Ein erster und ein letzter erster Schultag

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Während Anaïs Textor (l.) noch ganz am Anfang ihrer Schulkarriere steht, nimmt Celina Babekian bereits ihr letztes Jahr in Angriff. Bilder: M. Kessler

Am Montag ging es für Hunderte Schulkinder im Kanton zurück ins Klassenzimmer. Die SN haben zwei Schülerinnen in Stein am Rhein begleitet. Für Anaïs Textor war es der erste Schultag überhaupt, Sekundarschülerin Celina Babekian startete in ihr letztes Schuljahr.

von Kay Fehr, Andreas Kurz

Für knapp 5000 Primarschülerinnen und -schüler und etwas mehr als 2000 Jugendliche in der Sekundarstufe I endeten am Montag die Sommerferien. Die Schulhäuser im Kanton füllten sich wieder mit Leben – so auch in Stein am Rhein. Wir haben zwei Schülerinnen an ihrem ersten Schultag über die Schultern geschaut.

08.25 Uhr, Sek Hopfengarten

Der Pausenplatz des Sekundarschulhauses Hopfengarten ist noch fast leer. Nur zwei Knaben haben es sich bereits auf einem Bänkli bequem gemacht. In einer guten halben Stunde beginnt für sie das neue Schuljahr. Für die Schülerinnen und Schüler der dritten Sek ist es der letzte erste Schultag. Danach werden sie eine Berufsausbildung in Angriff nehmen.

Eigentlich beginnt ein normaler Schultag um 7.45 Uhr, aber am ersten Tag ist alles etwas anders. Auch Celina Babekian startet dort ihr letztes Schuljahr. Die 16-Jährige möchte danach Chemielaborantin werden, aber zuerst gilt es, dieses Jahr erfolgreich zu gestalten. Bevor sich Schülerin und Klassenlehrer kennenlernen, begrüsst Schulleiter Matthias Tanner sowohl Schüler als auch Lehrer auf dem mittlerweile vollen Pausenhof.

09.10 Uhr, Sek Hopfengarten

Als die Jugendlichen das Zimmer betreten, liegt auf jedem Tisch ein Glückschäferli aus Schokolade. Die Jungs schnappen sich die Pulte an der Fensterfront, die Mädchen mehrheitlich jene auf der gegenüberliegenden Seite. Von verschlafenen Gesichtern ist bei den Schülerinnen und Schülern keine Spur. Sie alle tauschen sich angeregt aus – auch Celina Babekian mit Sitznachbarin Amy Mulder –, bis Lehrerin Nicoleta Savin, die neu an der Schule unterrichtet, das Wort ergreift. Im Gegensatz zu ihr bestünde die Klasse bereits aus «alten Hasen», die wüssten, wie es an der Schule zu und her geht, so Savin. Mit einer Packung m&m’s entlockt sie ihren neuen Schülern auch gleich ihren Berufswunsch. Viel Organisatorisches muss erledigt werden, wie üblich am ersten Schultag. Einige Schüler nicken, sie kennen die Schulordnung mittlerweile. Ehe sie sich versehen, ruft sie ein lauter Gong kurz nach 10 Uhr in die grosse Pause. Für Celina die perfekte Gelegenheit, sich mit Amy über die vergangenen Ferien auszutauschen; sie war in Malta im Sprachaufenthalt.

10.16 Uhr, Primarschule Schanz

Mit einem für ihre Grösse riesigen Schulthek am Rücken steht Anaïs Textor auf dem Pausenplatz vor der Mehrzweckhalle Schanz. Für die Sechsjährige beginnt mit dem ersten Schultag ein neuer Lebensabschnitt. Sie sei ein bisschen nervös, sagt sie ganz schüchtern. Als Klassenlehrerin Ria Kramer sie abholt und zu ihren Klassen­gspänli bringt, dreht sich Anaïs immer wieder nach ihrer Mutter um und winkt. Anaïs kommt in eine Klasse mit alterdurchmischtem Lernen, in der Kinder der 1. und der 2. Klasse zusammen unterrichtet werden. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin laufen die Kinder dann in einer Reihe in die Mehrzweckhalle.

10.25 Uhr, Primarschule Schanz

In der Mehrzweckhalle startet der Begrüssungsanlass für die Erstklässler und ihre Eltern. Dazu haben sich alle Kinder in der Halle versammelt. Viele Lehrerinnen und Schulleiterin Vreni Winzeler sind auch da.

«Seid fröhlich, hört gut zu, und bevor ihr etwas Krasses sagt: zählt von zehn zurück auf null.»

