Der Segen der Götter macht nirgends halt

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Priester Nivethanan Balasuntharam beantwortet alle Fragen der interessierten Besucher. Bild: Indrani Das Schmid

Im Hindutempel in Neuhausen gilt das Prinzip der offenen Türe. Geduldig beantwortete der Priester an einem ausserordentlichen einem hinduistischen Gottesdienst jede noch so neugierige Frage.

von Indrani Das Schmid

Zweimal muss das Glöckchen klingen. Immer. Sonst gibt es Unglück. Das mag zwar nach Aberglauben klingen, hat aber bei genauer Betrachtung seine eigene innere Logik. Wie alles im Hinduismus. Die Religion der vielen Gottheiten, der Farben und Gerüche. Bereits am Eingang des Tempels im grauen Industriegebiet Rundbuck in Neuhausen duftet es nach Urlaub. Urlaub in Sri Lanka, an den Küsten Südindiens, dort wo die Tamilen wohnen. Am Sonntag öffneten diejenigen von ihnen, die im Kanton Schaffhausen ihr Zuhause gefunden haben, ihren Mitbürgern die Türe zu ihrem Tempel. Und luden sie zu einer ausserordentlichen Puja – einem hinduistischen Gottesdienst – ein.

Gut 20 Gäste von der Erstklässlerin bis zur Seniorin folgten dieser Einladung und traten durch eine unscheinbare graue Türe in eine Welt hinein, die auf dem ersten Blick buntgolden verwirrt. Gottheiten in prächtigen Gewändern sitzen in kleinen Tempeln, der Duft von frisch gekochtem Reis und Gemüse weht durch den Raum und die Priester mit nackten Oberkörpern, farbigen Beinkleidern, mit roten Punkten oder den weissen Strichen auf ihrer Stirn begrüssen die Gäste mit herzlichem Lachen. Nicht nur der junge Priester Nivethanan Balasuntharam heisst die Gäste mit einem festen Handschlag willkommen, sondern auch Mitglieder dieser tamilischen Gemeinde und Markus Sieber. Der ehemalige protestantische Pfarrer und Dozent für interreligiösen Dialog an der PH Schaffhausen hatte die Idee, einen hinduistischen Gottesdienst abzuhalten, bei dem man alles fragen kann. Alles, ohne Scheu. Denn mit dem Kennenlernen des Fremden entdecke man sich selber wie neu. Das Eigene, das so Selbstverständliche, erscheine angesichts der anderen Sichtweise auf einmal anders. Was bliebe, seien die Fragen des «woher und wohins». Oder wie es der Priester Nivethanan Balasuntharam im schönsten Schweizerdeutsch erklärt: «Das grosse Geheimnis.»

Bilder des grossen Geheimnisses

Das grosse Geheimnis, das existenzielle Fragen sei allen Religionen gemeinsam. Der Hinduismus versucht, sich diesem mit seinen Geschichten, Symbolen und Gottheiten zu nähern. Gottheiten, die wie der Gott Murugan von den Priestern gewaschen und festlich angezogen werden. Sie werden gestärkt mit frischem Obst, süsser Milch und Süssem. Warum Süsses? «Weil die Götter Süsses lieben», erklärt der Priester verschmitzt. Süsses bedeute Glück. Nicht umsonst seien alle Gottheiten leicht rundlich. Auch Gott Murugan, nach dem dieser Tempel benannt ist. Er, der Sohn Shivas, ist einer der verehrtesten Gottheiten unter den Tamilen. Der Priester singt seinen Namen. Auch die Gottheiten müssen wissen, dass sie gemeint sind. So wie die Menschen sie jetzt sehen, würden auch die Gottheiten die Menschen ansehen. Aber dazu müssten sie erst mal ihre Augen aufmachen.

Sehr menschlich geht es im hinduistischen Universum zu. Es gibt den Kampf zwischen Gut und Böse, Liebesgeschichten und Liebesleid. Doch hinter all dem steht stets eine universelle Botschaft. Keine menschliche Regung ist dem Hinduismus fremd. Er integriert sie gut in seinem Universum. Diese Integrationsfähigkeit beeindruckt die Gäste. Auch die Offenheit der Tamilen, die selber gerne andere Gottesdienste besuchen. Und keine Scheu haben, jeden, der möchte, zum Abschied das Zeichen der hinduistischen Dreieinigkeit – Brahma, Vishnu, Shiva, also Schöpfer, Bewahrer und Zerstörer – in Form von ein bis drei weisse Aschestriche auf die Stirn zu malen, bevor man sich gemeinsam den köstlich duftenden Speisen zuwendet.

Auch wenn diese Art von Puja einmalig war, vom 19. April bis zum 27. April findet der Höhepunkt des Jahres statt. Das zehntägige Tempelfest, zu dem jeder herzlich eingeladen ist.

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