«Lieb tun, aber in den Liedern auch mal etwas Böses sagen»

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«Unser Alltag wird immer sicherer, und trotzdem haben die Leute immer mehr Angst»: Ursula Maurmann. Bild: pd

Ursula Maurmann hat sich noch nie vorgenommen, ein Lied zu schreiben. Und doch werden ihrer Ein-Frau-Band Monozoo wohl nicht so bald die Songs ausgehen.

von Luca Miozzari

Ein neues, unbekanntes Tier betritt das musikalische Zoogehege: Seine Schöpferin, Ursula Maurmann alias Monozoo, stellt diese Woche ihr zweites Album vor. «monozoo2» heisst die CD aus der Mache der Ein-Frau-Band aus Flurlingen. Nach dem Debüttonträger «monozoo» aus dem Jahr 2014 fügt Maurmann ihrem Opus weitere 17 Songs hinzu. Vier davon sind bereits auf ihrem Youtube-Kanal als Videoauskopplung zu hören, ein fünfter Clip ist in Arbeit. Gewohnt mutig und frei von der Leber weg mischt Maurmann Gitarrensoli mit Synthesizern, Poesie mit Humor, Deutsch mit Französisch und Englisch. «Super extraordinaire»: Der Refrain des ersten Liedes auf dem Album ist Programm.

Am Küchentisch oder am Panzertag

Aus der Reihe zu tanzen, hat bei Ursula Maurmann dennoch nichts zu tun mit einem simplen Drang nach Individualität. Ihre Texte wirken eher wie ein Ausdruck der Ehrlichkeit und der unverfälschten Vielfalt an Erfahrungen des Alltags. Denn da sind ihre Lieder nämlich auch entstanden. Am Küchentisch beim Mittagessen, auf Spaziergängen, beim Rasenmähen oder am Panzertag in der Stahlgiesserei. «Ich nehme mir nie vor, einen Song zu schreiben», sagt Maurmann, und doch hat sie bereits zwei ganze Ordner mit Texten gefüllt. «Zuerst leben, dann Lieder schreiben», so beschreibt die hauptberufliche Zeichenlehrerin den Prozess. Es sind spontane Einfälle, Gedanken, Eindrücke, ein Wort, eine Melodie, meist innert weniger Minuten zu Papier gebracht. Die lässt sie dann erst mal eine Weile «abhängen». Mit den überarbeiteten, gereiften Liedern geht sie zu Olifr M. Guz (Aeronauten, Naked in English Class) ins Star-Track-Tonstudio, um sie mit seiner Hilfe zu produzieren. Bei der Umsetzung kann es Diskussionen zwischen den beiden geben, aber Ursula Maurmann geht keine Kompromisse ein. «Am Ende entscheide ich», sagt sie. Monozoo bleibt ein Ein-Frau-Projekt. Nicht ganz, wenn man’s genau nimmt. Das endlos lange Gitarrensolo beim Song «Ever» stammt von Balz Hürner.

Als alltäglich kann man Maurmanns Texte auf keinen Fall bezeichnen. In ihren Liedern fliegen Hummeln rückwärts, verbeult sie selbst Autos, zündet Häuser an und springt durch Fenster. «I’m a stuntgirl, who are you?», singt sie. Der Satz ist eine Aufforderung: Das Leben muss wieder spannender werden. «Unser Alltag wird immer sicherer, und trotzdem haben die Leute immer mehr Angst», sagt sie im Gespräch mit den SN. Weiche Knie hatte auch Maurmann bei ihrem ersten Konzert im gut gefüllten Club TapTab vor fünf Jahren. Es war ein Punkabend anlässlich eines Geburtstages. Sie hatte versprochen, einen Beitrag zum Besten zu geben. «Ich dachte, das würde in einem Wohnzimmer stattfinden», erzählt Maurmann. Sie ging trotzdem auf die Bühne und spielte den ersten Monozoo-Song überhaupt: «Französische Cüsche» – ein Lied, das sie kurzerhand beim Mittagessen geschrieben hatte.

Schuhgeruch unter der Bettdecke

Es sind die kleinen Gefahren des Alltags, die das Leben vom blossen Existieren unterscheiden. Auch wenn es nur die Gefahr ist, sich auf einer Bühne mit einem Loblied auf die französische Küche in entsprechendem Akzent blosszustellen. Wichtig ist, es trotzdem zu tun und dem Ganzen wenn möglich eine amüsante Note abzugewinnen. «Bisch am’ne Punkkonzert gsi mit zweiefufzgi – selber d’schuld!», singt Maurmann im Song «Punkkonzert» auf ihrem ersten Album. Am nächsten Morgen kleben die Augenlider zusammen, der Tinnitus ist unerträglich, und unter der Bettdecke riecht es nach Schuhen. Maurmann singt von Katerstimmung, Wut und Herzschmerz, aber dennoch niemals von Reue und schon gar nicht von Selbstmitleid. Ein «selber d’schuld» muss reichen, ein Eingeständnis an sich selbst, dass es vielleicht nicht allzu klug war, mit 52 an ein Punkkonzert zu gehen, was aber noch lange kein Grund ist, es nicht wieder zu tun.

Maurmann wurde davon abgeraten, das Bild mit dem Marderfell um den Hals der Presse zur Verfügung zu stellen. Es könnte einen Tierschützer-Shitstorm auslösen. Sie hat es – nach maurmannscher Manier – einfach trotzdem getan. Ihr Lächeln in Kombination mit dem fauchenden Marder, sagt sie, bringe schlicht und einfach zu treffend zum Ausdruck, wie sie sich selbst und ihre Tätigkeit sehe: «Lieb tun, aber in den Liedern auch mal etwas Böses sagen», so lautet die Devise. An alle militanten Pelzgegner, falls es Euch tröstet: Der Marder hat post mortem zurückgeschlagen und für eine allergische Reaktion gesorgt. Rote Augen und eine triefende Nase waren das Ergebnis des Fotoshootings. «Der Marder hat mich völlig fertig gemacht», so Maurmann.

Der Kopf des Tieres ist übrigens eine Fotomontage. Auch die hat Maurmann selbst gemacht, so wie alle zwölf Videos und das grafische Artwork des Albums. Neben der Musik malt und fotografiert sie regelmässig. Der visuelle Zugang schlägt sich auch in ihren Texten nieder. Monozoo-Lieder funktionieren meistens über Bildsprache: Der Blick aus dem Fenster auf die untergehende Sonne über der Skyline von Neuhausen, ein Sternenhimmel oder auch Panzer, die mit Getöse durch die Stahlgiesserei rasseln, werden zu Musik destilliert.

Die CD «monozoo2» ist erhältlich im «Halt de Lade» (Neustadt 59) oder per Bestellung an [email protected]. Am Dienstag tritt Monozoo ab 20 Uhr in der Neustadtbar auf.

 

 

 

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