Die SIG-Werklok Ee 2/2 ist wieder daheim

Alfred Wüger | 
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Auf dem Tiefbettanhänger wurde die SIG-Werkbahnlok, die der Museumsverein vor dem Verschrotten gerettet hat, gestern an ihren alten Wirkungskreis überführt.

Eigentlich hätte die Lok kurz vor zehn Uhr auf dem SIG-Areal in Neuhausen am Rheinfall eintreffen sollen, aber sie kam erst eine Stunde später. Es hatte Probleme gegeben beim Verladen in Winterthur, wo die Ee 2/2, wie die von der SIG im Jahre 1920 zum Eigengebrauch hergestellte Werklok technisch heisst, gestanden hatte. Wie war sie dorthin gekommen?

Jürg Zimmermann, Schaffhauser Eisenbahnhistoriker und Herausgeber mehrerer einschlägiger Dokumentationen: «Die Werkbahn der SIG wurde auf den 1. Januar 1983 stillgelegt. Danach zeigte niemand ein Interesse an der Lok. Sie wurde für 2000 Franken an ein Schaffhauser Recycling-Unternehmen verkauft, zum Abbruch. Dort habe ich sie dann zufällig entdeckt.» Und dann kaufte der Historische Verein Schaffhausen die Lok zurück. «Für 4000 Franken», sagt Jürg Zimmermann und lacht. Sie stand dann an verschiedenen Orten, auch einmal auf dem Werksareal, für das sie ursprünglich gebaut worden war, aber immer wieder war die Ee 2/2 irgendjemandem im Weg. «Und dann hat der Historische Verein die Lok dem Winterthurer Industriearchäologen Hans-Peter Bärtschi geschenkt.»

In der Folge stand sie vor dessen Büro. «Allerdings leider im Freien», sagt Jürg Zimmermann, «sodass sie nun einige Standschäden aufweist.» Dass die Werklok nun wieder in den Kanton Schaffhausen kommt, ist dem Umstand geschuldet, dass Hans Peter Bärtschi seine Büros verlässt und die Ee 2/2 dadurch – zum wiederholten Mal – heimatlos wurde.

Um 11 Uhr erreichten der Tiefladenanhänger sowie der Pneukran das SIG-Areal. Im Boden sind noch alte Industriegeleise zu sehen. Allerdings sind sie nicht mehr befahrbar, weil ihre Rillen mit Teer aufgefüllt worden sind.

«Ideal wäre ein geschützter Platz in einer Halle, aber vorläufig bleibt die Lok nun einmal hier.»

Jürg Zimmermann, Eisenbahnhistoriker und Autor

Mittlerweile haben die Arbeiter der Transportfirma Gurten unter der Lok hindurchgezogen, und schon schwebt sie, die etwas schwerer ist als drei ausgewachsene afrikanische Elefanten, an ihrem Standort. Merkwürdigerweise entspricht die Spurweite des Gleisstücks nicht der Spurweite der Lok, sodass zwei der vier Räder auf dem Spurkranz ruhen. «Kein Problem», findet Jürg Zimmermann. «Ideal wäre ein Platz in einer Halle», sagt er weiter, «aber vorläufig bleibt sie jetzt einmal hier.»

Demnächst wird sie neu gestrichen

Die Stufen hinauf zur Führerkabine sind aus Holz. Sie sind verwittert. Und hier und da müssen Bleche ausgewechselt werden. Der Stromabnehmer liegt zusammengefaltet auf der Ladefläche eines dritten Transportfahrzeugs. Mit den Lehrlingen einer Schaffhauser Malerwerkstätte soll die Lok demnächst neu gestrichen werden.

Damit der Transport von Winterthur ins SIG-Areal reibungslos vonstatten gehen konnte, waren einige organisatorische Fragen zu klären. Jürg Zimmermann hat einen dicken Ordner mit Dokumenten bei sich. «Die Lok ist 3,85  Meter hoch. Dazu kommen die rund 40 Zentimeter des Tiefbettanhängers. Die Fahrdrahthöhe im Bahntal beträgt 4,5 bis 4,6 Meter. Da ist nicht mehr viel Luft.»

Rund 60 Jahre im Einsatz gewesen

Die Ee 2/2 ist nicht die einzige Werklok, die wieder nach Schaffhausen zurückkam. Auch eine GF-Werklok hat den Weg in die Heimat wiedergefunden, nachdem sie mehrere Jahrzehnte bei einem französischen Sammler vor sich hingerostet hatte. Was in Schaffhausen indes noch fehlt, ist eine zentrale Halle für alle diese Veteranen aus der Hochblüte der hiesigen Industrie.

