Schlechte Noten für «Schaffhauser Patent»

Robin Blanck | 
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Werden Schaffhauser Schulkinder bald von Lehrpersonen mit einem kantonalen Patent unterrichtet? Die Idee stösst bisher auf Widerstand. Bild: Melanie Duchene

Ein Lehrerpatent, das nur im Kanton Schaffhausen anerkannt ist: Was früher bereits kleinteilige Praxis war, soll wieder geprüft werden, wenn es nach dem Erziehungsdirektor geht. Aber die Reaktionen aus dem Bildungsbereich sind mehrheitlich kritisch bis ablehnend.

Das Anliegen kam eher am Rande zur Sprache, dürfte aber in weiten Kreisen für Aufsehen sorgen: Im Zusammenhang mit dem anhaltenden Lehrkräftemangel im Kanton (und der ganzen Schweiz) will Erziehungsdirektor Patrick Strasser neben weiteren Massnahmen auch die Einführung eines Schaffhauser Lehrerpatents prüfen lassen, einer Unterrichtsberechtigung, die nur im Kanton gilt. Dafür sei aber gemäss Strasser die Teilnahme am «ready 4 teaching»-Programm des Erziehungsdepartements nicht ausreichend, vielmehr würde «eine vertiefte Weiterbildung über mehrere Jahre nötig».

Viel Kritik aus der Stadt

Bei Raphaël Rohner, Bildungsreferent der Stadt und damit der grössten Schulgemeinde, lösen diese Pläne erhebliches Stirnrunzeln aus: «Das wäre ein Rückschritt in die Zeit vor der Tertiarisierung der Lehrerbildung und damit der interkantonalen Anerkennung», sagt er gegenüber den SN. Konkret: Man würde vom heutigen Ausbildungsgang auf dem Niveau von Fachhochschulen (an der Pädagogischen Hochschule in Schaffhausen, PHSH) wieder zurückkehren zu einem System, bei dem die Ausbildung von Lehrpersonen in kantonalen Seminarien mit jeweils kantonalem Diplom erfolgt. «Es kann und darf nicht zwei ‹Klassen› von Lehrpersonen geben», sagt Rohner und geht sogar noch weiter: Ein solches Vorgehen käme «einer Abwertung des Berufs innerhalb der Bildungssystematik gleich», es stehe auch die Qualität der Ausbildung infrage, was sich sehr wohl auf den Unterricht auswirken könne. Der Bildungsfachmann ist sich sicher: «Das hat auch nichts mit der Attraktivierung des Lehrpersonen-Berufs zu tun.» Sein Ansatz wäre ein berufsbegleitender Studiengang für Quereinsteiger mit einem vollwertigen Abschluss an der PH Schaffhausen (PHSH).

«Prüfen – und verwerfen»

Der Stadtschulrat ist die zentrale Instanz im städtischen Schulsystem und bekommt – je nach Ergebnis der städtischen Abstimmungen vom kommenden Wochenende – eine neue Rolle. Schulpräsident Werner Bächtold (SP) anerkennt, dass man das Problem des Lehrermangels beim Kanton angeht und nach Lösungen sucht, bei der Frage eines kantonalen Lehrerdiploms ist er hingegen ganz anderer Ansicht: «Das kann man schon prüfen, aber ich bin sehr, sehr skeptisch gegenüber einem solchen Ansatz.» Die Schweiz sei ein kleines Land und Schaffhausen ein kleiner Kanton, daher setzt Bächtold weiterhin auf eine interkantonale Lösung.

«Die Idee kann man prüfen, sich Gedanken machen – und sie dann verwerfen.»

Werner Bächtold, Präsident Stadtschulrat

Ein solcher «Light-Ansatz» würde zudem die PH Schaffhausen kannibalisieren, meint Bächtold, weil es keinen Grund mehr für einen herkömmlichen Studiengang gäbe, wenn eine Light-Variante zu haben sei. «Und vor allem: Sind die Abgänger einer solchen Ausbildung überhaupt in der Lage, zu unterrichten?», fragt er, «das ist eben nicht alles so einfach.»

Andere Ansatzpunkte verfolgen

Solle der Lehrerberuf attraktiver werden, geht es für Bächtold weiterhin um die Lohnfrage, «wir sind einfach nicht konkurrenzfähig», sagt er. In der Stadt wiederum mache sich das Fehlen von Schulleitungen bemerkbar, wobei Bächtold hofft, dass sich dies mit der Abstimmung vom Wochenende ändert. Nicht zu vergessen sei ferner die Erneuerung der Infrastruktur: Die Stadt habe das in der Vergangenheit versäumt und sei nun daran, das nachzuholen, «auch das macht eine Schulgemeinde attraktiver», sagt Bächtold.

Sein Fazit zum kantonalen Patent: «Die Idee kann man prüfen, sich Gedanken machen – und sie dann verwerfen.»

Erziehungsrat uneins

Wenn im Kanton wichtige Entscheide im Bildungsbereich gefällt werden, führt kein Weg am Erziehungsrat als dem höchsten kantonalen Exekutivorgan vorbei. Dem Gremium, das Erziehungsdirektor Patrick Strasser als Präsident direkt führt, gehören auch Vertreter der Schulen und der Politik an. Die Meinungen gehen auseinander: Für die SVP sitzt Thomas Stamm im Rat – und ist kritisch. «Ich bin mir noch nicht im Klaren, was der Vorteil einer solchen Lösung wäre.» Der Lehrerberuf sei ein nationaler, für den überall im Land die gleichen Anforderungen gelten, gibt Stamm zu bedenken. Dass man zum früheren «Gärtlidenken» zurückkehren wolle, stösst bei ihm nicht eben auf Begeisterung, gleichwohl könne man einen solchen Weg «zumindest diskutieren».

Erziehungsrätin Maria Härvelid (GLP) beurteilt die Frage einer Schaffhauser Lehrberechtigung im Einklang mit ihrer Partei völlig offen: «Wir finden es richtig, dass ein solches System als Variante geprüft wird», sagt sie. Härvelid regt an, den Vergleich zu anderen Berufen mit einer kantonalen Lösung anzustellen und daraus Schlüsse zu ziehen. Auch für sie ist unbestritten: «Viele Fragen sind noch offen, aber wir müssen ohne Tabus alles anschauen.»

Weitere angefragte Mitglieder des Erziehungsrates halten sich mit Stellungnahmen zurück, so auch Bettina Looser (SP), die allerdings einräumt, dass der Erziehungsrat den Auftrag erteilt hat, «über die Zukunft der nicht adäquat ausgebildeten Lehrpersonen nachzudenken». Dazu gehöre eben auch die kantonale Unterrichtsberechtigung.

Perspektive für Quereinsteiger?

Und wie tönt es von den Profis an der Front?

Stefan Balduzzi ist seit vielen Jahren im Schaffhauser Bildungsbereich tätig, war zehn Jahre Präsident des Kantonalen Schulleiterverbands und ist jetzt seit 17 Jahren Schulleiter im Neuhauser Rosenbergschulhaus. Er trägt den Weg, den man mit «ready 4 teaching» eingeschlagen hat, mit und ist der Meinung, dass der grosse Einsatz – auch jener der Teams, welche die Quereinsteiger unterstützen – nicht vergebens sein sollte. Damit die Programm-Teilnehmer im Schulsystem verbleiben, «brauchen sie aber eine Zukunftsperspektive», ist er überzeugt. Da es sich dabei oft um Personen handle, die schon etwas älter sind, sei es ihnen aber kaum möglich, ein Vollzeitstudium an der PH zu absolvieren. «Mit einer kantonalen Anerkennung könnte eine solche Perspektive geboten werden», sagt er, «dabei soll diese aber so ausgestaltet sein, dass sie genau diese Personen auch adressiert – und nicht die Jungen von einem PH-Studium abhält.» Anders gesagt: Es bräuchte etwa ein Mindestalter, eine Minimalzahl von geleisteten Schuljahren als Lehrperson und definierte Weiterbildungen. Für Balduzzi auch zentral: Es könne sich nur um eine «temporäre Auffangmassnahme» und kein langfristiges Programm handeln.

Roman Staude, Vorstandsmitglied des Schaffhauser Lehrerverbands (LSH), gab sich am Dienstag gegenüber dem «Schaffhauser Fernsehen» zurückhaltend, weil noch unklar sei, wie die Massnahme genau ausgestaltet werde.

Zwischenfazit im Ringen um das Lehrerpatent made in Schaffhausen: viel Kritik und ein bisschen Bereitschaft für das Modell.

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