Diese Lunchbox steamt den Zmittag: Ein Büttenhardter sagt der Mikrowelle den Kampf an

Knapp sieben Jahre Entwicklungszeit brauchte die selbsterwärmende Lunchbox «Steasy» von der Idee bis zum fertigen Produkt – mit Reto Muhl gehört auch ein Büttenhardter zum Gründer-Trio. Der Steamer könnte für viele Arbeitnehmende ein praktisches Gadget sein.
Zmittag essen als Student hat dem Büttenhardter Reto Muhl nur wenig Freude bereitet. Ewig lang war die Schlange vor der Mikrowelle in der Uni-Kantine, und als er endlich an der Reihe war, konnte er fast sicher sein, dass das Gerät nach Fisch stank oder mit Pastasauce bekleckert war. Auswärts essen war ebenfalls keine dauerhafte Lösung – zu teuer für einen ZHAW-Studenten. Doch dann kam seinem Kollegen Claudio Ruiz der zündende Einfall: «Ich brauche eine Lunchbox, die sich selbst erwärmt.» Geboren war die Idee eines portablen Steamers, der mit einem Akku läuft und die unhygienischen Mikrowellen der Kantinen dieser Welt überflüssig macht.
Besagter Kollege ist heute Muhls Geschäftspartner. Denn die beiden Studenten haben sich das Projekt zum Thema für ihre Bachelorarbeit gemacht. Gleich danach haben die jungen Unternehmer den Start-up-Wettbewerb an der ZHAW gewonnen, durften in die USA reisen und holten bei der «VTKW Global Student Entrepreneurship Challenge» den «People’s Choice Award», gleichbedeutend mit dem respektablen dritten Platz. «Wir haben gemerkt, dass unsere Geschäftsidee Anklang fand», erinnert sich Muhl. Das ist mittlerweile knapp sieben Jahre her – in der Zwischenzeit haben die Jungunternehmer zu dritt eine Aktiengesellschaft gegründet. Ihre Lunchbox, die sie «Steasy» getauft haben, ist vor Kurzem das erste Mal ausgeliefert worden.
Für den 31-jährigen Büttenhardter ist das Start-up mittlerweile ein Vollzeitjob, er ist technischer Direktor der Nexenic AG. Während der langen Entwicklungsphase investierte er jeweils vier Wochentage ins Unternehmen und an zwei weiteren jobbte er an verschiedenen Orten, damit Geld reinkam: auf dem Bau, bei der Miniaturwelt Smilestones, als Pizzalieferant, im Winterdienst oder als Zügelmann. Eine anstrengende Zeit, sagt er rückblickend. Es brauche einen starken Durchhaltewillen für ein derart grosses und vielseitiges Projekt. Immer wieder gab es Probleme, wie zum Beispiel, dass eine frühere Version des Gerätes durch die Sicherheitsprüfung rasselte. Doch: «Es läuft zwar nicht immer alles rund. Aber bislang konnten wir alle Probleme lösen», so Muhl.
Gastro-Gruppe ist mit an Bord
Für die Gründung der Aktiengesellschaft mussten die Jungunternehmer ihre Eltern fragen, ob sie beim obligatorischen Mindestkapital von 100'000 Franken helfen könnten. Sie konnten. Zwei Jahre später existierte der erste Prototyp, damit konnte Muhl auf Investorensuche gehen. Und sie haben wieder Erfolg. Zu den Geldgebern zählt unter anderem die Gastronomiegruppe ZFV – eines der schweizweit grössten Gastrounternehmen –, die Mensen und Cafeterias betreibt.
«Es läuft zwar nicht immer alles rund. Aber bislang konnten wir alle Probleme lösen.»
