Würdiger Gedenkanlass in der Steigkirche

Mark Liebenberg | 
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Erinnern an den schwarzen Tag: Die Schaffhauser Stadtmusik umrahmte die Gedenkfeier in der Steigkirche. Bild: Selwyn Hoffmann

Gestern hat die Stadt der Bombardierung Schaffhausens vom 1. April 1944 gedacht. In Ansprachen fanden Bundesrätin Karin Keller-Sutter und US-Botschafter Ed McMullen persönliche Worte.

Um punkt 10.55 Uhr läuteten gestern auf dem Stadtgebiet die Glocken. Sie erinnerten an die tragische Bombardierung der Stadt Schaffhausen vor exakt 75 Jahren durch die US-Luftwaffe. In einer offiziellen Feier in der Steigkirche gedachte die Stadt der 40 Menschen, die bei dem Ereignis ihr Leben liessen. Unter den Gästen waren auch 20 Menschen, die an jenem 1. April 1944 einen Familienangehörigen verloren.

Mahnende Worte, aktuelle Bezüge

Bundesrätin Karin Keller-Sutter erinnerte als Vertreterin der Landesregierung an den schwarzen Tag, «als der Krieg buchstäblich aus heiterem Himmel über die Stadt Schaffhausen hereinbrach». Sie zitierte in ihrer Ansprache auch aus einer Rede, die der damalige Stadtpräsident Walter Bringolf an der Trauerfeier gehalten hatte. «Diese einfühlsamen Worte haben mich sehr beeindruckt», sagte Keller-Sutter.

«Die Schweiz ist keine Insel – auch das lehrt uns die Bombardierung.»

Karin Keller-Sutter, Bundesrätin

Die freundeidgenössische Solidarität, die in der Folge der Bombardierung wirksam wurde, lobte die Magistratin als noch heute beispielhaft. Daraus zog die Neu-Bundesrätin auch Lehren. «Die Schweiz ist keine Insel – auch das lehrt uns die Bombardierung. Es wäre unverantwortlich, unsere Sicherheit nicht in die eigene Hand zu nehmen, und auch unsolidarisch den europäischen Nachbarn gegenüber», mahnte sie. Die Schweiz sei zwar heute glücklicherweise von lauter befreundeten Ländern umgeben, aber islamistisch motivierter Terrorismus, die Situation beim Schutz der EU-Aussengrenzen, welche die Gemeinschaft in eine Krise stürze, und ein Russland, welches gewillt ist, seinen Gebietsanspruch militärisch durchzusetzen, würden für eine Destabilisierung der weltpolitischen Lage sorgen. Ein Bonmot Macchiavellis aufnehmend, sagte die Bundesrätin, wir seien «gut beraten, in der Meeresstille an den Sturm zu denken». Dies müsse man im Hinterkopf behalten, wenn es in naher Zukunft um die Erneuerung der Schweizer Luftverteidigung gehen wird.

An die grossen Leistungen der Stadt in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Katastrophe erinnerte Stadtpräsident Peter Neukomm. «Es ist rückblickend sehr beeindruckend, wie schnell, wirkungsvoll und besonnen unsere Vorfahren auf das Ereignis reagiert und die Lage innert kurzer Zeit in den Griff gekriegt haben. In der Not sind alle zusammengestanden um zu helfen.» Keine einfache Aufgabe angesichts von fast 500 Menschen, die ihr Obdach verloren hatten und rund 1000 Arbeitsplätzen, die zerstört wurden. «Schaffhauserinnen und Schaffhauser haben vor 75 Jahren am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet vom Krieg betroffen zu sein», so Neukomm. Dessen solle man sich auch heute eingedenk sein, wenn die EU, das «grosse Friedensprojekt für Europa», so Neukomm, jetzt in Bedrängnis sei. «Leider erstarken heute wieder nationalistische, fremdenfeindliche und antisemitische Kräfte.» Umso wichtiger sei es, an die grausamen Folgen der daraus entstandenen Kriege zu erinnern.

«Mahnmal für Tragik des Krieges»

Der US-Botschafter in der Schweiz, Ed McMullen, war in Begleitung eines Vertreters der US-Luftwaffe nach Schaffhausen gekommen. «Es ist für mich eine grosse Ehre, an dieser feierlichen Stunde des Gedenkens meinen Präsidenten und das amerikanische Volk vertreten zu dürfen», sagte McMullen. Er erinnerte daran, dass die amerikanische Seite für den «tragischen Unfall» sofort die Verantwortung übernommen hat für den Irrtum, dem die US-Piloten vor 75 Jahren erlegen waren. Er wolle dies auch heute bekräftigen. «I am sorry», sagte McMullen.

«Es ist im Rückblick sehr beeindruckend, wie schnell, und wirkungsvoll unsere Vorfahren die Lage in den Griff gekriegt haben.»

Peter Neukomm, Schaffhauser Stadtpräsident

Der Botschafter erinnerte aber auch daran, dass die Flugzeuge damals unterwegs waren, um den Krieg zu beenden. «Insofern sind jene Menschen, die in Schaffhausen gestorben sind, ein Mahnmal für die Tragik des Kriegs, und keine Geldmenge kann sie ersetzen.» Sein Land habe den Schaden schlussendlich mit rund 40 Millionen Dollar vergolten, was etwa einer Viertelmilliarde heutiger Dollar entspreche, rechnete der Diplomat vor. «Dafür kann man sagen, dass das Band zwischen den USA und der Schweiz heute stärker ist als je.»

Im Anschluss an ein historisches Referat von Matthias Wipf  besuchten die Gäste die am Samstag offiziell startende Ausstellung «Bomben auf Schaffhausen» im Museum zum Zeughaus.

Stille Trauer Gedenken auf dem Waldfriedhof

«Erinnern wir uns nicht nur an die kalten Zahlen der Opfer, sondern an die Gesichter der Menschen», sagte der evangelisch-reformierte Pfarrer Martin Baumgartner (vorne) gestern auf dem Waldfriedhof. Er und Urs Elsener, katholischer Pfarrer, gestalteten die Kranzniederlegung auf dem Waldfriedhof. Zuvor hatten sämtliche Kirchenglocken auf dem Stadtgebiet geläutet. (Bild: Selwyn Hoffmann) 

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