Voraussichtlich warme, grüne Weihnachten

Alfred Wüger | 
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Im strömenden Regen schlittelte am Mittwoch niemand beim Kreuzweg. Assistenzreporter Laurynas tröstet den einsamen Schneemann. Bild: Alfred Wüger

Obwohl am Mittwoch eine gefährliche Eisesglätte herrschte und der Winter zahlreiche Sturzopfer forderte, die dann die Notfallstation aufsuchten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es im Flachland und damit auch in Schaffhausen weisse Weihnachten gibt, sehr klein. Voraussichtlich warme, grüne Weihnachten.

Oh, wie war die Freude gross am letzten Wochenende beim Blick durch das Fenster hinaus in den noch dunklen Morgen: «Es hat geschneit!» Und dann war es tatsächlich kalt und folglich auch weiss geblieben, und dem Schlittel­spass konnte gefrönt werden. Aber das Vergnügen währte nur kurz. Denn mindestens in den niederen Lagen der städtischen Hügel war die Schneedecke so dünn, dass rasch wieder das Gras hervorkam. Aber da der Boden gefroren war, sausten die Plastikschlitten doch mit erheblichem Tempo zu Tal, und manch ein tollkühner Sportler machte einen unfreiwilligen Salto.

Mittwochmorgen dann war es noch einmal so richtig frostig. Und so spiegelglatt auf den Gehwegen, dass manche Fussgängerin, mancher Fussgänger Schwierigkeiten hatte, heil zur Arbeit zu kommen. Manche kehrten sogar um. Beim Künzle-Heim stürzten kurz hintereinander ein Fussgänger und ein Fahrradfahrer. Dies sagte Polizeisprecherin Cindy Beer auf Anfrage und erwähnte, dass sie selbst auf dem Glatteis ins Rutschen gekommen war. «Ich habe dann erwartet, dass mehr Unfälle passieren würden», sagte sie. Aber vielleicht seien ja nicht alle Vorkommnisse der Polizei gemeldet worden, und weiter: «Auf der Steiner Rheinbrücke war es auf den Trottoirs so eisig, dass Fussgänger auf die Fahrbahn ausweichen mussten.»

Und die Salzequipen? Die seien im ganzen Kanton unterwegs gewesen, so die ­Polizeisprecherin. Trotzdem teilen die ­Spitäler Schaffhausen mit: «Es gab überdurchschnittlich viele Personen, welche die Notfallstation am Kantonsspital in Folge von Stürzen wegen Glätte aufgesucht haben.»

Strömender Regen und Nebel

Dann der schulfreie Nachmittag am Mittwoch. Warum keinen Augenschein auf dem Zelgli nehmen? Gedacht, getan, doch leider Fehlanzeige! Es regnete in Strömen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und also ab die Post. Beim Kreuzweg war niemand. Das heisst, nicht ganz. Ein kleiner Schneemann stand verlassen auf einem Grenzstein. Man konnte sehen, wo am Wochenende dem Wintersport gefrönt worden war: dunkle Streifen im Schnee als Spuren von Schlitten und Skis. Auf dem Parkplatz unterhalb vom Zelgli stand ein leerer Rungenwagen der Waldwirtschaft. Das Reporterteam strich die Segel und kehrte um. Niemand sonst war unterwegs. Aber schön war’s trotzdem, denn Nebel kam die Hänge und Halden hochgekrochen. Am Kreuzweg sahen wir’s dann: Der kleine Schneemann war weg. Wohl vom Stein heruntergefallen. Im Regen.

Zum Bild von Weihnachten gehört allerdings Schnee. Dass dieses Bild nicht un­bedingt immer der Realität entspricht, zeigt nicht zuletzt das amerikanische Lied «I Am Dreaming of a White Christmas». Ein Traum also.

Wenn der Wind von Süden weht

Der Meteorologe Michael Eichmann von der Zürcher MeteoNews AG sagte auf die obligate Frage nach der Wahrscheinlichkeit von weissen Weihnachten: «Die Wahrscheinlichkeit ist klein, sie liegt bei höchstens 20 Prozent.» So nüchtern können Träume also zunichte gemacht werden. Allerdings sei es so, dass grüne Weihnachten im schweizerischen Flachland in den letzten 20 Jahren im Grunde der Normalfall seien. Auch dieses Jahr sei mit warmen Winden von Süden zu rechnen.

«Die Wahrscheinlichkeit für weisse Weihnachten liegt bei höchstens 20 Prozent.»

Michael Eichmann, Meteorologe

Aber schon in einer Witterungsaufzeichnung vom Anfang des 20. Jahrhunderts – zu finden auf der Homepage von Meteo Schweiz – wurde geklagt: «Echte Winterkälte und Schneeherrschaft sind dem Christmonat seit einigen Jahren fast unbekannte Dinge geworden.»

Ein Eindruck, den man in den letzten Jahren ebenfalls gewinnen konnte, ist, dass sich der Winter in Richtung Frühling verschoben hat. Der Osterhase hoppelt dann also vielleicht fröhlich durch tiefes Weiss.

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