Nicht nur für Studierende könnte «Steasy» interessant sein, sondern auch für Personen im Aussendienst, Lernende oder generell Arbeitnehmende. Viele von ihnen nehmen sich Mahlzeiten in die Arbeit oder Schule mit. «Ortsunabhängig lässt sich so eine Mahlzeit aufwärmen», sagt Muhl. Der «Steasy» läuft mit einem Akku und benötigt somit keine direkte Stromquelle. Alles, was es braucht, ist Vorbereitung: Wenn der «Steasy» aufgeladen, das Essen in der Edelstahlschale platziert und rund 50 Milliliter Wasser hinzugefügt ist, ist das Gerät startklar – all das könne von zu Hause aus erledigt werden.
Nach dem Kochvorgang, der etwa 15 Minuten dauert, muss die Lunchbox für zwei bis drei Stunden aufgeladen werden, da andernfalls die optimale Erwärmung nicht mehr gewährleistet werden kann. Während die Schale spülmaschinenfest ist, sollte der Deckel lediglich mit einem feuchten Lumpen gereinigt werden.
Reis und Pasta funktionieren besonders gut
Besonders geeignet für das rund 1,3 Kilogramm schwere Gerät sind «luftige» Speisen wie Teigwaren oder Reis. Dichter Kartoffelstock ist schwieriger, funktioniert aber ebenfalls, solange man ihn in der Schale verteilt. Bis zu 450 Gramm Lebensmittel können im «Steasy» erwärmt werden – alles darüber erreicht womöglich nicht die gewünschte Temperatur. Vorsicht gilt bei Babynahrung: Diese lässt sich gut steamen, ist danach aber sehr heiss.
Produziert wird der «Steasy» in Europa. Die Elektronik kommt aus Einsiedeln, die Kunststoffteile kommen aus Mölkau bei Leipzig und zusammengesetzt wird das Gerät in Rumänien. Bei der Verpackung der Zusatzartikel wirkt unter anderem die Schaffhauser Altra mit, der Firmensitz ist aber in Winterthur – die Stadt sei attraktiv für Start-ups und liege etwa in der Mitte der Wohnorte der drei Gründer, so der 31-Jährige. 2023 konnten sie die erste Mitarbeiterin einstellen.

Der «Steasy» ist in den drei Farben «green pepper», «lava salt» und «purple ginger» erhältlich und kostet 299 Franken. Bislang kann er nur via hauseigenem Onlineshop sowie im St. Galler «’s Fachl» gekauft werden. «Wir versuchen gegenwärtig, in grosse Onlineshops reinzukommen, aber das gestaltet sich schwierig. Die Shops sehen es lieber, wenn ein Unternehmen eine breite Palette an Produkten anbieten kann. Wir haben bislang nur den ‹Steasy›», erklärt Muhl. Kleinere Läden werden ebenso geprüft, auch in Schaffhausen: «Wir sind dran, haben aber bislang noch keine Zusage.»
Nicht das einzige Start-up in der Familie
Seit dem Verkaufsstart im Juni wurde das Start-up noch nicht überrannt – allerdings sei der Sommer auch eher die Zeit, in der man eine kühle Mahlzeit schätze, und keine dampfgegarte.
Was das Start-up nach dem Launch von «Steasy» machen wird, ist vom Feedback der Kundschaft abhängig und muss noch mit den Investoren abgeklärt werden. Möglichkeiten gibt es einige: etwa Zusatzprodukte wie Besteck anbieten, die «Steasy»-App weiterentwickeln, Menüs speziell für den Steamer kreieren oder eine Kabel-Version entwickeln. Zurzeit befindet sich das Start-up in einer Wachstumsfinanzierungsrunde.
Reto Muhl ist nicht der Einzige in seiner Familie mit visionären Ideen. Cousin Etienne Muhl hat ebenfalls ein Start-up gegründet und produziert T-Shirts aus Eukalyptusfasern für schwitzende Gamer. Und Grossvater Hans Muhl dürften besonders im Reiat noch einige kennen – er war Büttenhardter Gemeindepräsident, Schaffhauser Kantonsrat und verantwortete den Landabtausch mit Deutschland bei den Grenzkorrekturen von 1967. Sein Bauernhof soll der erste im Reiat mit einem eigenen Mähdrescher gewesen sein.