Wie es jetzt auf dem Chroobach weitergeht

Mark Liebenberg | 
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Windenergieanlage auf dem Mont Crosin im Berner Jura. Im Kanton Schaffhausen sollten im Windenergieprojekt Chroobach auf dem Hemishofer Hausberg noch im ersten Quartal des Jahres weitere Schritte folgen, sagen die Projektträger. Bild: Key

Das geplante Windparkprojekt auf dem Hemishofer Hausberg, dem Chroobach, geht in die nächste Phase. Auch die Gegnerschaft formiert sich neu.

Einen wichtigen Etappensieg haben die Befürworter der Windenergienutzung auf dem Hemishofer Hausberg Chroobach im Dezember erzielt: Der Schaffhauser Kantonsrat hat zugestimmt, den Chroobach als Windkraftstandort definitiv im kantonalen Richtplan festzusetzen.

«Für uns ist dies ein erfreuliches und motivierendes Signal», sagt Patrick Schenk von der Projektgemeinschaft Chroobach Windenergie. «Damit wird anerkannt, dass Windkraft im Energiemix des Kantons eine Rolle spielen und das bestehende Chroobach-Projekt entscheidungsreif vorangetrieben werden soll.» Als Nächstes muss der Bundesrat die Richtplanänderung gutheissen. Bereits im ersten Quartal will die Projektgemeinschaft beim Kanton eine Vorprüfung des Umweltverträglichkeitsberichts durchführen. «Und weiterhin wichtig sind uns dieses Jahr die Fortführung der Begleitgruppenarbeit und der offene Dialog mit der Bevölkerung, insbesondere im oberen Kantonsteil», sagt Schenk. Fernziel bleibt die Zustimmung der Standortgemeinde Hemishofen zu einer Nutzungsplanänderung, die den Bau von vier Windturbinen erst möglich macht.

Alte Krieger und neue Vereine …

In der Standortgemeinde, wo das Projekt seit geraumer Zeit heftig bekämpft wird, ist man über den Entscheid des Kantonsrates enttäuscht. «Er hat für uns einen bitteren Nachgeschmack», sagt der Hemishofer Gemeindepräsident Paul Hürlimann. Ihn ärgere, dass das Kantonsparlament über die Köpfe der Direktbetroffenen hinweg entschieden habe. «Der alte Spruch ‹weit vom Geschütz ergibt alte Krieger› macht hier wieder mal Sinn», so Hürlimann.

Mit seinem Ärger ist er nicht allein. Schon länger organisiert der Verein Gegenwind Chroobach den Widerstand gegen das Projekt, das von SH Power und dem EKS getragen wird. Der Mediensprecher von Gegenwind Chroobach, André Götti, sagt: «Gefreut hat uns, dass der Kantonsrat die sogenannte Espoo-Konvention anrufen will. Unseres Wissens wurden die Behörden in Berlin informiert. Bis jetzt konnten sie sich nicht einbringen, und wir hoffen, dass sich das nun ändert.» Beim Chroo­bach-Projekt, direkt an der Landesgrenze, warte man nun auf die nächsten Schritte. Die Gegnerschaft sei grenzüberschreitend mobilisiert: «Wir ziehen alle am gleichen Strick», sagt Götti.

Denn neuerdings mischt noch eine andere Organisation voll mit: Das auf der deutschen Seite beheimatete Forum Hegau-Bodensee. Bereits grenzüberschreitend aktiv geworden ist die Gruppierung kurz vor Weihnachten, als bekannt wurde, wie es mit den Windkraftplänen im Kanton Thurgau weitergehen soll (siehe Text unten).

Das Forum lehnt Windkraftwerke im unmittelbaren Umfeld von Bodensee und Hegau ab. Fachbeirat Martin Dölberg sagt auf Anfrage: «Die Nachteile in unserer Region überwiegen klar. Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und damit des wirtschaftlich sehr bedeutenden Tourismus ist stark. Wir befürchten zudem Schäden für die Natur und einen Wertverlust von Immobilien,»

Eine Aufgabe sehe das Forum darin, die Mitsprachemöglichkeit gemäss Espoo-Konvention «auf allen Ebenen, insbesondere im Landkreis und in den Gemeinden, bekannt zu machen», so Dölberg. Schon bei der Schaffhauser Richtplanänderung kam aus dem Landkreis Konstanz und sieben deutschen Grenzgemeinden der Grossteil der knapp 1000 Einwendungen gegen den Standort Chroobach. «Was leider vollständig ignoriert wurde», sagt Dölberg.

Doch wie soll diese Mitwirkung der deutschen Seite gemäss Espoo-Konvention konkret aussehen? Der Verfahrensprozess müsse nun zwischen dem Kanton und Deutschland bestimmt werden, erklärt Patrick Schenk. «Wir werden uns an die Vorgaben halten.» Er macht allerdings geltend, dass im Rahmen der ­bisherigen Untersuchungen der Umweltverträglichkeit stets auch Auswirkungen auf Deutschland mit berücksichtigt worden seien. «So zum Beispiel Sichtbarkeit, Schall­emissionen, Schattenwurf oder Vogeluntersuchungen», sagt Schenk.

… und eine Volksinitiative

In der Gemeinde Hemishofen heisst es demgegenüber zunächst: abwarten und Tee trinken. «Zurzeit sind keine weiteren Schritte geplant. Wir werden abwarten, bis entsprechende Gesuche bei uns eingehen», sagt Gemeindepräsident Hürlimann.

Im letzten Jahr wurden überdies zwei Organisationen rund um das Chroo­bach-Projekt neu gegründet, und deren Mitglieder haben sich im letzten Jahr regelmässig einen argumentativen Schlagabtausch über den Chroobach auch in den SN-Leserbriefspalten geliefert. Zum einen ist das der Verein Aktiver Schutz von Natur und Erscheinungsbild in Stein am Rhein und andererseits die Gruppe Faire Chroobach-Diskussion. Diese Gruppe aus Befürwortern und Gegnern setzt sich für mehr Sachlichkeit in der Windenergiedebatte ein (die SN berichteten).

Und derweil sammelt die kantonale SVP Unterschriften für ein kantonales Volks­begehren. Die Initiative verlangt zwingend die Mitbestimmung der Bevölkerung bei grossen Energieanlagen. Das heisst, dass es zum Bau von grossen Windkraftanlagen inskünftig einer doppelten Zustimmung der Stimmbevölkerung bedürfte: Einem Projekt zustimmen müsste sowohl die kantonale Stimmbevölkerung als auch die Stimmbevölkerung der Standortgemeinde. «Wir sind zuversichtlich, dass wir die nötigen Unterschriften schon bald zusammenhaben», sagt SVP-Kantonsrat Pentti Aellig.

Windenergieanlage auf dem Seerücken angedacht

Neben dem Chroobach sind auch weitere Gebiete in der Region im Gespräch für Windenergieanlagen (WEA). Am nächsten gelegen ist der Seerücken bei Salen-Reutenen im Kanton Thurgau. Der Widerstand scheint schon jetzt, bevor ein konkretes Projekt in Planung ist, vorhanden zu sein. So versandte das Forum Hegau-Bodensee, Gegner eines potenziellen Windparks, im Dezember eine Bildmontage (siehe SN vom 15. 12.). Diese Bildmontage stellt sieben angedachte Windenergieanlagen als gut von Stein am Rhein aus sichtbar dar.

Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau begleitet die momentan laufende Richtplanänderung Windenergie von fachlicher Seite. Ziel ist es, die für die Windenergie grundsätzlich geeigneten Gebiete im kantonalen Richtplan zu bezeichnen. Der Auftrag leitet sich unter anderem aus der Energiestrategie 2050 ab, zu der die Kantone Thurgau und Schaffhausen Ja gesagt ­haben. Ziel ist es, den wegfallen- den ­Anteil der Stromproduktion aus Kernenergieanlagen langfristig zu ersetzen. Ausserdem soll der Anteil der fossilen Energieträger reduziert werden.

Noch kein konkretes Projekt

Thomas Volken, von der Abteilung Energie des Kantons Thurgau und der Energiefachstelle des Kantons Schaffhausen, erklärt: «Im Richtplan wird abgeklärt, welche Gebiete überhaupt für eine WEA geeignet sind.» Dabei ist Salen-Reutenen, zusammen mit zwei weiteren Gebieten (Thundorf und Braunau-Wuppenau), in die engere Wahl gekommen. «Es gibt aber in Salen-Reutenen erst eine Windmessung und eine Machbarkeitsstudie.» so Volken. Daher sei es noch zu früh, über die Anzahl und die genauen Standorte der Windenergie­anlagen zu sprechen. Die sieben bis acht Anlagenstandorte, welche im ­ergänzenden Bericht zur Richtplanänderung aufgeführt sind, zeigen lediglich das maximale Potenzial des Standorts auf dem Seerücken. Bis zum 24. Januar können formlose schriftliche Eingaben zur Richtplanänderung gemacht werden.

Im Rahmen der Richtplanänderung wurde neben Aspekten wie Lärm, Schattenwurf, Einfluss auf die Fauna und Logistik auch die Sichtbarkeit beurteilt. Landschaftsschutz­experten gehen davon aus, dass eine Windenergieanlage ab einer Distanz von zehn Kilometern als nicht mehr landschaftsprägend wahrgenommen wird. Stein am Rhein und der Kanton Schaffhausen liegen ausserhalb von diesem Radius. Volken: «Man wird die WEA von Stein am Rhein aus sicher sehen, aber nicht so, wie auf der Bildmontage dargestellt.» Thomas Volken empfiehlt Skeptikern, sich ein reales Bild von einem Windpark zu machen, und zwar aus verschiedenen Distanzen. Mit dem Windpark Ve­re­nafohren stehe ein gutes Anschauungsbeispiel vor der Haustür.

Volken erklärt, wie es nach der erwarteten Richtplanannahme weitergehen wird: «Wenn der Richtplan vom Grossen Rat genehmigt und damit behördenverbindlich wird, sind die raumplanerischen Voraussetzungen für die Zonenplanänderung erfüllt. Das fällt dann jedoch in den Kompetenzbereich der Gemeinden.» Bis es eine Baubewilligung für ein definitives Projekt geben werde, müssten noch viele Instanzen durchlaufen werden. Gemäss Volken muss bei Windenergieprojekten in der Schweiz von einem Planungszeitraum von rund acht Jahren ausgegangen werden. (kab)

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