Mit dem Velo gestürzt: Deutscher kommt zwei Tage hinter Gitter

In der Schaffhauser Neustadt fällt ein 66-Jähriger mit dem Fahrrad hin und muss ins Spital. Danach ermittelt die Staatsanwaltschaft - und der Mann verbringt 48 Stunden in Einzelhaft.
Es ist ein schöner Tag, als sich Sigi Suhr (66) im vergangenen Sommer zu einer Velotour aufmacht. Der Deutsche fährt mit dem Zug nach Schaffhausen - und hier nimmt sein Unglück seinen Lauf. In der Neustadt übersieht er eine der Bodenwelle und stürzt. Beim Unfall bricht er sich mehrere Rippen und muss ins Spital gebracht werden. Alkohol hat er keinen im Blut, andere Personen hat Suhr nicht verletzt und auch nichts kaputtgemacht. Dennoch wird er noch im Spital von der Polizei befragt - dass es dabei um mehr als eine Routinebefragung geht, wird Suhr erst später klar.
Denn sechs Wochen später erhält der Deutsche Post von der Schaffhauser Staatsanwaltschaft. Sie stellt einen Strafbefehl gegen den Freiburger aus wegen «Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeherrschen des Fahrzeugs». 150 Franken wären fällig - 150 Franken, die sich Sigi Suhr weigert, zu bezahlen. Stattdessen akzeptiert er zähneknirschend lieber die Ersatzstrafe: Zwei Tage und zwei Nächte im Gefängnis. Anfangs Januar muss er seine Freiheit zwischenzeitlich aufgeben. «Sie haben mir am Morgen noch angeboten, das Geld zu bezahlen. Aber ich habe es durchgezogen», sagt Suhr im «Südkurier».
«Einzelfall wird beurteilt»
Ist jemand, der mit seinem Velo hinfällt, also ein Verbrecher? Es gehe um den Sturz an sich, sagt Andrea Schilling von der Staatsanwaltschaft Schaffhausen. Ein Nichtbeherrschen des Fahrzeugs sei dann strafbar, wenn es auf einem Fahrfehler oder einer Fehleraktion des Lenkers beruhe, sagt sie dem «Südkurier». Aber nicht jeder, der mit dem Fahrrad einen Unfall baut, muss automatisch eine Busse zahlen oder ins Gefängnis. Es würde zu weit gehen, sämtliche Fallkonstellationen und Straffolgen abzuhandeln, die einem Fahrradfahrer drohen. Es wird der jeweils konrekt vorliegende Einzelfall beurteilt», sagt Schilling.
«Habe das Zeitgefühl verloren»
Sigi Suhrs Fall sieht so aus, dass er an jenem 6. Januar ausser einem Buch zum Zeitvertreib nichts in die Zelle mitnehmen darf - auch kein Natel und keine Zahnbürste. «Der Raum und die Bettwäsche haben bestialisch nach Rauch gestunken», erinnert sich der Rentner. Am zweiten Tag habe er das Zeitgefühl in der kahlen Zelle verloren. «Ich habe mich eigentlich nur an den Kirchenglocken orientiert und die Stunden gezählt.»
Nach 48 Stunden in Einzelhaft und einem jeweils 45-minütigen Hofgang mit den anderen Gefangenen ist Suhr wieder ein freier Mann. Und trotz der Erinnerungen, die ihn noch immer nicht ganz loslassen, sagt er: «Wenn ich so ein Urteil noch einmal kriege, würde ich es wieder machen.»