«Es geht um Mitgefühl und Verständnis»

Serena Schelling (ssc) | 
Noch keine Kommentare
«Komischerweise kann ich nur über Männerpärchen schreiben», meint Jessica Möckli. Bild: Serena Schelling

Einen endlosen Schreibfluss hatte sie, den sie sich anfangs gar nicht zugetraut hätte: Jessica Möckli hat ihr erstes Buch mit dem Titel «Der Wüstensklave» geschrieben.

Der Kanton Schaffhausen ist um eine Kulturschaffende reicher: Jessica Möckli veröffentlichte ihren Fantasyroman «Der Wüstensklave – der Hölle entkommen». Es ist das Erstlingswerk der 35-jährigen Neunkircherin, doch noch längst nicht ihr letztes. Möckli ist eine fleissige Autorin und hat bereits die Fortsetzung ihres Buches angekündigt. Bei so viel Schreibdrang fällt es schwer zu glauben, dass die Autorin anfangs mit sich und ihrem Schreibtalent gehadert hat.

«Ich dachte immer, dass ich nicht gut genug schreiben kann und zu wenig kreativ bin.»

Jessica Möckli, Autorin

Die SN treffen Frau Möckli an einem sonnigen Nachmittag im Klostergang in der Stadt Schaffhausen. «Sie glauben gar nicht, wie nervös ich bin», sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Auf die Frage, wie sie sich mit einem Wort beschreiben würde, antwortet sie: «Schüchtern.» Allerdings nur, wenn man sie noch nicht gut kenne – schliesslich habe sie auch schon ihrem Chef die Meinung gegeigt, wie sie mit einem breiten Grinsen zugibt.

Tierfreundin mit Fussballabneigung

Jessica Möckli ist 35 Jahre alt und lebt bis heute in der Gemeinde Neunkirch in dem Haus, in dem sie aufgewachsen ist. Ihr zur Seite stehen ihr Bruder, ihre Grossmutter und ihre zwei Kater – oder auch «Luusbuebe», wie sie die Tiere liebevoll nennt. Sie hat eine Lehre als Automechanikerin absolviert und ist bei der Firma Alcon Grieshaber in Buchthalen in der Produktion tätig. Sie stellt unter anderem Pinzetten für Augenoperationen her. «Dafür ist wie bei der Automechanik handwerkliches Geschick erforderlich – einfach unter dem Mikroskop», sagt Möckli. Neben ihrer gros­sen Leidenschaft, dem Schreiben, zeichnet die 35-Jährige gerne und reitet mit ihrem Pflegepferd aus. Was sie gar nicht leiden kann, ist Fussball: «Für mich gibt es nichts Langweiligeres als Fussball, der im Fernsehen gezeigt wird.» Spätestens jetzt steht fest: Jessica Möckli ist eine Macherin, die nicht nur zusieht, sondern lieber die Zügel selbst in die Hand nimmt.

Faszination Fanfiction

Das war bereits während ihrer Schulzeit so: «Die Schulbibliothek hatte dreimal pro Woche geöffnet, und ich war Stammgast.» Durch die Bücher konnte sie in fremde Welten eintauchen und den Alltag hinter sich lassen. Als sie eines Tages im Internet nach spannenden Geschichten googelte, machte sie eine Entdeckung, die ihr Leben verändern sollte. Auf der Plattform «fanfiction.de» traf sie auf gleichgesinnte Schreibbegeisterte. «Fanfiction sind Geschichten, die an ein Buch, einen Film oder eine Serie angelehnt sind», erklärt Möckli. Die Charaktere würden nicht selbst erfunden, sondern einer bereits existierenden Story entnommen.

Die erste Geschichte, die sie las, handelte von ihrer Lieblingsserie «Sailor Moon». Schliesslich durchforstete sie die Plattform, stiess auf Geschichten von «Navy CIS» und «Star Trek», traute sich allerdings nicht, selbst in die Tasten zu hauen.

20

Taschenbücher ihres Romans hat Jessica Möckli etwa verkauft, rund 370-mal wurde ihr Werk als E-Book ­heruntergeladen.

«Ich dachte immer, dass ich nicht gut ­genug schreiben kann und zu wenig kreativ bin», sagt Möckli. Schliesslich konnte sie sich zu einer eigenen Geschichte durchringen, die damals knapp anderthalb ­Seiten lang war. Einige Zeit später kam ihr während einer Autofahrt die Idee für ihr erstes Buch, inspiriert von den «Yu-Gi-Oh!»-Anime-Charakteren. «Aus dem Nichts sprang mich die Idee einer Zweiklassengesellschaft an, und ich fragte mich: Was wäre, wenn?», sagt sie. ­Ursprünglich geplant seien fünf bis sechs ­Kapitel gewesen, mittlerweile seien es 64.

Sie schreibt schon am 5. Band

Doch worum geht es denn jetzt in ihrem Buch «Der Wüstensklave – der Hölle entkommen» eigentlich genau? Die Geschichte spielt 2016 in Japan. Die Welt ist in eine Zweiklassengesellschaft geteilt. Die Oberschicht geniesst die Vorzüge der Technologie, und die arme Bevölkerung lebt auf dem Stand des Mittelalters. Hinzu kommt der Sklavenhandel, der die Ethnien global durchmischt hat. Im Zentrum der Geschichte steht der Stoffhändler Kai, der aus einem Impuls heraus den blauäugigen Sklaven Yari kauft, der vor fünf Jahren versklavt worden ist, sich aber nicht an sein vorheriges Leben in Freiheit erinnern kann. Yari wurde jahrelang Gewalt angetan, er wurde sexuell misshandelt und ist jetzt völlig traumatisiert. Der schwule Kai verliebt sich in ihn, doch Yari kann keine Emotionen entwickeln, da jede Berührung für ihn Schmerz bedeutet. Im Lauf der Geschichte kommen bei Yari immer wieder Erinnerungsfetzen hoch, doch er weiss nicht, wie diese zuordnen. «Es gibt aber ein Happy End», so Möckli. Die Autorin ist momentan am 5. Band der Buchreihe «Der Wüstensklave». Voraussichtlich wird es etwa acht Bände der Reihe geben. «Die Leser können sich auf Liebe, Drama und die Wiederentdeckung der Menschlichkeit gefasst machen. Zentral geht es aber immer noch um Mitgefühl und Verständnis.»

 

 

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren