Der vergessene Adel von Schaffhausen: Das Geschlecht der von Fulachs

Ralph Denzel | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
Die vom Museumsverein ersteigerte Wappenscheibe zeigt einen betenden Ritter und das Wappen der Schaffhauser Familie von Fulach. Bild: zVg/Museum Allerheiligen

Der Name von Fulach ist in Schaffhausen in Vergessenheit geraten - was verwunderlich ist: Das Adelsgeschlecht war früher überaus mächtig und beeinflusste die Entwicklung der Stadt massgeblich.

Die Geschichte ist durchzogen von Familiennamen, die gleichbedeutend mit Macht, Intrigen, aber auch Korruption und Gewalt sind. Die Familie Medici in Florenz, die Familie Borgia, die zwei Päpste stellte, die Fugger, eines der reichsten Geschlechter des Mittelalters – und die Familie von Fulach, die das Schaffhauser Leben im Mittelalter prägte, wie kaum ein anderes Geschlecht. Sie stellten Äbte, Bürgermeister, Ratsherren und waren mitverantwortlich für einen Krieg.

Wie die von Fulachs nach Schaffhausen kamen

Die von Fulachs kamen wahrscheinlich aus einem profanen Grund nach Schaffhausen: Hier konnte man schnell im Ansehen aufsteigen. Im Jahr 1080 schenkte Burkhard von Neuenburg die Stadt Schaffhausen dem Kloster Allerheiligen. Dieses vermag aber mit der neu gewonnenen Verantwortung nicht umzugehen. Der Historiker Karl Schib schrieb in seiner Abhandlung «Der Schaffhauser Adel im Mittelalter» dazu: «Das Kloster ist damals Herr der Stadt, ist Eigentümer eines Immunitätsgebietes und hat ausgedehnten Grundbesitz. Wie wir gesehen haben, war das Kloster aber nicht imstande, die Ausübung der damit verbundenen Rechte durch einen Dienstadel besorgen zu lassen; es war gezwungen, den Weg der Erbleihe zu beschreiten, das heisst, es musste die Hoheitsrechte gegen einen Lehenszins veräußern.» Hier kommt die Familie von Fulach ins Spiel.

Die Wappen der Familie von Fulach über die Jahrhunderte. Quelle: chgh.ch

«Die Möglichkeit, in Besitz eines Lehens zu kommen, lockte nun Adlige der ganzen Umgebung in die Stadt», so Karl Schib – unter anderem auch die Familie von Fulach. So wird die Familie einige Jahre später als Besitzer mehrere Liegenschaften in Schaffhausen das erste Mal namentlich erwähnt. Damit ist ihr Aufstieg aber noch nicht vorbei – er geht jetzt erst richtig los.

Bürgermeister, Äbte und Vögte – die Familie zementierten ihre Macht

Der Autor Johann Jakob Schalch schreibt über die Familie in seinem Buch «Erinnerungen aus der Geschichte der Stadt Schaffhausen» aus dem Jahr 1834 folgendes: «Eines der ausgedehntesten, reichsten und angesehensten Geschlechter waren die Herren von Fulach. […] Über 400 Jahre blühten sie in unserer Stadt.» Die von Fulachs waren jedoch nicht nur material reich, sondern hatten auch politischen Einfluss. Den Anfang machte Johann von Fulach, der 1291 in den Rat gewählt wird. Von dort an sitzt praktisch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts immer ein Vertreter der Familie im selbigen. Irgendwann zwischen 1417 und 1422, die Quellen sind dort nicht ganz eindeutig, wurde ein Conrad von Fulach sogar Bürgermeister der Stadt. Seine Tochter, Agnes von Fulach, wurde im Jahr 1444 Priorin des Benediktinerklosters St. Agnes. Dank dem Reichtum ihrer Familie stiftete sie unter anderem einen Altar für das Kloster. Auch ein Abt geht aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Geschlecht hervor: Laut dem historischen Lexikon der Schweiz war Wilhelm von Fulach, geboren am 29. Juni 1517, später Abt von Pfäfers. Ob er sicher zu dem Geschlecht der von Fulachs zählt, ist allerdings umstritten.

