Suchterregend und gesundheitschädlich: Gefahren von Nasenspray

Zwei schnelle Pumpstösse und die Nase ist binnen weniger Minuten frei. Nasensprays können bei Erkältungen sehr hilfreich sein – aber können auch schwerwiegende, gesundheitliche Folgen haben.
Wie wirkt Nasenspray?
Der Hauptwirkstoff in abschwellenden Nasensprays ist «Xylomethazolin». Laut Alexander Volck, Leitender Arzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik am Kantonsspital Schaffhausen, bewirkt dieser Stoff eine Verengung «der Gefässe in den Schwellkörpern der Nase, den Nasenmuscheln.» Diese werden dadurch kleiner, wodurch in der Nase mehr Platz für die Luft zum Atmen vorhanden ist.
In der kalten Jahreszeit ist es verführerisch: Wenn die Nase verstopft ist, trieft und man Taschentücher im Minutentakt verbraucht, greifen viele zum Nasenspray. Dieses befreit die Nase, man kann durchatmen und auch die Taschentücher bleiben eine Weile in der Tasche. Was viele dabei jedoch vergessen: Nasensprays sind nicht ungefährlich, denn sie können abhängig machen – und auch schwerwiegende Folgen haben.
Vor allem im Winter ist Nasenspray gefragt – aber auch unter dem Jahr merkt man, dass es Kunden gibt, die zumindest Anzeichen einer Sucht nach Nasenspray zeigen. So sagt Patrik Bolliger von der Bahnhofapotheke P. Bolliger AG: «Diese Kunden gibt es - zum Teil haben sie die Sprays auch in Form von Dauerrezepten ärztlich verordnet und wenn's hoch kommt werden diese Sprays dann auch noch aus der Grundversicherung bezahlt.» Ähnlich erlebt man es auch in der Ritter Apotheke, allerdings schränkt Peter Toscano ein: «Es gibt in der Ritter Apotheke nur vereinzelt Evidenz einer Sucht.»
Warum Nasenspray süchtig macht
Wie entsteht so eine Sucht überhaupt? Diese Frage beantwortet uns Alexander Volck, Leitender Arzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik am Kantonsspital Schaffhausen. «Die Abhängigkeit entsteht durch den sogenannten «Rebound»-Effekt der abschwellenden Nasensprays: Bei längerfristiger Einnahme schwellen die Nasenmuscheln nach immer kürzerer Zeit nach der Einnahme wieder stärker an. Das bedeutet, sie werden grösser als sie vor der Einnahme des Sprays ursprünglich waren und man bekommt noch weniger Luft durch die Nase. Um die Nase dann wieder frei zu bekommen, muss man den Spray immer häufiger anwenden.»
Das spürt auch Philipp Merz, Betriebsleiter bei der Apotheke im Herblinger Markt, so klagen dann Kunden «über immer ungenügendere und kürzere Wirkung der Therapie mit Nasensprays.»
Wenn ein Patient in dieses «Suchtmuster» verfällt, bleibt den Apotheken meistens wenig Handlungsspielraum. «Wir informieren diese Kunden entsprechend - aber mehr können wir ja nicht tun», so Patrik Bolliger. Dabei ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, die von einem exzessiven Nasenspraygebrauch ausgehen kann. Der HNO-Arzt Alexander Volck dazu: «Eine regelmässige beziehungsweise exzessive Anwendung führt langfristig zu einer Schädigung der Schleimhaut, da diese durch die Entstellung der Gefässe nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt wird.» Die Folgen: Die Schleimhaut kann in manchen Bereichen ganz zugrunde gehen, woraufhin sich Bakterien ansammeln und eine Infektion verursacht werden kann, so der Arzt. «Dies kann zu einem sehr unangenehmen Geruch und einem Zugrundegehen der Nasenscheidewand führen, was von einem Loch in der Scheidewand bis zu einer Formänderung der Nase reichen kann.» Im schlimmsten Fall kann laut Alexander Volck, sogar der letzte Weg eine Operation sein: «Sollten alle konservativen Methoden erfolglos bleiben, gibt es die Möglichkeit, die Nasenmuscheln operativ zu verkleinern und so längerfristig für eine Verbesserung der Nasenatmung zu sorgen.»
Die Gefahren und Probleme werden meistens von Apothekern wie auch Medizinern klar geschildert. Patrik Bolliger sagt aber auch: «Ich meinerseits stelle mich auf den Standpunkt, dass mündige und handlungsfähige Leute selber entscheiden sollen, wieviel Xylo (gemeint ist Xylomethazolin, der Wirkstoff im Nasenspray – Anm. d. Red.) sie ihren Nasenschleimhäuten zumuten wollen. Sie tun dies im vollen Bewusstsein aller Nebenwirkungen.»
Was tun, wenn man süchtig ist?
Wer erkältet ist, muss aber beim Wort «Nasenspray» nicht gleich in Panik verfallen. «Abschwellende Nasensprays sind bei kurzfristiger, korrekter Anwendung in Kombination mit einer guten Befeuchtung, zum Beispiel in Form von Meersalz oder Dexpanthenol-haltigen Nasensprays/Nasensalben, eine notwendige und hilfreiche Therapie», sagt Philipp Merz von der Apotheke im Herblinger Markt. Wer ganz auf Chemie verzichten möchte, kann als Alternative auch sogenannte hypertone «meersalzhaltige Nasensprays, die entzündungshemmend und schonender abschwellend wirken» nutzen. Aber auch pflanzliche Arzneimittel in Form von Kapseln zur Entzündungshemmung können eingesetzt werden.
Merkt man, dass das Atmen ohne Nasenspray zusehends Mühe bereitet, rät Alexander Volck: «Es kann helfen, den Spray für eine gewisse Zeit nur auf einer Seite anzuwenden, damit man vor allem beim Einschlafen durch die Nase atmen kann, und sich so über eine Zeit von 2-3 Wochen die andere Seite «erholen» kann.»
Patrik Bolliger von der Bahnhofapotheke rät allerdings zu einem etwas radikaleren Schritt: Man solle einfach auf Sprays zu verzichten, denn «selbst wenn die Erkältung so weit fortgeschritten ist, dass die Nasenatmung etwas behindert ist: man überlebt das in aller Regel ohne bleibende Langzeitschäden.»