacher. Sohlen befestigen sei seine häufigste und, wie er geradeaus sagt, «nervigste» Tätigkeit. Am liebsten schustert Faccani Massschuhe, mittlerweile nur noch zwei Mal im Jahr kommt ein Auftrag herein. Es sind vor allem Männer, die sich ein passgenaues Schuhwerk leisten.

Das Leder bezieht Diego Faccani von Zwischenhändlern, die es aus Italien oder Argentinien importieren. Der Nachweis, wie es gegerbt wurde, ist ihm wichtig. Denn pflanzlich gegerbtes Leder mit Eichen- oder Birkenrinde verursache weniger Allergien als mit Chrom gegerbte Tierhaut. Starker Fussschweiss könne diese Giftstoffe aus dem Leder ziehen.

Der 60-Jährige ist in Schaffhausen Altzunftmeister der «Zunft zun Schuhmacher», die ihr Zunfthaus im Haus zur «Granate» hat. Mittlerweile ist er der einzige aktive Schuhmacher, während im Jahr 1766 ganze 76 gezählt wurden und somit eine der stärksten Zünfte in Schaffhausen darstellten. «Heute wird in der Schweiz jedes Jahr eine Schulklasse mit Schuhmachern ausgebildet. Das reicht», sagt Faccani.

Kunstausstellung im Schaufenster

Regelmässig bringt auch er einem Lernenden das Handwerk bei. Die wichtigsten Werkzeuge sind Messer zum Zuschneiden, Hammer zum Annageln und Ausformen des Schuhs und eine robuste Nähmaschine mit einer hohen Durchschlagskraft, die bereits seinem Grossvater in den 1940er-Jahren das Leben erleichterte.

Früher hat sich Diego Faccani in der Interessengemeinschaft D’Webergass, die 2013 ins Leben gerufen wurde, stark engagiert und den Austausch gepflegt. Nun findet er, die anderen sollen den Karren ziehen. In Erinnerung geblieben sind ihm die Kunstausstellung in den Schaufenstern und wie es den Geschäften gelang, die Weihnachtsbeleuchtung in die Webergasse zu bringen.

Hier geht es zum Anfang


Der «Secondhand» birgt einmalige Fundstücke

Juliana Neidhart hat ein Auge für Qualität. Bild: Roberta Fele

Als Juliana Neidhart neulich zusammen mit ihrer Angestellten Diana Murbach einen Nachlass sichtete, fand sie darunter in der Originalverpackung eingeschweisste Kleider mit der Etikette EPA. Murbach, die vorher 40 Jahre in Brockenhäusern gearbeitet hatte, wusste sofort, dass die ungetragenen Kleider über 20 Jahre alt sein mussten, da das Warenhaus damal mit Coop fusionierte. Die Pijamas waren noch in einem ausgezeichneten Zustand, die Gummis weder spröd noch rissig. Ein Zeichen, dass Qualität die Zeit überdauert. Passend zum Konzept von Juliana Neidhart, die Wert «auf Qualität und Nachhaltigkeit» legt.

Lebensdauer verlängert

Oft sind es Markenkleider, die Kunden verleidet sind, die den Weg in die Webergasse finden, wo Neidhart vor drei Jahren das «Secondhand» eröffnet hat, aber auch No-Name-Bekleidung, die in einem guten Zustand ist. Jeans, Röcke, Shirts und Schuhe sollen so lange getragen werden wie möglich und im Kreislauf bleiben.

