Lehrer werden im Kanton nach wie vor händeringend gesucht

Elena Stojkova | 
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Man müsse eine Offensive für die Attraktivierung der Schulen als Arbeitsort starten, sagen Schulreferenten. Ohne finanziellen Schub aber werde es schwierig. Bild: Key

Im Kanton Schaffhausen findet man nur händeringend ausgebildete, erfahrene Lehrpersonen. Oft stehe man vor dem Entscheid: Will man lieber keine Lehrperson oder eine, die nicht adäquat ausgebildet ist? Lösungen müssen dringendst her, sagen Schulverantwortliche.

Als Stadtschulratspräsident Christian Ulmer das Telefon entgegennimmt, sagt er: Ja, er wolle das Thema Lehrermangel kommentieren. Er habe aber nicht viel Zeit, denn bald komme jemand zum Bewerbungsgespräch. Eigentlich sei es vielmehr so, dass nicht die potenzielle Lehrperson sich bei den Schulverantwortlichen bewerbe, sondern: «Wir bewerben uns bei ihr.»

In Schaffhausen finde man nur händeringend ausgebildete, erfahrene Lehrpersonen. Der Lehrermangel sei zwar nicht neu. Fakt sei aber: «Wir haben wahnsinnig wenig Bewerbungen.» Dass man für eine unbesetzte Stelle aus zwei, drei Kandidatinnen oder Kandidaten auswählen könne, das gibt’s nicht mehr. Maximal jemand bewerbe sich für eine Stelle. «Oft sind wir alternativlos.» Dann beginnt das Abwägen: Will die Schule lieber niemanden oder eine Person, die noch ohne Lehrdiplom oder nicht adäquat beziehungsweise stufen- oder fachgerecht qualifiziert ist?

«Die Bauchwehanstellungen haben massiv zugenommen», sagt Ulmer. Hinzu kommt, dass viele nicht adäquat Ausgebildete schnell ins Straucheln geraten, überfordert sind und sehr viel Unterstützung brauchen. Der Neuhauser Schulpräsident Marcel Zürcher formuliert es so: Kolleginnen und Kollegen müssten die Qualitätsverluste auffangen, dies wiederum belaste sie zusätzlich, führe zu Kündigungen – und kurble die Negativspirale weiter an.

«Es sind nicht wenige, die schnell wieder aus dem Beruf aussteigen. Das ist schlecht für die Kontinuität und Qualität», sagt Ulmer. Die Verweildauer der Lehrpersonen an den Schulen ist das, was auch in Neuhausen am meisten Bauchweh bereitet. Nötig wäre, den Einstieg in den Lehrerberuf mithilfe von Mentorinnen und Mentoren besser zu begleiten, sagt Zürcher. Die Möglichkeiten für Quereinsteigende aus anderen Berufen müssten ausgebaut werden, die Ansprüche an die Auszubildenden dürften dabei aber nicht gesenkt werden. «Schliesslich wäre auch bedenkenswert, das Pensionierungsalter nach oben hin flexibler zu gestalten.»

Fast keine Spontanbewerbungen

Acht Stellen müssen bis im Sommer an der Orientierungsschule Hopfengarten in Stein am Rhein neu besetzt werden. «Spontanbewerbungen auf unsere Inserate gibt es praktisch keine», sagt Schulleiter Matthias Tanner. Lehrpersonen müsse er aktiv suchen, oft seine Verbindungen spielen lassen. Auf der Stufe Sek I – das ist die 7. bis 9. Klasse – seien Lehrerinnen und Lehrer Mangelware. Und selbst wenn jemand zum Bewerbungsgespräch kommt, sind Absagen aufgrund der Anstellungsbedingungen des Kantons nicht selten. Die Folge ist, dass auch schon Klassen vergrössert und zusammengelegt werden mussten.

«Auch in unmittelbarer Nähe – in Thurgau und Zürich – sind die Löhne deutlich besser.»

Matthias Tanner, Schulleiter in Stein am Rhein

Dabei sei der Lohn zwar nicht die einzige Baustelle, aber ein wesentliches Kriterium. Auf der Sekundarstufe liegt Schaffhausen in Sachen Lohnhöhe auf den hintersten Plätzen. «Das ist gravierend, denn auch in unmittelbarer Nähe – in Thurgau und Zürich – sind die Löhne deutlich besser.»

Tanner erzählt von einem Fall, in dem eine Lehrperson aus einem Nachbarkanton sich auf eine Stellvertreterstelle in Schaffhausen beworben hätte. Das Erstaunen sei gross gewesen, als sie mit einem rund 30 Prozent tieferen Lohnangebot konfrontiert wurde. Oft aber komme es gar nicht erst zur Bewerbung, denn die Arbeitssuchenden schauen sich die Lohnbänder vorher an. Das Argument, dass die Mieten in Schaffhausen niedriger seien, das ziehe nicht mehr, sagt Tanner. «Man kann problemlos in Schaffhausen wohnen und zum Arbeiten über die Kantonsgrenze gehen.»

Herzinfarkt und Burnout

Thomas Eggli unterrichtet schon viele Jahre auf der Sekundarstufe in Stein am Rhein. Viel bliebe an ihm und seinen erfahrenen Kolleginnen und Kollegen hängen, sagt er. Denn sowohl ausgebildete Neulehrpersonen als auch nicht stufen- oder fachgerecht Ausgebildete brauchen Hilfe. «Es wäre schön, wenn wir uns wieder auf den Unterricht konzentrieren könnten.» Stattdessen fühle man sich als Manager, der dafür sorgen müsse, dass die Kinder trotz fehlender Lehrpersonen und Ausfällen zu ihrer Bildung kommen. Nicht wenige der Kollegen hätten gesundheitliche Probleme, sagt Eggli. Herzinfarkte, Burnouts – bei ihm selbst war es eine temporäre Gesichtslähmung, die der Stress verursacht hatte.

