«Wenn ich zur Tür begleitet werde, habe ich alles richtig gemacht»

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Sepp Blättler startete seine Samichlaus- Karriere mit 17 Jahren als Schmutzli. Bild: zvg

Sepp Blättler zieht seit 50 Jahren als Samichlaus von Haus zu Haus. Er arbeitet aber nicht nur am 6. Dezember - er beantwortet auch Briefe von Kindern, die etwa wissen wollen, wie sein Esel heisst.

Mit seiner tiefen Stimme und den freundlichen braunen Augen hinter zwei runden Brillengläsern erfüllt Sepp Blättler die Vorstellung von einem Samichlaus wie aus dem Bilderbuch. Es fehlen nur noch der rote Bischofshut und der Jutesack auf dem Rücken, damit er heute Abend wieder in seine Lieblingsrolle schlüpfen kann: Schon seit 50 Jahren besucht er als Chlaus Familien, zum Teil schon in dritter Generation. Damit ist er das älteste Mitglied der Samichlaus-Gesellschaft Neuhausen und einer der erfahrensten Samichläuse der Gegend.

Vorweihnachtszeit bedeutet Hochbetrieb für die rund zehn Chläuse im Verein: Jeder besucht sechs bis zwölf Familien. Damit alle Besuche einheitlich ablaufen, erstellte Blättler vor einigen Jahren einen Leitfaden. Jede Familie wird im Voraus telefonisch informiert. Der Chlaus nimmt dann Positives und Negatives in sein Buch auf. Doch gerade bei Kritik müsse man psychologisch durchdacht vorgehen, sagt Blättler. Dabei sei es nicht ganz einfach, sich schnell auf die Familiensituationen einzulassen. Als Vater von vier Töchtern identifiziert er sich aber voll und ganz mit der Aufgabe: «Man muss Kinder wirklich mögen», sagt er. Mit viel Einfühlungsvermögen, Ruhe und Zeit erreiche er das Zutrauen der Kleinsten. «Wenn sie mich zur Haustür begleiten, dann habe ich alles richtig gemacht.» Die Arbeit ist nach dem 6. Dezember aber nicht getan: Immer wieder beantwortet Blättler Briefe von Kindern. «Wie heisst dein Esel?» oder «Wo wohnst du?» möchten sie darin wissen. «Auch auf der Strasse und beim Einkaufen werde ich mit «Hoi Samichlaus» begrüsst», sagt er lachend, doch das störe ihn nicht.

Blättler erinnert sich gut an Sami­chlaus-Besuche in seiner Kindheit: «Ich hatte gehörigen Respekt vor ihm», sagt er und blickt ins Leere. «Er hatte immer eine Fitze dabei und unartige Kinder mitgenommen» – natürlich nur einige Meter weit. Doch der Respekt vor dem Mann im roten Mantel hielt ihn nicht davon ab, bald selbst als Schmutzli durch die Strassen zu ziehen. Mit 17 Jahren begleitete er als Ministrant erstmals einen erfahrenen Chlaus. So kam er auf den Geschmack. Er möchte heute aber nicht mehr die Rolle des «bösen Erziehers» einnehmen. «Das Blossstellen der Kinder ist kontraproduktiv», sagt er. Auch gebe es familieninterne Probleme, die nicht durch ihn gelöst werden könnten.

Im Laufe der Jahre hat sich Blättler spezialisiert. Für ihn stehen nur noch Besuche bei Vereinen, Altersheimen, Kindergärten und Firmen auf dem Programm. «Dieses Jahr spreche ich mit der Belegschaft eines grösseren Schaffhauser Unternehmens», sagt Blättler. Seine Augen glänzen vor Schalk. «Ich habe mir schon überlegt, was ich dem CEO erzählen möchte.» Er sei halt schon immer gerne ein «Schnorri» gewesen, gibt Blättler zu. Als Samichlaus spricht er jeden mit Du an – und darf sich auch einiges erlauben. Denn vonseiten des Samichlaus klingt Kritik plötzlich ganz anders und sorgt hin und wieder für einen Lacher. (mah)

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