In den Übergangszeiten verstaut Neidhart die besten Stücke im Lager, den Rest steckt sie in den Kleider- oder Abfallsack. Für Kinder bietet sie auf der gegenüberliegenden Seite der Webergasse seit Februar keine Gebrauchtware, sondern auch qualitativ hochwertige und nachhaltige Produkte an. Die Erfahrung zeige, dass die Eltern bei Kindern neue Kleider bevorzugen, sagt Diana Murbach, die den «Kinderli»-Laden führen wird. «Wir wollen nachhaltig sein, es gelingt aber nicht immer. Ein Dorn im Auge ist die riesige Distanz, welche die Kleider zurücklegen müssen. Letztlich werden die meisten Textilien in China produziert.» In der Webergasse sind die Wege kurz. Murbach findet die Atmosphäre spezieller als an anderen Orten. Es sei gut zum Geschäften, man helfe und respektiere sich gegenseitig.

Webergasse 44: Der Kinderladen ist in neue Hände übergegangen und wird seit Februar 2025 unter dem Namen «Kinderli» (ausgesprochen Chinderli) geführt.

Hier geht es zum Anfang

Das «Lederatelier» gestaltet aus Tierhäuten Unikate

Rebekka Weber braucht extrastarken Faden. Bild: Roberta Fele

Ein weisser, kniehoher Lederstiefel steht am Eingang, im 1. Stock des Lederateliers an der Webergasse. Die weiche, angerissene Oberfläche kann Rebekka Weber in ihrem Lederatelier reparieren. Wäre der Schaden in Sohlennähe, müsste sich hingegen der Schuhmacher dahinter machen. Die Decken des Altstadthauses sind tief, der Raum schmal und gut gefüllt mit unterschiedlichen Lederhäuten und den alten Industriemaschinen, die es zur Lederverarbeitung braucht: eine zum Nähen und eine zum Ausdünnen des Leders.

Dass ihr Nachname genau zur Gasse passt, wo sich seit 2018 ihre Werkstatt befindet, sei ein schöner Zufall, sagt Rebekka Weber. Ursprünglich kommt die diplomierte Werklehrerin mit anschliessender Musikausbildung aus Sulz Rickenbach (Kt. ZH). Durch Freunde lernte sie Schaffhausen kennen, wo es ihr so gut gefiel, dass sie sich niederliess.

Riesenfundus an Gurtschnallen

Beruflich hatte sich Rebekka Weber auf Musik eingestellt. Als Musikerin und Klavierlehrerin verdiente sie ihren Lebensunterhalt. Immer wieder spielte sie bei Beerdigungen sowie Hochzeiten Orgel und in der Freizeit tourte sie mit ihrer Gypsi-Band Dusha herum. Nebenbei malte sie und stellte ihre Porträts, Aktgemälde und Miniaturobjekte aus verschiedenen Werkstoffen in Galerien aus.

Vor mehr als fünfzehn Jahren lief sie zufällig in das kleine Lederatelier von Luisa Martini an der Repfergasse. Rebekka Weber war so fasziniert, dass sie das Metier lernen wollte. Luisa Martini besass alle Industriemaschinen zweifach und die Musikerin konnte je eine Näh- und eine Schärfmaschine in ihrem Unterrichtsraum an der Webergasse, wo sie Klavierstunden gab, unterbringen, um damit die Lederverarbeitung zu lernen und später einzelne Aufträge von Luisa Martini zu übernehmen. Als diese schwer krank wurde, gab sie ihr das Versprechen, eine Nachfolge zu suchen, damit sie das Atelier nicht auflösen musste.

Doch Rebekka Weber fand niemanden, der das Atelier weiterführen wollte, also beschloss sie 2018, es an die Webergasse zu zügeln, wo sie einen Neustart wagte. Die Maschinen im oberen Stock musste sie nur ein paar Treppen runtertragen in einen angemieteten Raum und den Riesenfundus an Lederhäuten und Gurtschnallen aus dem Nachlass von Luisa Martini einräumen. «Es wäre unbezahlbar gewesen, wenn ich alles hätte neu aufziehen müssen.» Sie hatte Glück und konnte das Material und die Kunden ihrer Vorgängerin übernehmen und einen Platz an der Webergasse einnehmen. Zudem fand sie eine Mentorin aus einer Sattlerei, und so übernahm sie mit der Zeit auch schwierige Aufträge mit grossen Häuten wie etwa eine Harfenhülle, Liegesitze, Decken für den Windschutz. Sie kann trotzdem nicht davon leben. Die Musik bleibt ihre Haupterwerbsquelle.