Die Ee 2/2 war rund sechs Jahrzehnte im Einsatz. Ihre Aufgabe war das Verschieben der neu gebauten Eisenbahnwagen zum SBB-Bahnhof Neuhausen am Rheinfall. Welche Arten von Wagen die SIG herstellte, dokumentiert eine neue Schrift (siehe Kasten unten) von Jürg Zimmermann.

Industriegeschichte: Jürg Zimmermanns neues Buch «Die SIG – Pionier des Waggonbaus in der Schweiz»

Bekannte Schaffhauser Namen stehen am Anfang der «Schweizerischen Waggons-Fabrik», die später «Schweizerische Industrie-Gesellschaft» (SIG) genannt wurde: Friedrich Peyer im Hof, Heinrich Moser und Johann Conrad Neher waren es, die 1853 die Schweizerische Waggons-Fabrik in Neuhausen am Rheinfall gründeten. Sie hofften – so schreibt es Jürg Zimmermann in seiner neusten Publikation –, «den Eisenbahndirektionen alle wünschbaren Vorteile bieten zu können, vor allem aufgrund der günstigen Lage in waldreicher Gegend und in unmittelbarer Nähe des Eisenwerks Laufen».

Jürg Zimmermann. Bild: Michael Kessler

128 Jahre sollte die Geschichte der SIG-Waggons-Fabrik dauern. Mit der Pensionierung der beiden letzten Wagner, Arnold Keller aus Diessenhofen und Wilfried Gasser aus Hallau, fand im Jahre 1981 der Beruf des Wagners sein Ende. Hatten die Wagner früher Pferdekutschen und Fuhrwerke hergestellt, waren sie mit dem Aufkommen der Eisenbahn für die Fabrikation der Personen- und Güterwagen zuständig. Die ersten Eisenbahnwagen bestanden noch zu 90 Prozent aus Holz. «Selbst die Untergestelle der Wagenkasten bildeten eine währschafte Holzbalkenkonstruktion, die alle Schub- und Zugkräfte der zu jener Zeit noch ungefederten Puffer übernehmen musste», heisst es in dem Buch. Erst in den 1930er-Jahren wurden dann Wagenkasten aus Stahl hergestellt, dies infolge des erhöhten Sicherheitsbedürfnisses der Reisenden bei den nun höheren Geschwindigkeiten. 1939 erhielt die SIG von den Schweizerischen Bundesbahnen den Auftrag, moderne Leichtstahlwagen herzustellen.

Seit ihrer Gründung bis ins Jahr 1969 hatte die SIG 25 000 Schienenfahrzeuge gebaut. Dazu gehörten neben den Standardpersonenwagen auch die damals legendären Trans-Europ-Express-Züge. 1981 gab die SIG den Bau ganzer Waggons auf, fertigte in der Folge nur noch Drehgestelle und verabschiedete sich im Jahre 2000 endgültig vom Bereich Schienenfahrzeuge.

Wenn die Jahreszahlen fehlen

In der nun vorliegenden neusten Publikation von Jürg Zimmermann werden rund 40 Bilder von Eisenbahnwagen gezeigt, die im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert in Neuhausen am Rheinfall gebaut worden waren. Bei den Fotos handelt es sich um Abzüge von Glasnegativen, in deren Besitz Jürg Zimmermann auf Vermittlung des früheren SIG-Direktors Fritz Reichenbach (1902–1986) gelangt war. Die Fotos zeigen die abgebildeten historischen Fahrzeuge zum Teil im fabrikneuen Zustand, so etwa den dreiachsigen Personenwagen dritter Klasse, der auf dem Schienennetz der Schweizerischen Nord-Ost-Bahn verkehrte. Die Fotos – auch die der Standardpersonenwagen und klassischer Güterwagen, wie sie von der SIG in grossen Stückzahlen an in- und ausländische Bahngesellschaften geliefert wurden – sind schwarz-weiss.

Die Wagen aus dem 19. Jahrhundert waren mit ihren Speichenrädern und erhöhten Bremserhäuschen zum Teil recht filigrane Konstruktionen, deren Ästhetik heute romantisch anmutet. Schade an der jedem Eisenbahnfreund unbedingt zu empfehlenden Publikation ist einzig, dass die zeitliche Einordnung der meisten Wagen mangels Jahreszahl nicht möglich ist,

Jürg Zimmermann «Die SIG – Pionier des Waggonbaus in der Schweiz», erhältlich beim Autor und im Museum zu Allerheiligen, 2017, 108 Seiten, 15 Franken.

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