Neun-Millionen-Schweiz: Ist es eine Chance oder ein Problem?
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Die SN, Radio Munot und das Schaffhauser Fernsehen haben gemeinsam alle Schaffhauser Nationalratskandidierenden eingeladen. Die Aufzeichnungen finden Sie online unter www.shn.ch. In der gedruckten Version der Zeitung publizieren wir jeweils einen Teil des Gesprächs.
Seit letzter Woche leben offiziell neun Millionen Menschen in der Schweiz. Zehn Millionen könnten es bald werden. Dichtestress, Landverbrauch, Verkehrsinfrastruktur: Ist die starke Zuwanderung eine Chance oder ein Problem?
Stephan Schlatter: Sowohl als auch. Wir sind schon sehr dicht besiedelt, vor allem im Mittelland, das spürt man. Andererseits kommen ja gute Leute, die wir brauchen, Fachkräfte, die unser Land vorwärtsbringen.
Macht Ihnen das Bevölkerungswachstum mehr Sorgen oder Hoffnung?
Thomas Böhni: Es ist ähnlich wie in der Klimapolitik, wir haben einen Kipppunkt erreicht. Wir können diese Schweiz nicht einfach füllen, es gibt natürliche Begrenzungen. Ich glaube nicht, dass wir einfach so ein offenes Land sein können. Zur Zuwanderung kommt ja noch der Asylbereich. Ich denke, wir werden viel mehr Prävention in den Herkunftsländern machen müssen, damit die Leute keinen Grund mehr haben, zu uns zu kommen.
Schlatter: Da bin ich gleicher Meinung. Es gibt etwa 100 Millionen Menschen, die reisebereit sind und nach Europa wollen, vor allem in den Norden. Wir werden hart, aber fair sein müssen. Abgewiesene Asylbewerber dürfen nicht einfach hier blieben. Da müssen wir den Rechtsstaat durchsetzen. Um jenen helfen zu können, die an Leib und Leben bedroht sind.
Mehr Einwohner heisst mehr Verkehr und mehr Stau. Ist der Ausbau der Strassen der richtige Weg?
Böhni: Ich frage mich schon, wie man die Klimaziele hochhalten kann und gleichzeitig fünf Milliarden in Beton investiert. Ich würde für eine smartere Verkehrsplanung plädieren. Wir sind ja ein kleinräumiges Land und haben nicht unbegrenzt Platz. Vielleicht sollten wir uns mal Veloautobahnen überlegen? Von Stein am Rhein bin ich heute fast gleich schnell mit dem E-Bike in der Stadt wie mit dem Auto. Wenn die Velowege noch etwas besser wären, wohl fast schneller.
Schlatter: Lustige Idee, die unser Problem aber nicht wirklich löst. Selbstverständlich müssen wir das Strassennetz ausbauen, der Verkehr wird noch deutlich zunehmen. Auf der Strecke zwischen Zürich und Bern sieht man jeden Tag, dass es nicht mehr reicht, und zwar sowohl im Zug als auch auf der Strasse. Es braucht beides und noch viel mehr.
Strom aus erneuerbaren Quellen soll ausgebaut werden. Geht das nur mit Lenkung oder braucht es Zwang?
Böhni: Nun, wir haben es jahrelang versucht mit Lenkungsabgaben, alles haben FDP und SVP abgelehnt. Jetzt sind wir bei der zweitbesten Lösung, der Förderung. Wir müssen jetzt dringend sicherstellen, dass sich die Investition in Erneuerbare für Private rentiert.
Schlatter: Das Wichtigste ist, dass wir die Entwicklung zulassen und dass wir keine ideologisch gefassten Verbote aussprechen, wie das für den Verbrennungsmotor diskutiert wurde, und auch keine Denkverbote. Wir werden ganz viele verschiedene Technologien brauchen, um unser Stromproblem zu lösen, nicht nur Solar und Wind.