«Ich musste lernen, eitel zu sein»

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Nicolas Herzig alias Loco Escrito trägt gerne Pelzkragen – aber nur von Wildtieren, wie er betont. Bild: Selwyn Hoffmann

Mit leicht verdaulichen Sommerhits wie «Mi Culpa» oder seiner aktuellen Single «Adios» hat Loco Escrito die Schweizer Charts aufgemischt. Nun will er nach Südamerika expandieren.

von Luca Miozzari

Loco Escritos Auftritt am Samstagabend im «Orient» war für ein Uhr angesagt. Ein halbstündiges Showcase-Konzert, sechs Lieder, ein wenig Meet-and-greet mit den Fans, dann gleich wieder weg. Bereits um elf war das «Orient» gefüllt, hauptsächlich mit jungem, weiblichem Publikum. Der Fototermin zu diesem Interview wurde zum Spiessrutenlauf, auf der Flucht vor den Instagram-Kids, die ihn bereits auf 100 Meter Entfernung erkannten. Wir ­haben es geschafft, ihm in einer ruhigen Minute ein paar Fragen zu stellen.

Loco Escrito, Sie sind jung, mittlerweile ziemlich erfolgreich und Single. Leben Sie ein Rockstarleben, wie man es sich vorstellt?

Nein, gar nicht, ich bin seit drei Jahren Vater einer kleinen Tochter, was mein Leben sehr verändert hat. Ich habe grosse Ziele und bin deshalb ziemlich auf meine Arbeit fokussiert. Meine Motivation waren nie Geld oder Frauen, sondern Selbstverwirklichung.

Geld und Frauen waren nie ein Faktor?

Doch, klar, vor allem als ich noch jünger war, habe ich Freude daran gefunden und diesen Teil meines Musikerdaseins etwas intensiver ausgelebt. Irgendwann, wenn man mal mit ein paar Frauen etwas gehabt hat, kommt dann aber unweigerlich das Gefühl, bereits alles gesehen zu haben, und man verliert die Lust daran. Ich habe realisiert, dass guter Sex viel erstrebenswerter ist als viel Sex. Ausserdem setze ich meine Prioritäten mittlerweile lieber auf Familie und Freunde; die Leute, die wirklich wissen, wer ich bin, und sich selbst auch nicht verstellen für mich.

«Die Kunst im Musikerdasein ist, den Menschen etwas weiter- zugeben und gleichzeitig ein möglichst grosses Publikum zu erreichen.»

Loco Escrito, Musiker

Wie haben Sie’s mit Alkohol und Drogen?

Mit harten Drogen hatte ich nie etwas am Hut. Früher habe ich viel gekifft. Das habe ich aber aufgegeben, weil ich lieber selber die Kontrolle behalten will, als mich davon kontrollieren zu lassen. Als ich damit aufgehört habe, ist vieles hochgekommen. Erst da ist mir bewusst geworden, was ich damit alles unterdrückt hatte. Jetzt kiffe ich nur noch ab und zu. Alkohol trinke ich kaum mehr, seit ich einen schweren Motorradunfall hatte. Mein Körper erträgt es nicht mehr.

Ist Ihr Single-Dasein auch Teil Ihres Images, um Ihre grösstenteils weiblichen Fans bei Laune zu halten?

Es gibt Künstler, die ihre Freundin vor der Öffentlichkeit verstecken, um auf dem Markt zu bleiben. Ich bin gerade jemanden am Kennenlernen. Wenn das etwas Ernstes werden sollte, würde ich öffentlich dazu stehen. Natürlich würde ich es den Leuten nicht allzu sehr unter die Nase reiben und sie auf jedem Instagram-Foto zeigen. Dass ich Single bin, liegt aber weniger an Marketingüberlegungen, als daran, dass in meinem Leben momentan neben der Musik und meiner Tochter kaum Platz für eine Partnerin ist. Man kann nicht alles haben, alles Gute bringt Opfer mit sich.

Sie hatten einen schweren Motorrad­unfall, haben aber nicht aufgehört Motorrad zu fahren. Auch beruflich haben Sie nach der Diplommittelschule voll auf die Karte Musik gesetzt und einen ziemlich riskanten Weg gewählt. Brauchen Sie das Risiko?

Ehrlich gesagt schon. Die Geburt meiner Tochter hat aber, wie gesagt, vieles verändert. Ausserdem habe ich gesehen, wie mein Umfeld nach dem Unfall viel mehr gelitten hat als ich selbst. Ich will das meiner Familie und meinen Freunden nicht mehr antun. Der Unfall hat mich auch karrieretechnisch zurückgeworfen, wir mussten etwa 20 Konzerte absagen. Ich versuche das Motorradfahren jetzt auf ein Minimum zu reduzieren und bald damit aufzuhören. Wenn, dann auf der Renn-strecke.

Wie vereinen Sie Vater- und Popstar-Rolle?

Ich vereine sie eigentlich gar nicht. Ich versuche, meine Tochter so gut es geht herauszuhalten und würde beispielsweise nie Bilder von ihr posten. In der Regel warte ich, bis sie schläft, und dann fange ich an zu arbeiten.

Im persönlichen Gespräch wirken Sie wie ein intelligenter und reflektierter Mensch. Wer ist denn dieser Macho-Typ aus Ihren Musikvideos mit den dicken Autos und den Goldkettchen, der in jedem Video eine andere Frau hat?

Wer so etwas sagt, kann wohl zu wenig Spanisch, um meine Texte zu verstehen. In meinen Songs und den Videos geht es um Beziehungen, um Gefühle, die ich erlebt habe. Klar bin ich als Musiker ein Stück weit Schauspieler und Geschäftsmann. Ich verkaufe Emotionen. In meinem Lied «Mi Culpa» singe ich beispielsweise über die perfekte Beziehung, die durch eigenes Verschulden in die Brüche geht. Das ist eine Geschichte, die viele Menschen aus ihrem eigenen Leben kennen, deshalb gehört sie aber nicht weniger zu mir. Dass ich nicht in jedem neuen Video wieder dieselbe Frau auftreten lasse, sollte selbsterklärend sein: Das wird mit der Zeit langweilig. Einzig den Macho-Vorwurf kann ich nicht bestreiten. Im Latin-Bereich muss man einen gewissen Glanz haben, und ich musste lernen, eitel zu sein. Ich achte sehr auf mein Aussehen, mache das aber bewusst für meine Karriere.

Sie singen von der einen perfekten ­Beziehung. Bedienen Sie nicht vor allem Klischees?

Die Kunst im Musikerdasein ist, den Menschen etwas weiterzugeben und gleichzeitig ein möglichst grosses Publikum zu erreichen. Dazu muss man Geschichten erzählen, die den Zuhörern bekannt vorkommen, mit denen sie sich identifizieren können. Ausserdem muss man sie möglichst einfach und leicht verdaulich erzählen. Meiner Meinung nach sollte ein Songtext genauso klingen, als würde ich mit einem Freund zusammensitzen, ein Bier trinken und ihm von meiner gescheiterten Beziehung erzählen. Nicht verschnörkelt und poetisch, sondern so ehrlich und simpel wie möglich.

Sie haben kürzlich in einem Interview ­gesagt, Sie möchten mit Ihrer Musik nun auch in Südamerika Fuss fassen. Wie ­realistisch ist das?

Sehr realistisch. Mir ist bewusst, dass die Konkurrenz in meiner Sparte dort viel grösser ist als hierzulande. Ich bin aber bereit, diese Herausforderung anzunehmen. Wir sind mit dem Label Sony Kolumbien im Gespräch, und ich versuche, jede Plattform zu nutzen, die mir geboten wird. Dass es möglich ist, zeigt zum Beispiel, dass mein Song «Sin ti» ohne grosses Zutun nach Portugal übergeschwappt ist. Die Leute dort mögen meine Musik, und mein Team und ich sind bereits für zwölf Konzerte nach Portugal gereist. Ich denke, das Interesse ist da.

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