«Eine Kamera muss verantwortungsvoll eingesetzt werden»

Jeannette Vogel | 
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Das Kernteam der TopKamera besteht aus Nico Klingler (links), Matthias Schädler und Gaudenz Bösch. Bild: zvg

Videoaufnahmen sind im öffentlichen Umfeld kaum mehr wegzudenken. Die Kamera­systeme der Schaffhauser Firma TopKamera können mehr als nur für Sicherheit sorgen.

Er lächelt viel und zwinkert ab und zu mit den Augen. Kevin Smart ist Assistent bei der Schaffhauser TopKamera und für den Kundenerstkontakt zuständig. Die Vorberatung durch ihn dauert etwa drei Minuten. Er verzichtet auf Smalltalk und ist rund um die Uhr über die Internetseite des Jungunternehmens erreichbar. «Unser virtueller Assistent Kevin stellt ­dynamische Fragen (das heisst, je nach Antwort fällt die nächste Frage entsprechend aus). Und er spricht Empfehlungen aufgrund von Vergangenheitsdaten aus», sagt Geschäftsführer Nico Klingler. Die Gründer Nico Klingler und Gaudenz Bösch setzen sich seit der gemeinsamen Schaffhauser Kantizeit mit neuen Technologien auseinander. Während ihres Bachelorstudiums in St. Gallen haben sie 2014 die Vorgängerfirma von TopKamera gegründet – und 2017 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. «Unser Geschäftsmodell dreht sich um vernetzte Kameras und die Auswertung der Daten. Wir verbinden Hardware, Software und Service», sagt Bösch.

«Technisch ist es machbar, ja. Aber in der Schweiz wird es nicht dazu kommen.»

Gaudenz Bösch, Geschäftsführer

Durch eine «intelligente» Kamera kann beispielsweise verhindert werden, dass die Bahnschranke schliesst, wenn sich ein Fahrzeug auf dem Bahnübergang befindet, gleichzeitig wird ein Alarm aus­gelöst, damit der herannahende Zug gestoppt werden kann. In einem Detailhandelsgeschäft können Personen anonymisiert gezählt werden, um entsprechend die Personalplanung für die Stosszeiten anzupassen und für besetzte Kassen zu sorgen. Was genau gemessen werden soll, entscheidet immer der Kunde, und TopKamera programmiert entsprechend. Unternehmen aus der ganzen Schweiz und die öffentliche Hand machen zwei Drittel ihrer Kunden aus. Ein Drittel sind Privatpersonen. Namen der Kunden werden keine genannt: «Bei unserem Geschäft geht es auch um Diskretion», sagt Klingler.

Orwell lässt grüssen

In Asien ist ein Überwachungsstaat, wie es sich Orwell nicht hätte träumen lassen, in die Nähe und in diesen Wochen auch in die Schlagzeilen gerückt: China will bis 2020 ein umfassendes Überwachungsnetzwerk einrichten. Wie sieht es in der Schweiz aus? «Technisch ist das machbar, ja. In der Schweiz wird es aber nicht dazu kommen», so Bösch. Dafür sorge auch das verstärkte Datenschutzgesetz der EU (siehe Infobox).

Das Wort Überwachung hören die Firmengründer nicht gern. Es ist ein heisses Eisen, niemand will sich daran die Hände verbrennen: «Eine Kamera muss verantwortungsvoll eingesetzt werden, was uns sehr am Herzen liegt», so Klingler. «Deshalb haben wir viel Know-how im Bereich Rechtskonzeption aufgebaut.» Ihre Kunden würden die Kameras für Positives einsetzen, etwa für die Fernwartung von Produktionsanlagen.

Die Geschäftsführer haben auch schon an einem Elternabend teilgenommen und dort Rede und Antwort gestanden, als der Schulleiter zur Sicherheit der Kinder ein System von TopKamera inklusive Rechtskonzept offerieren liess – und dann auch bestellte. Rund 20 verschiedene Kameras werden im Sortiment geführt. Die robustesten sind für die Verkehrsüberwachung. Die gleichen Kamerasysteme, wie sie das Schaffhauser Unternehmen führt, seien auch an der Olympiade in Rio im Einsatz gewesen.

Das Kernteam von TopKamera besteht neben Nico Klingler und Gaudenz Bösch aus Matthias Schädler, dem technischen Projektleiter. Total beschäftigt die Firma zehn Personen. Bei Bedarf wird zusätzlich mit externem Montagepersonal vor Ort zusammengearbeitet. In der Region ist Hauser Elektro aus Wilchingen ihr Partner.

Viele Kamerasysteme seien hoffnungslos veraltet, so Bösch: «99 Prozent des Videomaterials wird mehrheitlich gelöscht oder direkt überschrieben.» Das hat auch sein Positives, die Arbeit geht der Firma nicht aus. Bösch wünscht sich, dass alle Kameras, die älter als zehn Jahre und nicht «intelligent» sind, abgelöst werden: «Stellen Sie sich das vor. Es wäre eine Investition in die Zukunft, und der Kunde bekäme zwei für eins, nämlich Sicherheit und Business Analytics – individuelle Auswertungen.»

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