Null Fehlertoleranz

Rebekka Weber blättert in ihrer Dokumentationsmappe. Alle Aufträge, die sie dort gesammelt hat, nutzt sie auch als Inspiration für die Kunden. Die Bandbreite ist gross: Gilets, Russenmützen, Rucksäcke, Messerhüllen, Taschen, Etuis. Einige Kunden bringen Lederreste und dann entstehen Unikate, wie etwa Rucksäcke mit schrägen Reissverschlüssen oder Klapptaschen mit origineller Farbgestaltung. «Die Kunden finden das toll.»

Ledersachen herzustellen ist aufwendig und daher teuer. So kostet ein Gilet zwischen 250 und 600 Franken. Portemonnaies zwischen 200 und 400 Franken. «Es sind Feinarbeit und Präzision erforderlich», sagt Weber. «Ich kann mir keine Fehler erlauben, denn Löcher bleiben im Leder sichtbar.»

Manchmal zeichnet sie Rössli und Draculas, die dann als Lederfiguren Kinderfinkli und Geldbeutel zieren, oder sie stanzt Buchstaben aus Leder und versieht ein Etui oder einen Beutel mit dem Namen des Besitzers. Zu ihrem Repertoire gehören auch Serviceportemonnaies, mit denen sie das Personal der Kammgarn oder des Rheinschiffs ausgestattet hat. Einmal fertigte sie einen Pfeilköcher mit Fransen sowie eine Tasche für den Pfeilbogen einer Bogenschiesserin oder ein andermal eine Bauchtasche aus Fischleder – genauer aus der Haut eines Rochen.

Viele Kunden seien ökologisch eingestellt und würden ihre Lederwaren flicken lassen wie zum Beispiel Tragriemen oder Reissverschlüsse von Taschen oder Lederjacken, offene Nähte bei Handschuhen oder Löcher im Futter. «Sie denken nachhaltig und sind bereit, mehr zu zahlen, damit es länger hält.»

Neben den Industriemaschinen braucht sie auch einen extrastarken Faden und die Schärfmaschine ist nützlich, um Streifen auszudünnen, damit man zwei Nähte zusammenfügen kann, ohne dass die Stelle zu dick wird. In einer Kommode sind unzählige Gurtschnallen, Druckknöpfe, Ösen, Nieten und Punzen verstaut.

Neues Leder bezieht sie aus der Schweiz, so dass sie die Herstellungsrichtlinien überprüfen kann. Ein Grossteil ist Rind, wenig davon besteht aus Lamm, Ziegen, Kalb. «Umweltschutzkriterien sind mir wichtig», sagt Weber. Sie achte darauf, bei Firmen einzukaufen, die bei der Herstellung strenge Richtlinien einhalten. Auf dem Markt habe man keine Ahnung, ob die Gerbereien mangelhaftes Chrom einsetzten. Leder könne auch nachträglich, wenn es der Hitze ausgesetzt war, Giftstoffe entwickeln. Exotische Häute gehen auch über ihre Tische, wie etwa das Fischleder und ein Portemonnaie aus grünem Straussenleder. Wo die Federn waren, befinden sich Narben, was dem Leder eine originelle Struktur verleiht und darum zu hohen Preisen gehandelt wird.

Die Webergasse sei sehr familiär, überall stünden im Sommer Tischchen draussen und man sitze auf der Gasse, wenn man keine Arbeit habe. Die Auftragslage sei schwankend. Werbung muss sie keine machen. Durch ihre Musik ergeben sich Gespräche und manchmal kommen danach Leute aus ihrem Publikum ins Lederatelier.

