Tag der Naturwissenschaften: Jung und Alt tüfteln an der Kanti Schaffhausen

Dominic Caviezel | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
Roman Fendt (gelbes Shirt) und Jakob Walter (schwarzes Shirt) von der Naturforschenden Gesellschaft SH zeigen den Kindern Spinnen, Käfer, Blutzellen und Schmetterlingsflügel unter dem Mikroskop. Bild: Michael Kessler

Am Samstag konnten Kinder und Erwachsene auf dem Areal der Kantonsschule Schaffhausen experimentieren und Wissenschaft erleben. Der Tag der Naturwissenschaften sollte Faszination wecken und zu konstruktivem Dialog zwischen Wissenschaft und Bevölkerung beitragen.

«Igitt, sauer!» Alina und Lorin rümpfen die Nase und schauen mit zusammengekniffenen Augen über das hohe Lehrerpult im Biozimmer, den eben angebissenen Zitronenschnitz in der Hand. Nun bekommen beide eine getrocknete Wunderbeere. Etwas kauen auf der Beere, dann noch ein Biss in die Zitrone. Diesmal werden die Augen nicht klein, sondern gross. Die Zitrone schmeckt plötzlich ganz süss!

Ein Stoff in der Wunderbeere hat sich an die Süssrezeptoren in ihrer Zunge gedockt, er kann den Rezeptor aber erst in saurer Umgebung aktivieren. Zitronen schmecken danach für kurze Zeit etwa wie reife Ananas. Am Tag der Naturwissenschaften am Samstag konnten Kinder und Erwachsene in der Kanti probieren, mikroskopieren und experimentieren.

Faszination Weltall

Bereits vor dem Haupteingang stehen zwei Teleskope, die Carl Worms alle paar Minuten neu auf die Sonne ausrichtet. Durch zwei unterschiedliche Lichtfilter kann man unseren nächsten Stern nah und direkt bestaunen. Man erkennt Magnetfelder, so gross wie 10 Erddurchmesser, und mit etwas Glück Plasmaströme, die in einem grossen Bogen ausgespien werden.

Astronomie fasziniert mit ihren schönen Bildern und ihren noch ungelösten Geheimnissen.»

Carl Worms, Vertreter der Sternwarte Schaffhausen

«Astronomie fasziniert mit ihren schönen Bildern und ihren noch ungelösten Geheimnissen. Zudem zeigt sie etwas, das wir Menschen nicht kaputt machen können. Dem Rest des Universums sind wir egal», meint der Hobby-Astronom und Vertreter der Sternwarte Schaffhausen mit einem Lächeln.

Roboter durch Parcours lotsen

Im Alt- und Neubau der Kanti haben verschiedene Fachschaften und Organisationen Zimmer gestaltet und Erlebnisse vorbereitet. Schülerinnen und Schüler des dritten Jahres haben in ihrer Projektwoche Experimente ausgewählt, Versuche aufgebaut und Poster gestaltet. Von Reaktionstests zu Interferenzmustern in der Quantenphysik – die Themen wurden verständlich heruntergebrochen und interaktiv erlebbar gemacht.

Im Zimmer der «go Tec!»-Stiftung musste man aufpassen, nicht auf einen der kleinen, hamsterballartigen Roboter zu treten, die durch einen Fehler im Code die angestrebte Bahn verlassen haben und vor den Eingang gerollt waren. Eifrig wurden hier Codeblocks gereiht und Parameter justiert. Wer seinen Roboter fehlerfrei durch einen Parcours lotste, durfte aufsteigen in die dritte Dimension und eine Drohne programmieren.

Eine Brücke zum Elfenbeinturm der Wissenschaft

Organisiert wurde der Tag durch die Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen (NGSH) in Zusammenarbeit mit der Kanti. Es soll Faszination geweckt, aber vor allem auch der Dialog zwischen Bevölkerung und Wissenschaft gepflegt werden. «Die Coronakrise hat gezeigt, dass das Gespräch um naturwissenschaftliche Themen belastet ist. Es herrscht das Gefühl einer klaren Trennung zwischen der Wissenschaft, die alles besser weiss, und der breiten Gesellschaft.

«Naturwissenschaft ist für mich vor allem Neugierde. Wenn ein kleines Kind ein Schneckenhäuschen aufliest und die Form ganz genau zu verstehen versucht, dann ist das Naturwissenschaft.»

Iwan Stössel, Co-Präsident der NGSH

Dabei sind es Themen, die uns alle beschäftigen und mit denen wir täglich konfrontiert sind. Wir versuchen eine kleine Brücke zum Elfenbeinturm der Wissenschaft zu bauen», erklärt Iwan Stössel, Co-Präsident der NGSH und Dozent an der ETH. «Naturwissenschaft ist für mich vor allem Neugierde. Wenn ein kleines Kind ein Schneckenhäuschen aufliest und die Form ganz genau zu verstehen versucht, dann ist das Naturwissenschaft. Die teils verwendeten High-Tech-Apparaturen sind lediglich eine Fortsetzung davon.»

High Five der Chemielehrerin

Eine spezielle Sichtweise auf die Naturwissenschaften wurde von Märchenerzählerin Fabelara alias Yvette Padovan gezeigt. Zwischen den weichen Klängen eines Windspiels trug sie ätiologische Erzählungen aus aller Welt vor. «Ätiologisch» bedeutet ursächlich. Die Erzählungen erklärten die Welt, bevor die empirische Forschung physikalische Formeln und chemische Moleküle entdeckt hatte.

Zum Beispiel erzählte man sich in Madagaskar, dass vor der Feindschaft zwischen Mensch und Mücke eine Freundschaft stand. Eine so gute sogar, dass ein Mensch und eine Mücke beschlossen, Blutsbruderschaft zu machen. Als die Mücke so erstmals Blut leckte, schmeckte es ihr so gut, dass sie nicht widerstehen konnte, den Mann im Schlaf zusammen mit all ihren Freundinnen zu stechen. Dieser erwachte und wurde so wütend, dass er sie verklatschte. Seither sind Menschen und Mücken Feinde.

Gegen zwei Uhr sammelten sich die Besucher im Innenhof. In weissen Labormänteln trugen Chemielehrer Pablo Zarotti und Rainer Steiger einen grossen Topf mit flüssigem Wachs auf den Platz. Aus einem Behälter an einer langen Holzstange leerten sie von möglichst grosser Distanz etwas Wasser in den Topf. Sofort bildete sich ein riesiger russiger Feuerball, der langsam emporstieg, gefolgt von einer beträchtlichen Hitzewelle. Es folgten Applaus und ein High Five der Chemielehrer.

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren