Fälle werden häufiger weitergezogen
Weil die Schaffhauser Justizbehörden die geforderten zusätzlichen Stellenprozente bekommen haben, hat sich die Belastung etwas reduziert. Damit könnte es aber schon bald wieder vorbei sein.
Mehr Fälle
740 Fälle verzeichnete das höchste Schaffhauser Gericht im Jahr 2018. Ein Jahr zuvor waren es noch 704 gewesen.
Es waren dramatische Worte gewesen, die Obergerichtspräsidentin Annette Dolge letztes Jahr im Frühling gewählt hatte. Die Geschäftslast bei einzelnen Schaffhauser Justizbehörden habe teilweise ein unzumutbares Ausmass angenommen, hatte sie bei der Vorstellung des Amtsberichts 2017 des Schaffhauser Obergerichts gesagt – und mehr Personal gefordert. Heute, ein Jahr später, habe sich die Situation etwas entspannt, sagte Dolge an der Präsentation des Amtsberichts 2018, der über die Tätigkeit der Justizbehörden berichtet. «Diese sind in einem guten Zustand.» Zu verdanken sei das mitunter den Stellenaufstockungen, die der Kantonsrat genehmigt hatte. «Nun können wir unsere Rückstände aufholen und die Pendenzenlast in den nächsten Jahren wieder auf ein normales Niveau führen», so Dolge.
Aufwendiger Indizienprozess
Die Arbeitslast, hielt Dolge fest, sei nach wie vor hoch. Das Obergericht selbst verzeichnete 2018 insgesamt 740 Fälle, 36 mehr als im Vorjahr. «Wir konnten aber auch mehr Fälle erledigen und darum die Pendenzen leicht reduzieren», so Dolge. Besonders viel zu tun gegeben habe der Indizienprozess zum Mordfall Hemmental. Daneben verzeichnete das Gericht zahlreiche Fälle von häuslicher Gewalt.
Beim Kantonsgericht wurde 2018 im Vergleich zum Vorjahr zwar eine Verdoppelung der Falleingänge bei den Zivilkammern festgestellt (+32), die Geschäftslast lag bei 76 Fällen. Die Zahlen entsprechen aber insgesamt etwa dem langjährigen Mittel. Im Teilbereich der selbstständigen Klagen aus Kindsrecht/Scheidungsabänderungen sind die Fallzahlen hingegen zum dritten Mal hintereinander stark angestiegen. Bei den Einzelrichtern in Zivilsachen und in Strafsachen sanken die Fälle.
Sowohl Dolge als auch Kantonsgerichtspräsident Markus Kübler betonten, dass heute deutlich mehr Fälle an die nächste Instanz weitergezogen würden als noch vor einigen Jahren. «Wenn etwa ein Landesverweis ausgesprochen wird, kann man fast sicher sein, dass dieser nicht akzeptiert wird», sagte Kübler.
Wie 2017 gab es letztes Jahr an den Gerichten zahlreiche personelle Änderungen. Ausgelöst wurden sie durch Cornelia Stamm Hurter, die vom Obergericht in den Regierungsrat wechselte. In der Folge mussten Stellen am Ober- und Kantonsgericht neu besetzt werden.
Rekordhohe Betreibungen
Einen Rekordstand erreichte die Zahl der Betreibungen, die auf dem Betreibungsamt registriert wurden: Sie stieg um 1,2 Prozent auf total 23 782. Die grösste Steigerung wurde bei der Regionalstelle Klettgau mit 7 Prozent verzeichnet, bei der Regionalstelle Stein gab es hingegen 13,4 Prozent weniger Betreibungen. Da mittlerweile 73 Prozent der Betreibungsbegehren elektronisch eingereicht werden, sei die Arbeitslast der Mitarbeiter aber stabil geblieben, sagte Dolge.
Eine Änderung gab es beim Friedensrichteramt: Per 1. Januar 2018 wurden die Friedensrichterkreise Schaffhausen, Stein, Reiat und Klettgau zusammengeschlossen; die Fälle werden nun kreisunabhängig gleichmässig auf die Friedensrichter verteilt, die in der Stadt Schaffhausen tätig sind. Die Reorganisation habe sich gelohnt, sagt Dolge. «Die Abläufe sind effizienter geworden.» Von 391 zu bearbeitenden Fällen wurden 331 Verfahren erledigt. «Mit ihrer Arbeit entlasten die Friedensrichter die nachfolgenden Gerichte – und auch die Streitparteien, weil Gerichtsprozesse schnell ins Geld gehen können.»
Weiterhin hoch bleibt die Arbeitslast der Kesb. Letztes Jahr gingen 2600 neue Geschäfte ein; 2742 konnten erledigt werden, 1086 blieben offen. Ende 2018 wurden 350 Kindesschutzmassnahmen (-8) und 809 Erwachsenenschutzmassnahmen (+11) geführt. Um 20 Prozent zugenommen hat die Zahl der öffentlich beurkundeten Vorsorgeaufträge. «Die zusätzlichen 180 Stellenprozente waren dringend nötig», sagt Kesb-Vizepräsidentin Denise Freitag. Nun könne man die Effizienz der Kesb überprüfen und eine Reorganisation angehen. «Wir können aber schon heute viele Fälle effizient erledigen.»
Mehr Fälle erwartet
Zusätzliche Stellenprozente wolle man in nächster Zeit nicht beantragen, sagte Kantonsgerichtspräsident Kübler. «Die Staatsanwaltschaft hat aber angekündigt, dass wir dieses und nächstes Jahr mit zahlreichen Anklageerhebungen rechnen müssen.» Dann werde die Arbeitslast nochmals steigen, und allenfalls müsse man dann über weitere Personalaufstockungen nachdenken. Dolge pflichtete ihm bei. Zwei Gerichtsschreiberstellen, welche die Kantonsregierung ausserordentlich bewilligt hatte, sind auf zwei Jahre befristet. Auf dieses zusätzliche Personal könne man aber nicht mehr verzichten, sagte Dolge gestern. Sonst werde die Zahl der Pendenzen wieder steigen. «Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Fälle ist heute im interkantonalen Vergleich zu lange.»
Kindergärtnerinnen-Löhne: Beschwerde abgelehnt
Das Obergericht hat letztes Jahr einen aufwendigen Fall abgeschlossen: Am 28. Dezember befand es ein letztes Mal über die Löhne von Schaffhauser Kindergärtnerinnen. Konkret hatte das Gericht noch zu entscheiden, ob eine Gruppe von Kindergärtnerinnen gegenüber Berufseinsteigerinnen ungleich behandelt wurde – und hat die Beschwerde der Frauen abgewiesen.
Bereits im Februar 2018 hatte sich das Bundesgericht mit den Kindergärtnerinnen beschäftigt. Die 24 Frauen hatten beklagt, sie seien in einem typischen Frauenberuf diskriminierend entlöhnt worden. Sowohl das Erziehungsdepartement als auch der Regierungsrat bestritten eine Diskriminierung. Das Obergericht hingegen gab ihnen recht, worauf die Regierung ans höchste Gericht gelangte (die SN berichteten). Dieses stützte schliesslich den Entscheid des Regierungsrats. (heu)