Starke Strecke

Man muss nicht, aber man darf in die Webergasse, so lautet das Urteil des Reisebloggers Andreas Günther, der als Internaut die von der Globalisierung verschonten städtischen Strassen aus aller Welt porträtiert, in denen lokale Geschäfte und Handwerke statt internationale Konzerne regieren. In diese Serie «Starke Strecken» schaffte es 2020 auch Schaffhausens Webergasse mit ihren regionalen Geschäften und ihrer Gastronomie. Einzelne der erwähnten Lokale sind zwar verschwunden, andere sind an ihre Stelle getreten oder schon lange dort wie das Bücher Fass, die Fass Beiz, die Kaffeemacherei Bohnenblühn, die ihre Hausmischung auch im Unverpacktladen nebenan verkauft, die Schäferei und der Kastanienbaum, der jedoch nur noch am Donnerstag um die Apéro-Zeit zum Chlinä Fritig lädt.

 

Hier geht es zum Anfang


Der Claro Weltladen trägt Sorge zur Umwelt

Ruth Werdenberg verkauft nachhaltig produzierte Ware. Bild: Roberta Fele

Einst vor allem bekannt für seine fair gehandelten Kaffeebohnen, bietet der Claro Laden am Ende der Webergasse, neben dem Backpacker-Hotel gelegen, nicht nur ein vielfältiges Sortiment an Lebensmitteln, sondern auch Textilien und Kunsthandwerk aus aller Welt. Seit 15 Jahren befindet er sich im gleichen Lokal, seit 37 Jahren an der Webergasse.

Ferien für Näherinnen

Der Claro Weltladen Schaffhausen ist eigenständig und in Kürze 50 Jahre alt. Unterstützt wird er durch einen Trägerverein mit 200 Mitgliedern, die einen Grossteil der Stammkundschaft ausmachen. «Seit viel mehr Kleider im Angebot sind, kommen mehr junge Leute in den Laden, die den fairen Handel unterstützen wollen», sagt Ruth Werdenberg, die Geschäftsführerin. Von Foulards aus Seide und Alpakawolle über Leder-, Korb und Stofftaschen bis zu langlebigen Kleidungsstücken aus Ghana, Schottland, Indien und Peru. Alle Labels stehen für soziale Verantwortung und Umweltbewusstsein. In Gesprächen mit den Verkäuferinnen thematisieren die Kunden und die Kundinnen die Herkunft der Materialien und die Produktionsbedingungen.

Die Textilien sind aus Alpakawolle, Bio-Baumwolle, nachhaltiger Viscose und auch Hanf. Sie erfüllen die zehn Richtlinien des fairen Handels wie etwa keine Kinderarbeit, Weiterbildungen, Sozialleistungen und Ferien für die Näherinnen, faire Entlöhnung und gemeinsame Verpflegung. Auch der Claro Weltladen in der Webergasse zahlt seinen sieben Verkäuferinnen faire Löhne, da er einer der umsatzstärksten und grössten in der Schweiz ist. Von der Vorstadt einsehbar, sei der Standort ideal und die Miete bezahlbar, sagt Ruth Werdenberg. Die Webergasse habe einen speziellen Reiz, aber Zeitmangel führe dazu, dass die Interessengemeinschaft D’Webergass etwas kürzergetreten sei. Immerhin lässt diese als gemeinsame Aktion jährlich das Lichtermeer im Dezember erstrahlen.

Hier geht es zum Anfang

Ein Artikel aus dem Magazin

Logo Magazin «Schaffhauser Wirtschaft»

Pfeil Magazin «Schaffhauser Wirtschaft»

Weitere Artikel aus dem Magazin in unserem Dossier

Pfeil Magazin «Schaffhauser Wirtschaft»

Mehr Infos zum Magazin «Schaffhauser Wirtschaft» auf schaffhauserwirtschaft.ch

Buttons Magazin «Schaffhauser Wirtschaft»

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren