Ausfuhrscheine: Wie der Zoll gegen Betrügerei vorgeht

Ralph Denzel | 
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Beim Hauptzollamt in Singen wurden 2016 11,23 Millionen Ausfuhrscheine registriert. Bild: Archiv

Der Einkaufstourismus in der Grenzregion boomt seit Jahren. Das lockt nicht nur ehrliche Schnäppchenjäger an. Mit teils dreisten Tricks wird am Zoll versucht, zu betrügen.

Der Weg ist lang, wenn gegen 17 Uhr von Deutschland aus über die Schweizer Grenze fahren will. Dann stauen sich die Wägen, mancherorts zweispurig. Oft, weil viele noch ihren Ausfuhrschein abstempeln lassen wollen. Es ist ein lukratives Geschäft: Die Preise sind jenseits der Grenze um einiges billiger und zusätzlich wird die Mehrwertsteuer erstattet. Kein Wunder also, dass im Jahr 2016 im Bereich des Hauptzollamtes Singen knapp 11,23 Millionen Ausfuhrscheine gestempelt wurden. Das schafft natürlich auch Begehrlichkeiten.

So versuchen viele mit teils ausgefallenen Tricks noch mehr rauszuholen. Eine Masche von Betrügern ist zum Beispiel, alte Kassenzettel als ihre auszugeben, sich damit einem Ausfuhrschein ausstellen zu lassen und diese beim Zoll abstempeln zu lassen. Das ist natürlich illegal, wie Michael Hauck, Pressesprecher des Hauptzollamtes Singen, bestätigt. «Wenn festgestellt wird, dass angegebene Waren nicht vorhanden oder unvollständig sind, zieht das eine Strafe nach sich.» Diese kann bis zu einem Nettowarenwert von 275 Euro zwischen 20 und 50 Euro betragen. Im Wiederholungsfall steigt die Strafe entsprechend. «Die Täter sind keine Unbekannten», warnt Hauck.

«Die Täter sind keine Unbekannten.»

Michael Hauck, Presseprecher Hauptzollamt Singen

Wie dreist am Zoll teilweise vorgegangen wird, zeigte ein Beispiel über das der «Südkurier» berichtete: So soll ein Betrüger einen Deutschen in einem Baumarkt in Waldshut angesprochen haben und um dessen Kassenzettel gebeten haben. Er würde damit dann einen Ausfuhrschein holen, ihn dann abstempeln lassen und den «Gewinn» mit dem Deutschen teilen.

Aber nicht nur auf der Schweizer Seite kommt es zu solchen, illegalen, Versuchen. Oft schicken auch Deutsche einen Schweizer Freund oder Bekannten zum Einkaufen. Dieser kann dann, wohlgemerkt noch legal, die Einkäufe in der Schweiz deklarieren und so die Mehrwertsteuer im Laden in Deutschland zurückfordern. Lässt er diese Einkäufe nun aber in Deutschland, wird es illegal.

Seit 2017 wieder Kontrollen und Bussen

Lange waren die Betrügereien sehr einträglich. Zwischen 2012 und Juni letzten Jahres hatte der Zoll keine Handhabe dagegen. Dort erging die Weisung, an die Kontrolleure «ab sofort sind keine Anzeigen mehr zu erstatten». Denn: «Mangels einer (…) Rechtsgrundlage ist derzeit eine straf- beziehungsweise bussgeldrechtliche Verfolgung festgestellter Zuwiderhandlungen nicht möglich.» Das änderte sich jedoch zum 16. Juni 2017. Seit diesem Tag können wieder Bussen verhängt werden, wenn man bei Einfuhrbetrügereien erwischt wird.

Meistens gegen Abend staut es sich an den Grenzen. Bild: Archiv

Könnten die Bussen auch den Einkaufstourismus einschränken, der viele Schweizer Händler in der Grenzregion teils schmerzhaft trifft? Hannes Germann, SVP-Ständerat, sieht das nicht so. «Jede Verkehrsbusse ist höher», sagt er. Gegen den Einkaufstourismus sei per se auch nichts einzuwenden. «Früher haben die Deutschen in der Schweiz eingekauft, heute ist es umgekehrt. Da ist ja auch nichts dabei», meint Germann. Der Nachteil für die heimische Wirtschaft ist natürlich gegeben, aber die niedrigeren Preise locken natürlich über die Grenze. Betrügereien bei der Mehrwertsteuer seien jedoch ein grosses Problem: «Weil es sich um Abgaben handelt, ist es automatisch im Bereich Betrug.»

«Früher haben die Deutschen in der Schweiz eingekauft, heute ist es umgekehrt. Da ist ja auch nichts dabei.»

Hannes Germann, SVP-Städterat

So zum Beispiel auch, wenn ein Schweizer Staatsbürger mit ständigem Wohnsitz in der EU ebenfalls seine Waren am Zoll stempeln lässt. Diesen gültigen Ausfuhrschein kann er dann in den entsprechenden Läden geltend machen. Eine Kontrolle des Passes ist dabei schwer, denn die meisten Behörden sind schon völlig mit der Bearbeitung der Ausfuhrscheine ausgelastet.

«Bagatellgrenze» als Lösung?

Immer wieder wird in Deutschland die sogenannte «Bagatellgrenze» als Lösung dieses Problems genannt. Dadurch würden Kapazitäten bei den Zöllnern frei werden, die wiederum in die Kontrolle von Waren und dem Grenzverkehr fliessen könnte. Aber bis jetzt ist das nur Theorie. Obwohl Gewerkschaften und Politiker in der Grenzregion diese immer wieder fordern, ist bisher kaum etwas passiert.

Trotzdem sind die Grenzkontrollen und die Bussen positiv zu sehen, sagt Germann. «Keine Kontrollen könnten Leute verleiten.» Es müsse aber darauf geachtet werden, dass die Leute nicht schikaniert werden. «Das System und die Kontrollen muss funktionieren.»

In Deutschland bleibt es wohl weiterhin dabei, dass keine Bagatellgrenze kommt. Das Finanzministerium sehe dies als schwierig an. Als Antwort auf eine Anfrage der «Badische-Zeitung» sagte die Behörde, dass eine Bagatellgrenze nicht nur an Grenzen gelten könne, sondern «aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben (Neutralitätsprinzip) auch für die Ausfuhrlieferungen über See- und Flughäfen» und «auch für die Tax-free-Verkaufsstellen» gelten müsse. Ausserdem fürchte man einen Handelsnachteil für grenznahe Betriebe in Deutschland.

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