Zum Impfen in die Apotheke? Nicht jeder findet das gut

Ralph Denzel | 
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Nur ein kleiner Piks - der jedoch teils kontrovers diskutiert wird. Bild: Pixabay

In Schaffhausen kann man sich seit einigen Jahren auch in Apotheken impfen lassen. Was vor allem für besseren Impfschutz in der Bevölkerung sorgen soll, wird von Ärzten teils skeptisch gesehen.

«Die Grippe wartet auch nicht auf einen Termin», heisst es rot unterlegt auf der Seite «impfapotheke.ch». Wer keine Geduld hat, muss im Kanton Schaffhausen jedoch nicht auf einen Termin beim Hausarzt warten, sondern kann sich die Impfung direkt in vielen Apotheken der Stadt geben lassen. Auf der Seite wirbt der Zürcher Epidemiologe Prof. Robert Steffen mit den Worten: «Für gesunde Erwachsene ist das Impfen in der Apotheke ebenso sicher wie in der Arztpraxis.» Alles gut also? Mitnichten, denn viele Ärzte in der Region sehen die Möglichkeit sich in Apotheken impfen zu lassen sehr kritisch – und im Zweifel sogar lebensbedrohlich.

Voraussetzungen für den Piks

Im Kanton Schaffhausen ist die Impfung beim Apotheker, wie in 14 anderen Kantonen auch, ohne Rezept möglich. Das wird auch rege genutzt, wie Claire Ebeling von der Apotheke zum Mohrenkönig in Stein am Rhein sagt: «Im letzten Jahr liessen sich in der Schweiz alleine gegen Grippe über 20‘000 Menschen in der Apotheke impfen.»

Um eine Impfung vorzunehmen, müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein, wie uns alle angefragten Apotheker bestätigen. Dazu braucht es mehrere Bewilligungen und auch Nachweise. So sagt unter anderem Patrik Bolliger von der Bahnhofsapotheke in Schaffhausen: «Die Bewilligung [um Impfen zu können – Anm. d. Red.] wird von Departementsseite erteilt, wenn der Weiterbildungstitel «Impfen und venöse Blutentnahme» erfolgreich absolviert wurde». Laut Pharma Suisse beinhaltet dieser drei Module: Impfung, Injektion und Blutentnahmetechnik und ein Reanimationskurs. Neben diesen Voraussetzungen müssen auch «die räumlichen Voraussetzungen» fürs Impfen erfüllt sein, so Patrik Bolliger. Darunter fällt ein separater Raum, vorhandene Adrenalin-Spritzen und Sauerstoffgeräte.

Adrenalin wird laut notfallmedizinischen Fachmagazinen dabei vor allem verabreicht, wenn zum Beispiel ein anaphylaktischer Schock vorliegt, also eine schwere allergische Reaktion beim Patienten. Laut Kantonsärztin Maha Züger soll eine solche Adrenalinverabreichung nur durch Fachärzte passieren.

Trotzdem sollen auch Pharmaziestudenten - laut 2015 geändertem Medizinalberufegesetz (MedBG) - das Impfen lernen. Dort heisst es: «Absolventinnen und Absolventen des Studiums der Pharmazie übernehmen Aufgaben zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit sowie zur Verhütung von Krankheiten und erwerben die entsprechenden Kompetenzen, insbesondere bei Impfungen». Darunter fällt auch der Umgang mit Adrenalin und Notfallreanimationen.

Kontroverses Thema

Wenn man sich für eine Impfung entschieden hat, stellt sich vor allem die Frage: Wo will man sich impfen lassen? Viele Ärzte sind dabei eher skeptisch, was das Impfen bei einer Apotheke angeht. Paul Bösch, Hausarzt und Präsident der kantonalen Ärztegesellschaft Schaffhausen, sagt zu der Möglichkeit sich in Apotheken impfen zu lassen, er «habe die neue Regelung ohne Begeisterung zur Kenntnis genommen.»

Seine Empfehlung ist jedoch klar: «Impfungen sollte man bei Hausärzten durchführen lassen.» Seine Begründung dafür ist, dass der eigene Hausarzt «die individuelle Geschichte eines Patienten in der Regel über viele Jahre» kennt und «somit auch spezifisch auf die jeweilige Situation eingehen» kann.

So könnten häufig bei einer Impfberatung bei einem Arzt noch zusätzlich «andere medizinische Themen angesprochen werden». Als Argument führt er zum Beispiel auch die Nebenwirkungen ins Feld, die bei einer Impfung auftreten können: «Es kann zu einem allergischen Schock als unmittelbare Folge der Impfung kommen; auch Blutungen, zum Beispiel wenn eine blutverdünnende Medikation nicht mitgeteilt wurde, sind möglich». Diese Reaktionen können, bei unsachgemässer Behandlung, tödlich enden.

In Apotheken will man diesen Gefahren mit einer gründlichen Anamnese begegnen. So sagt Patrik Bolliger: «Selbstverständlich gibt es auch Ausschlusskriterien für eine Impfung.» Daher müssen die Patienten bei ihm vor einer Impfung einen dreiseitigen Fragebogen ausfüllen.

Paul Bösch: «Ich gehe davon aus, beziehungsweise ich hoffe, dass die Instanz, welche diese Entscheidung getroffen hat, sich der möglichen Risiken bewusst war.» Nadja Müller vom kantonalen Gesundheitsamt sagt dazu: «Geregelt wird das Impfen in Apotheken in der kantonalen Heilmittelverordnung». Wenn der Fähigkeitsnachweis und die anderen vom Kanton geforderten Anforderungen erbracht sind, gibt dieser «die Ergänzung der Berufsausübungsbewilligung um die Berechtigung zur Übernahme von Impfungen» für die jeweilige Apotheke aus, so Nadja Müller vom kantonalen Gesundheitsamt.

Anschliessend führt die Kantonale Heilmittelkontrolle, in Form der Kantonsapothekerin, immer wieder Kontrollen der «Örtlichkeiten» durch. «Der Fähigkeitsausweis wird auch im Gesundheitsberuferegister eingetragen und ist öffentlich einsehbar», so Nadja Müller.

Wenig genutzt in Schaffhausen

Genutzt wird das Angebot einer Grippeimpfung in Apotheken bisher in Schaffhausen eher nicht, wie Studien zeigen. So bieten laut Statistik von Pharma Suisse, dem Dachverband der Apotheker in der Schweiz, derzeit etwas unter 40% der Apotheken im Kanton Impfungen an. Aber auch genutzt wird das von Kunden eher selten: So sei die Anzahl der Kunden, die sich für die Grippeimpfung zur Apotheke und nicht zu einem Arzt begeben haben, bei wenigen hundert Leuten gelegen.

Das deckt sich auch mit den Erfahrungen von örtlichen Apothekern: «Im Jahr 2017 haben wir in unserer Apotheke etwa 15 Personen gegen die Grippe geimpft», so Peter Toscano. Marco Groth, Apotheker bei der Volksapotheke in Schaffhausen, sagt jedoch: «Das Interesse an Impfungen ist in der letzten Zeit gestiegen». Das bestätigt auch Patrik Bolliger, bei dem laut eigener Aussage im Jahr 2017 knapp 250 Menschen eine Grippeimpfung erhalten haben.

Wo auch immer man sich impfen lassen wird: «Das Thema wird noch eine ganze Weile diskutiert werden», wie Kantonsärztin Maha Züger erklärt.

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