Blick schärfen für kleine Gewächse am Wegesrand

Das Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen widmet sich seltenen Pflanzen der Region. Eine neue Rote Liste zeigt, wie prekär die Lage ist.
Seltene Pflanzen im Kanton Schaffhausen, Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen 71/2019, 106 S., 24 Fr.
von Marielle Heeb
«Schaffhausen ist reich – reich an botanischen Kostbarkeiten», heisst es im Vorwort des Neujahrsblattes der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen. Auf 106 Seiten bietet die Ausgabe einen Überblick über die regionale Flora und schärft den Blick für Gewächse, an welchen man bei einem Sonntagsspaziergang wohl oft einfach vorbeigeht.
Anlass zur diesjährigen Ausgabe war die neue Rote Liste der Gefässpflanzen Schweiz von Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum zur Schweizer Flora. Die Liste erschien 2016 und bildet die Entwicklung von bedrohten Arten in der Schweiz ab. Das «Neujahrsblatt» nimmt die Zahlen des Kantons Schaffhausen nun unter die Lupe und bietet einen vielseitigen Blick auf die Arbeit, die hinter der Roten Liste steckt. Wie teilt man Pflanzen in Gefährdungskategorien ein? Welche Lebensräume sind besonders vom Rückgang betroffen? Der theoretische Teil der Ausgabe beantwortet diese Fragen leicht verständlich, streift den Themenbereich der botanischen Forschung und stellt die verschiedenen Lebensräume vor.
70 von 93 Pflanzen gefährdet
In den Schaffhauser Wäldern, Trockenwiesen, Mooren und Äckern haben Pflanzen verschiedenster Herkunft ihren Platz gefunden. Im Regenschatten des Schwarzwaldes gelegen treffen hier Gewächse aus Ursprungsregionen wie dem Schwarzen Meer, der Atlantikküste, dem Jura-Südfuss und dem Mittelmeerraum aufeinander. Doch die Arten sind bedroht: Im Rahmen der gross angelegten schweizweiten Untersuchung für die Rote Liste wurden in Schaffhausen 93 Pflanzenarten untersucht. 70 davon sind gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Die bebilderten Fliesstexte zeigen auf, wie prekär die Lage für die Gefässpflanzen ist: Nicht einmal die Hälfte aller Sumpf- und Moorpflanzen konnte an bekannten, dokumentierten Standorten wiedergefunden werden.
Pflanzen porträtieren
Blättert man weiter, so findet man Porträts der 20 speziellsten Arten des Kantons. Pflanzen zu porträtieren, klingt vielleicht ungewohnt, bietet dem Leser aber eine Möglichkeit, die Fülle der Schaffhauser Flora kennenzulernen. Jede Pflanze – von der Armblütigen Gänsekresse bis zum Bayrischen Bergflachs – wird auf einer Doppelseite vorgestellt. Die kleinen, unscheinbaren Arten mit ihren hohen Ansprüchen an die Umwelt werden von allen Seiten beleuchtet und auf unterhaltsame Art und Weise vorgestellt. Der Gelbe Würger, der Kugelige Lauch oder der Kleine Frauenspiegel werden so detailreich beschrieben, dass beim Lesen die Beziehung der fünf Autoren zu diesen Pflanzen deutlich spürbar wird. Prächtige Bilder und verschiedene Statistiken oder Verbreitungskarten runden die Porträts ab. Dank dieser Vielfalt ist das «Neujahrsblatt» mehr als nur ein Lexikon. Die Ausgabe macht Zusammenhänge innerhalb des Ökosystems auf einfache Art und Weise sichtbar und ruft zu Naturschutzmassnahmen auf, ohne dabei den Mahnfinger zu heben.