Tanner nickt, während er Eggli zuhört. «Viele Lehrpersonen haben ein wahnsinniges Pflichtbewusstsein. Sie haben eine Bindung zu den Kindern und würden bis zum Zusammenbruch vor der Klasse stehen», sagt er. «Aber das nimmt man ausserhalb der Schule oft gar nicht gross wahr.» Vielmehr sei der Gedanke präsent, dass eine Schule ja nicht in Konkurs gehen könne. Dass es immer irgendwie gehe. «Über Schulqualität müssen wir dann aber auch nicht mehr reden.»

«Die Ansprüche steigen stetig und der Umgangston gewisser Erziehungsberechtigter trägt nicht zur Motivation bei.»

Guido Meier, Schulreferent Hallau

Ähnlich klingt es beim Schulreferenten der Gemeinde Hallau, Guido Meier, bezüglich der dortigen Primarschule. «Wenn auf Stellenausschreibungen innerhalb von fünf bis sechs Wochen gerade einmal eine Bewerbung eintrifft, spricht das Bände.» Der Lehrermangel sei aber kein lokal isoliertes Problem, auch die Nachbarkantone kämpfen damit. «Leider können sie vor allem mit höheren Löhnen punkten und werden so immer wieder Lehrkräfte aus unserer Schule ab.» Die Lage habe sich an der Primarstufe zugespitzt. In früheren Jahren seien noch einige Bewerbungen aus dem grenznahen Deutschland gekommen, diese Quelle sei nun aber weitgehend versiegt. Ulmer hofft noch auf Bewerbungen aus Deutschland, auch wenn diese rückläufig seien. Auch dort habe man die Bedingungen verbessert, damit die Fachkräfte weniger in die Schweiz abwandern.

Aufgeben nach kurzer Zeit

Die Ursachen für den Lehrermangel seien vielschichtig, sagt Meier. Viele junge, frisch ausgebildete Lehrkräfte geben den Beruf nach ein, zwei Jahren wieder auf. «Die Ansprüche steigen stetig und der Umgangston gewisser Erziehungsberechtigter trägt nicht zur Motivation bei.» Lehrperson zu sein hiesse, exponiert zu sein und verschiedenen Anspruchsgruppen und ihren Vorstellungen von guter Schule gerecht zu werden. «Das ist nicht immer einfach.»

Lehrerlöhne in Schaffhausen

Der Minimal- beziehungsweise Anfangslohn im Kanton Schaffhausen beträgt für Lehrpersonen auf Primarstufe etwa 80 000 Franken pro Jahr. Zum Vergleich: Im Kanton Thurgau sind es zwar ein paar Hundert Franken weniger, in Zürich aber sind es über 92 000 Franken. Auf Sekundarstufe verdient eine Schaffhauser Lehrperson anfangs etwa 86 500 Franken. Im Kanton Thurgau sind es über 94 000, im Kanton Zürich fast 97 000 Franken.

Trotz grosser Bemühungen seitens der Schulleitung, sagt er, konnten dieses Jahr keine der rund 50 zukünftigen Lehrpersonen, die an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen (PHSH) ausgebildet werden, für Hallau begeistert werden. «Wir müssen uns im Kanton Schaffhausen die Frage stellen, ob wir in der momentanen Lage, anstatt jährlich finanzpolitische Reserven zu bilden, nicht besser eine Offensive für die Attraktivierung unserer Schulen als Arbeitsort starten.» Ohne finanziellen Schub werde es schwierig.

Auch in Neuhausen fehlen auf allen Stufen Personen mit der nötigen Ausbildung, wie Zürcher sagt. Die Situation sei angespannter als noch vor ein paar Jahren. «Dies erschwert die Planung fürs kommende Schuljahr, welche vor den Frühlingsferien abgeschlossen werden müsste.»

Die Verbundenheit zur Region habe nicht mehr den Stellenwert wie noch vor rund zehn Jahren. Man stünde in direkter Konkurrenz mit Zürich: Viele PHSH-Studierende bewerben sich in Feuerthalen, Flurlingen, Dachsen. Wer ein Lehrdiplom in der Tasche hat, kann sich den Arbeitsort quasi auswählen. Sich sogar auf mehrere Stellen bewerben und noch in den Sommerferien schauen, welcher Stundenplan am besten gefällt. «Das ist das Schrecklichste, wenn die Leute kurzfristig absagen», sagt Ulmer. «Dann kann man nicht mehr viel machen.»

«Lohnreduktionen abschaffen»

Schulleiter Tanner aus Stein am Rhein ist überzeugt, Schaffhausen könnte sich als Arbeitgeber besser positionieren. Lohnreduktionen bei erfahrenen Lehrpersonen, die fachfremd unterrichten – das müsste man abschaffen, sagt er. Auf diese sei man schliesslich angewiesen. Er schlägt unter anderem Prämien für besonders verdiente Lehrpersonen oder Entlastungsstunden für die Unterstützung von über- oder unterqualifizierten sowie Lehrpersonen aus Deutschland vor. Auch hätten die Lehrpersonen in Schaffhausen zum Teil doppelt so lange Kündigungsfristen wie solche in anderen Kantonen.

Die Schulverantwortlichen sind sich einig: Es muss dringendst etwas gehen. Denn es gehe hier um die Kinder – und damit um die Zukunft.

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