Die Familie macht sich jedoch nicht nur im geistlichen Bereich einen Namen: Auch mehrere Ritter und ranghohe Soldaten zählte das Geschlecht: So war ein männlicher von Fulach 1530 ein Hauptmann in Frankreich, ein Stelhans von Fulach wurde nach einem Feldzug gegen Tunis und Algier von Kaiser Karl V. zum Ritter geschlagen. 

Im Besitz des Allerheiligen: Eine Wappenscheibe mit dem Wappen der Familie von Fulach. Bild: zVg/Museum Allerheiligen

Macht und Einfluss hatten die Fulachs aber nicht nur wegen ihrer Ratstätigkeit, sondern auch, weil sie kontinuierlich Ländereien, Gebäude und Rechte kauften. So ging im Jahr 1359 unter anderem einen Drittel der Vogtei Thayngen an die Familie, 1370 erhielten sie das Recht auf den Zehnten von Gailingen, eine Art Steuer. Drei Jahre später bekamen sie die Herrschaft über Rüdlingen-Buchberg-Ellikon und 1378 den Zehnten und Güter «zu Barzheim».

Auch das Schloss Laufen beim Rheinfall ging in den Besitz der von Fulachs. Allerdings wussten wohl weder die von Fulachs noch die Stadt Schaffhausen damals was für Konsequenzen dieser Kauf nach sich ziehen würde.

Die Fehde zwischen den von Fulachs und Bilgeri von Heudorf

Ein  weiterer Name, der untrennbar mit der Stadt Schaffhausen und auch dem der von Fulachs verbunden ist, ist derjenige von Bilgeri von Heudorf. Ein Ritter aus einem alten, schwäbischen Geschlecht. Seine Familie war bestens vernetzt in der damaligen Zeit. Sein Schwager war Hermann III. von Breitenlandenberg, Bischof von Konstanz von 1466 bis 1474. Er war zudem eng verbunden mit mehreren Monarchen, wie zum Beispiel dem österreichischen Herzog Sigmund, bei dem er ab 1455 als Rat tätig war.

Bilgeri von Heudorf (rechts) erhält das Stadtrecht, Zeichnung an einer Wand in Tiengen. Bild: Wikimedia

Bilderi von Heudorf war ein mächtiger Mann unter anderem auch Herrscher von Tiengen - und erhob aufgrund seines Titels auch Anspruch auf die Burg Laufen – die allerdings in der Hand der von Fulachs war. Daraus entstand ein handfester Streit zwischen den beiden Parteien, welcher später zur Belagerung und einer spektakulären Flucht der «von Fulachs» von der Burg führte.

Die Burg blieb aber nicht lange im Besitz des Ritters von Heudorf. Einige Jahre später schlichen Männer des Schaffhauser Adelsgeschlechts ins Schloss, töteten dort den Verwalter und dessen Sohn und nahmen so die Burg wieder ein.

Ob Bilgeri von Heudorf jemals einen Fuss in das Schloss Laufen setzte, ist nicht klar. Der Historiker David Nüscheler schreibt in seinem Werk «Geschichte des Schweizerlandes 2» jedoch: «Dieser Verlust schmerzte ihn sehr». So soll Bilgeri von Heudorf sich an die Stadt Schaffhausen gewandt haben, mit der Bitte, die Fulachs von der Burg zu vertreiben. Zudem verlangte er eine hohe Summe «Schadensersatz».

Zeichnung von Hans Fries in der Chronik des Peter von Molsheim: Bilgeri überfällt Kaufleute auf dem Rhein. Bild: Wikimedia

Schaffhausen lehnte diese Bitte aber ab. Daraufhin klagte Bilgeri von Heudorf vor dem Hofgericht und erwirkte, dass die Stadt in der Zukunft geächtet wurde. Doch mit dieser Ächtung war es noch nicht genug. So überfiel der Ritter auch regelmässig Händler in der Region und entführte im Jahr 1467 sogar Hans am Stad, den damaligen Bürgermeister von Schaffhausen. Dieser kommt, laut Chroniken der damaligen Zeit, nach einer Zahlung von knapp 1800 Gulden - was dem gesamten Vermögen des Bürgermeisters entsprochen haben soll - wieder frei.

Danach hatten die Schaffhauser genug: Die Stadt zog zusammen mit weiteren Parteien der Eidgenossenschaft in den Krieg gegen Waldshut. Bilgeri von Heudorf war damals mit der Verteidigung der Stadt betraut worden. 16'000 Mann belagerten die Stadt, die gerade mal 800 Soldaten zu ihrer Verteidigung aufbieten konnte, über einen Monat. Eingenommen wurde sie aber nicht. Überlieferungen zu Folge sollen ungefähr 200 Mann bei dem Versuch die Mauern der Stadt zu durchbrechen gestorben sein. 

All das geschah unter anderem, weil Bilgeri von Heudorf eine Fehde mit den von Fulachs und somit auch der Stadt Schaffhausen hatte. 

Die von Fulachs werden Bürger von Zürich

Ungefähr zur Zeit des sogenannten «Waldshuterkrieges» trafen die Herren der von Fulachs eine im ersten Moment seltsam wirkende Entscheidung: Was genau sie zu ihrem nächsten Schritt bewegte, ist nicht sicher überliefert, aber die Familie beantragte in der Mitte des 15. Jahrhunderts das Bürgerrecht in Zürich und kehrte Schaffhausen den Rücken. Ob sie das «sinkende Schiff» verlassen wollten, oder ob sie sich hintergangen fühlten, weil die Stadt ihren Anspruch auf das Schloss Laufen nicht entschieden genug durchsetzten wollte, ist nicht ganz klar. So deuten Quellen zwar darauf hin, dass die von Fulach ihr Schloss mit Hilfe der «Herren von Schaffhausen» zurückerobern konnten – wie diese Hilfe aussah, ist jedoch unklar.

Mitte des 15. Jahrhunderts werden die von Fulachs Zürcher. Bild: Zürich auf dem Murerplan von 1576, Wikimedia

Sicher ist, dass die von Fulach ungefähr um die Mitte des 15. Jahrhunderts das Bürgerecht der Stadt Zürich bekam. Die Stadt nimmt das reiche Geschlecht, mit ihrem Grundbesitz, gerne auf.

Das Schloss Laufen, Ursprung des ganzen Ärgers, blieb bis 1544 im Besitz der Familie von Fulach. 1544 verkaufte Wilhelm von Fulach das Schloss für 7200 Gulden an die Limmatstadt. Der Verkauf schmerzte Schaffhausen nochmals: Nachdem sie bereits das Adelsgeschlecht der von Fulachs verloren hatten, fiel jetzt auch das Schloss, welches ein strategisch wichtiger Punkt am Rhein war, in den Besitz von Zürich.

Und was machte Bilgri von Heudorf? Dieser hegte seinen Groll gegen die Stadt Schaffhausen weiter. Die Fehde dauerte ganze 27 Jahre lang und wurde erst 1476 - im selben Jahr verstirbt auch Bilgeri von Heudorf - geschlichtet. Dass die verhassten von Fulachs nicht mehr Herren des Schloss Laufen waren, bekam er gar nicht mehr mit.

Das Ende des Geschlechts

Die Familie von Fulach überlebte den Ritter, der ohne Nachkommen starb, noch eine ganze Weile. Aber der Name verblasste über die Jahrhunderte immer mehr. Hervorstechen tun noch ein paar einzelne Familienmitglieder wie Anna von Fulach, welche Konventualin im Dominikanerinnenkloster in Diessenhofen war. 1552 wurde sie dann als Äbtissin des Klosters Frauenthal eingesetzt. In dieser Rolle muss sie sehr erfolgreich gewesen sein: So soll sie unter anderem die Klosterfinanzen saniert, offene Streitfragen um Zinsen erledigt und einige Umbauten durchgeführt haben lassen.

Sie ist auch die letzte von Fulach, die wirklich von sich reden machte. Laut dem Zürcher Chronisten Johann Jakob Leu stirbt der letzte Nachkomme des mächtigen Geschlechts irgendwann im 17. Jahrhundert in Diessenhofen.

Was bleibt sind die hunderten von Erwähnungen in Verkaufsdokumenten, die im Stadtarchiv lagern - und die Erinnerungen an den Waldshuterkrieg, die jedes Jahr während der Chilbi in Waldshut wieder aufgelebt werden. Der Name von Fulach gerät hingegen langsam in Vergessenheit.

Dabei hat kaum eine andere Familie das Geschehen in dieser Stadt so gelenkt wie die von Fulachs – wenn auch nicht immer zum Besten.

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren