Bye-bye, Bushäuschen

Zeno Geisseler | 
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Bushäuschen wie dieses hier in Buchthalen würden als kompletter Neubau zwischen 60'000 und 80'000 Franken kosten. Bild: Zeno Geisseler

Getäferte Decke, heimelige Holzbank, bunte Lackierung: Kein anderes Schaffhauser Gebäude atmet den Geist der Siebzigerjahre wie die Wartekabinen an den Bushaltestellen. Jetzt naht ihr Ende.

Etwa alle acht bis zwölf Jahre wechseln die Schaffhauser Verkehrsbetriebe ihre Busse aus. Viel langlebiger sind jene Orte, welche die Busse auf ihren Touren besuchen: die Bushäuschen an den Haltestellen. Seit rund 40 Jahren stehen in Schaffhausen und zum Teil auch in Neuhausen Dutzende karminroter Stahlblechhäuschen. Sie sind Teil des urbanen Mobiliars geworden.

Die Häuschen wurden zweckmässig eingerichtet. Es gibt grosse Fenster, die an die Scheiben der Fahrzeuge erinnern. Es hat eine Sitzbank, in Holzton oder rot lackiert. Es gibt einen Abfallkübel, manchmal Briefkästen und sogar Aschenbecher. Und an den Endhaltestellen wurden Toiletten eingebaut. Diese sind allerdings nur für das Buspersonal gedacht.

Wer vor dem Häuschen steht und nach oben blickt, sieht den Haltestellennamen in Grossbuchstaben: TRUBEGÜETLI, zum Beispiel. Setzt man sich auf die Bank und legt den Kopf in den Nacken, entdeckt man heimeliges Täfer an der Decke – ein Hauch von Luxus im Innendekorationsstil der Siebzigerjahre. Sonst sind die Häuschen recht simpel. Es gibt zum Beispiel keine Billettautomaten. Der Grund? «Die Stromversorgung ist an die Strassenbeleuchtung gekoppelt», sagt VBSH-Sprecher Christoph Wahrenberger. «Sobald das Licht ausgeschaltet wird, würden auch die Automaten heruntergefahren.» Einzeltickets werden im Automat im Bus gelöst – oder dann gleich auf dem Mobiltelefon.

Ausserdem fehlt den Häuschen eine Heizung. Ist ja klar, denkt man in den Zeiten der Klimastreiks, wer heizt schon Bushäuschen? Früher aber waren wohlig-warme Haltestellen sogar ein Wahlkampfthema. Bei den Stadtratswahlen 1984 schossen die Unterstützer von Stadtrat Jörg Aellig gegen den grünen Kandidaten Hans-Georg Bächtold. Dieser habe den Schaffhausern nämlich geheizte Bushäuschen versprochen, «womöglich mit Atomstrom betrieben», ätzte ein Wahlkampfinserat in den SN. Aellig, der ­Vernünftige, setze sich hingegen für ungeheizte Bushäuschen ein. Prompt wurde er wiedergewählt, und die Bushäuschen blieben kalt.

Reklamation am falschen Ort

Stimmt etwas mit den Häuschen nicht, dann landet eine Reklamation als erstes bei den VBSH. Es sind ja Bushaltestellen. Doch die Verkehrsbetriebe seien gar nicht zuständig für den Unterhalt der Anlagen, sagt Mediensprecher Wahrenberger. «Das erledigt das Tiefbauamt. Es leert auch die Mülltonnen und reinigt die Bänke. Gibt es ein Problem mit dem Strom, ist hingegen das kantonale Elektrizitätswerk gefragt.» Einzig für den Haltestellenfahrplan seien die Verkehrsbetriebe zuständig.

Eingeführt wurden die Bushäuschen in den späten Siebzigerjahren. Aber nicht von den Verkehrsbetrieben und auch nicht von der Stadt, sondern von der Plakatgesellschaft. Heute würde man von einer Public-private-Partnership sprechen. Und von einer Win-win-Situation: Die Plakatgesellschaft stellte der Stadt die Häuschen gratis zur Verfügung, im Gegenzug erhielt sie das Recht, die Häuschen mit Werbung zu tapezieren. Aufgebaut wurden die neuen Kabinen allerdings nur an bestimmten Haltestellen. So ein Häuschen braucht Platz. Dort, wo es eng ist, gibt es bis heute bloss eine Tafel und höchstens noch eine Sitzbank.

Es gibt aber auch Stationen, wo es die Stahlblechhüttchen gar nie brauchte. An einigen Orten, oft frühere Tramhaltestellen, gibt es prächtige Wartehäuser in Massivbauweise, mit geziegeltem Dach und ­öffentlichen Toiletten. So etwa an der Quellenstrasse auf der Breite. Oder bei Georg ­Fischer im Ebnat. Beim Mühlentor, auch das eine frühere Tramhaltestelle, erinnert das Wartehäuschen mit seinen vermoosten Ziegeln und seinen aufwendig gestalteten Kalkquadern eher an ein Ferienhaus in den Bergen als an einen profanen ÖV-Haltepunkt. 1991 erhielt das historische Mühlentorrustico eine moderne Schwester, als auf der anderen Strassenseite und ziemlich weit versetzt ein rotes Stahlblechhäuschen aufgestellt wurde.

45 Buswartehäuschen, schrieben die SN 1998, wurden insgesamt von der Plakat­gesellschaft finanziert. Heute besitzt die Stadt insgesamt 81 Wartehäuschen. Davon sind neun Stück fest oder aus Mauerwerk, so wie an der Quellenstrasse oder beim Mühlentor. Bleiben 72 Stück von den roten oder von neuen grauen, sagt Tina Nodari vom städtischen Tiefbauamt. Insgesamt gibt es 222 Haltestellen.

Weshalb die Häuschen rot sind

Geht man der Herkunft der karminroten Häuschen nach, stösst man bald auf einen unerwarteten Namen: Franke. Die Franke Group ist ein riesiger Schweizer Konzern mit fast 9000 Mitarbeitern und über zwei Milliarden Franken Umsatz. Bekannt ist Franke heute vor allem für seine Küchensysteme oder Badarmaturen, doch vor vierzig Jahren war die Firma auch im Fassaden- und Metallbau tätig.

«Franke-Wartehäuschen mit den freundlichen Farben und schönen Formen sind die gern gesehenen Visitenkarten jeder Stadt.»

Aus einer Werbung, 1980er-Jahre

«Franke-Wartekabinen mit den freund­lichen Farben und schönen Formen sind die gern gesehenen Visitenkarten für jede Stadt und Gemeinde, und sie fördern die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel», hiess es in einer zeitgenössischen Werbung in einer Fachzeitschrift.

Für Franke waren die ÖV-Kabinen lange Teil des Geschäfts. «Als mein Vater 1975 Franke erwarb, wurden diese Bushäuschen bereits hergestellt», erzählt der heutige ­Inhaber der Franke Group, Michael Pieper. «Diese wurden von uns in der ganzen Schweiz, aber auch im nahen Ausland verkauft. Mitte bis Ende der Neunzigerjahre wurde die Produktion des Metallbaus eingestellt und Teile davon einem Konkurrenten verkauft.»

«Als mein Vater 1975 Franke erwarb, wurden diese Bushäuschen bereits hergestellt.»

Michael Pieper, Inhaber Franke Group

Warum Schaffhausen unter den «freundlichen Farben» des Herstellers ausgerechnet ein dunkles Rot auswählte, ein Ton, der weder mit Schaffhausen noch den VBSH verbunden ist, scheint aus heutiger Sicht nicht ganz klar. Der damalige Stadtbaumeister Markus Werner sagte dazu 1980 den SN nur: «Die Leute reagieren besser auf Rot als etwa auf ein scharfes Grün.»

So teuer wie ein Auto

13'000 Franken kostete 1980 eine Wartekabine, Sitzbank, Beleuchtung und ­Beschriftung inbegriffen. Dies entspricht rund 24'000 Franken heute. Viel Geld, das die Stadt dank der Vereinbarung mit der Plakatgesellschaft sparen konnte. Schaffhausen liess sich aber nicht alle Häuschen sponsern. In einem SN-Bericht von 1980 heisst es, dass die Stadt selbst ebenfalls sieben Kabinen kaufte. Diese wurden an den Stationen Winkelriedstrasse, Waldfriedhof, Gräfler, Sandlöchli, Riet und Grubenstieg aufgestellt. Für 1981 waren weitere 80'000 Franken im Budget für neue Bushäuschen vorgesehen, was für sechs weitere Kabinen reichte.

Es spricht für die Qualität des Baus und für den Unterhalt der Stadt, dass viele der roten Häuschen auch nach vier Jahrzehnten bei Wind und Wetter noch stehen. Doch auf ihrem Lebensweg ist die Endstation in Sicht. Wasser und Salz haben vielen Häuschen zugesetzt. Noch etwa zehn, fünfzehn Jahre, höchstens, werden die Unterstände Teil des Stadtbilds sein, sagt Tina Nodari. An gewissen Orten sind sie schon verschwunden, an der Hochstrasse etwa.

Rein finanziell ist das Ende der roten Bushäuschen kein Nachteil. Wie Nodari vorrechnet, kostet allein der Unterhalt pro Häuschen alle zehn bis zwölf Jahre 12'000 Franken. «Aufwändig sind vor allem die Flachdachkonstruktion und die Seitenelemente, die bei der Anbringung von Graffiti jedes Mal neu gespritzt werden müssen.» Ausserdem seien die Häuschen nicht sehr praktisch. Die Busfahrer könnten schlecht einschätzen, ob Personen im Häuschen warteten, und auch das Anbringen des Fahrplans sei schwierig. Weiter sei die ­Beschriftung nicht regelkonform. Statt den Grossbuchstaben auf der Metallplatte müssen Haltestellen heute an den Kopfseiten angeschrieben werden.

Wird heute eines der roten Vintage-Franke-Bushäuschen beschädigt, kann es unter Umständen repariert werden. Das Tiefbauamt verfügt noch über Ersatzteile. Komplett neu aufgebaut würde ein zerstörtes Häuschen aber nicht mehr. «Das würde die Stadt inklusive Fundation zwischen 60'000 und 80'000 Franken kosten», sagt Nodari. Stattdessen werden neue Typen ­errichtet, die vor allem aus Glas bestehen und von einem lokalen Unternehmen hergestellt werden. Sie kosten pro Stück rund 18'000 Franken.

Kommentare (1)

Walter Boetsch Sa 23.03.2019 - 17:41

Kann mir jemand sagen was der Grund da für ist das die Bushäuschen weg müssen?
Hoffe das es dann auch ein Neues Bushäuschen an der Felgasse Rebhang geben wirt

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