Vreni Winzeler, Schulleiterin Primarschule Stein

Anaïs sitzt im Kreis ihrer Klassenkolleginnen auf dem Boden und lauscht der Ansprache der Schulleiterin. Sie hat drei Tipps für die Schulkinder, die auch für die Eltern gelten sollen: «Seid fröhlich, hört gut zu, und bevor ihr etwas Krasses sagt: zählt von zehn zurück auf null.» Winzeler erwähnt ausserdem, dass die Schule Schanz auf dieses Jahr nur ganz wenige neue Lehrpersonen einstellen musste. Dann werden die Erstklässlerinnen und Erstklässler einzeln aufgerufen und auf die Bühne gebeten. Anaïs ist als allerletzte dran und klettert die Stufen zur Bühne hoch. Dort erhält sie, wie alle Kinder, eine Begrüssungskarte mit einem Regenbogen und Farbstifte in den Regenbogenfarben. Als danach alle den Erstklässlern applaudieren, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht.

10.32 Uhr, Sek Hopfengarten

«Das Ziel des Schuljahres soll es sein, dass ihr eine Anschlusslösung findet», sagt Savin nach der grossen Pause. In der Klasse herrscht eine gewisse Unruhe, dort wird gekichert, da unterhält man sich über ein Videospiel. «Ihr seid eine dynamische Klasse – ich mag das sehr», so die Klassenlehrerin schmunzelnd, «es braucht aber auch manchmal Ruhe.» Wissen die Schüler eigentlich auch; aber bei einer neuen Lehrerin müssen die Grenzen wohl noch ausgetestet werden.

10.51 Uhr, Primarschule Schanz

Gemeinsam mit ihren Eltern laufen die Kinder der Klasse Kramer in ihr Schulzimmer. Die Sitzordnung ist so ausgestaltet, dass sich Erst- und Zweitklässler immer abwechseln. Eine ihrer Banknachbarinnen kenne sie bereits, sagt Anaïs. Trotzdem sei sie etwas aufgeregt. Mit ein paar Xylofonklängen beginnt dann die Schulstunde. Lehrerin Ria Kramer begrüsst die Neuen zum ersten Mal als «richtige Erstklässlerinnen». «Wir freuen uns ganz arg, dass ihr hier seid.»

11.04 Uhr, Primarschule Schanz

Als erste Aufgabe erhalten die Erstklässler ein Blatt mit einer Brille, die «Ferienbrille». In die Brillengläser sollen sie Ferienerlebnisse zeichnen. Anaïs öffnet ihr brandneues Etui und zückt die Zeichenstifte. Auf der einen Seite malt sie mit blauer Farbe den Rhein, wo sie schwimmen war. Auf der anderen Seite mit Schwarz den Eiffelturm mit einer grossen Warteschlange vor dem Eingang. Als sie fertig sind, dürfen alle kurz erzählen, was sie gezeichnet haben.

11.18 Uhr, Primarschule Schanz

Ria Kramer liest aus dem Buch «Frau Hoppes erster Schultag als Lehrerin». Während der Geschichte verlassen die Eltern nach und nach das Klassenzimmer. Als die Mutter von Anaïs zum Abschied winkt und die Tür hinter sich schliesst, kullern ein paar Tränen über die Backen von Anaïs. Ria Kramer reagiert sofort und holt sie zu sich. Anaïs darf nun neben der Lehrerin sitzen und direkt ins Buch schauen. Sie wischt sich die Tränen aus den Augen und langsam hellt sich ihr Gesicht wieder auf.

11.27 Uhr, Sek Hopfengarten

Mittlerweile hat Celina mit ihrer Klasse das Zimmer gewechselt: Französisch steht auf dem Plan. «Wie lesen wir ‹ai› auf französisch? Das hatten wir kurz vor den Ferien behandelt. Wie ein ‹ä›», erinnert die Lehrerin. Auch ein Text muss übersetzt werden, natürlich ohne Smartphone als Hilfe. Celina arbeitet im Gang mit zwei Freundinnen zusammen, der Text ist kein Problem für sie. Dann ist auch bereits Mittagszeit, die meisten Schüler gehen in der Zeit nach Hause. «Am Nachmittag habe ich noch eine Doppellektion Werken», sagt sie. Klingt für den letzten ersten Schultag gar nicht so übel.

11.50 Uhr, Primarschule Schanz

Kurz vor 12 Uhr ist der erste Schulvormittag schon wieder vorbei. Die Kinder der Klasse Kramer reihen sich vor der Türe auf. Beim Anstehen und Herumblödeln mit den Klassenkollegen ist das Lächeln auf Anaïs’ Gesicht zurück. Zum Abschied erhalten alle Erstklässler eine Sonnenblume. Auf die Frage, wie es ihr in der Schule gefallen hat, sagt Anaïs: «Gut.» Dann macht sie sich mit einer Klassenkollegin auf den Heimweg.

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