Wenn ein Mensch stirbt: Drei Sichtweisen auf den Tod

Ralph Denzel | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
Wir haben mit Menschen gesprochen, die immer wieder mit dem Tod konfrontiert sind. Bild: Pixabay

Im Kantonsspital Schaffhausen wird Menschen geholfen – aber manchmal werden sie auch auf dem letzten Wegstück begleitet. Wie erleben Ärzteschaft, Pflegende oder Seelsorge den Tod?

Ein Spital ist ein Ort, an dem Leben und Sterben oft nahe beieinander liegen und die Mitarbeitenden immer wieder mit dem Tod konfrontiert sind. Der Tod ist Etwas, das viele Menschen mit Angst erfüllt. Den Gedanken an das Ende des eigenen Lebens auf Erden schieben daher viele Menschen weit weg von sich. Manchmal kommt der Tod nach längerer Krankheit, manchmal aber auch unerwartet. In jedem Fall aber ist Sterben eine Ausnahmesituation, sowohl für die betroffene Person, als auch für Angehörige und Freunde.

Im Krankenhaus Waldshut kam es Ende August zu einem tragischen Fall: Ein Patient verstarb dort in einem Dreibettzimmer und die Mitpatienten mussten dies über längere Zeit mitansehen. Zudem war das Zimmer konstant durch Angehörige des Sterbenden gefüllt. In Schaffhausen ist dies glücklicherweise nicht möglich: Wenn das Leben eines Patienten dem Ende entgegen geht, werden entweder er oder die Mitpatienten verlegt. Dies nicht nur aus Rücksicht auf die Mitpatienten. So  können die Angehörigen ungestört Abschied nehmen können.

Aber auch im Kantonsspital Schaffhausen gehört der Tod von Menschen für die Mitarbeitenden dazu. Wie gehen sie damit um? Wie erfahren sie den Tod? Und was erwartet einen Menschen und dessen Angehörigen, wenn es dem Ende entgegengeht? Wir konnten am Kantonsspital mit drei Mitarbeitenden, aus verschiedenen Berufsgruppen sprechen, die immer wieder auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit dem Tod von Patienten konfrontiert werden – und haben dabei festgestellt: Der Tod muss nicht schlimm sein.

Nadine Gehring, Oberärztin Intensivstation: «Es ist gut, sich mit dem Tod auseinander zusetzen.»

Nadine Gehring, Oberärztin Intensivstation. Bild: Spitäler Schaffhausen

«Auf der Intensivstation haben wir den Vorteil, dass wir für Patienten wie auch Angehörige mehr Zeit haben, sie intensiver betreuen können», sagt Nadine Gehring, Oberärztin auf der Intensivstation. Wichtig ist dabei der Kontakt zu den Patienten und den Angehörigen: «In kritischen Situationen sprechen wir manchmal mehrmals täglich mit der Familie über den Zustand und die aktuelle Entwicklung des Patienten. In solchen kritischen Fällen haben die Angehörigen auch die Möglichkeit, beim Patienten zu bleiben, ungeachtet von Besuchszeiten.»

In der heutigen Zeit werden immer mehr ältere Patienten mit vielen Vorerkrankungen auf die Intensivstation aufgenommen. «Manchmal haben wir zuvor die Gelegenheit mit ihnen über ihre Wünsche und Vorstellungen zu sprechen. Wie weit soll man gehen? Soll man Sie wiederbeleben, sollte das Herz aufhören zu schlagen? Möchten Sie an eine Beatmungsmaschine genommen werden?» Das ist wichtig, denn: Ein längerer Aufenthalt auf der Intensivstation unter lebenserhaltenden Massnahmen kostet viel Kraft, insbesondere die Muskulatur baut sich rasch ab und oft ist es ein Weg von Wochen bis Monaten bis zur Rekonvaleszenz. Und einige erreichen leider nie wieder den Gesundheitszustand den sie zuvor hatten. «Deshalb ist es für uns sehr wichtig den Willen des Patienten zu kennen und zu wissen, was er möchte und was für ihn Lebensqualität bedeutet.»

Wird jemand als Notfall eingeliefert und kann selber keine Auskünfte geben, «fragen wir die Angehörigen, ob sie den Willen des Patienten kennen. In diesen Fällen ist es auch für die Familie eine grosse Erleichterung, wenn zuvor darüber gesprochen wurde. Manchmal hilft auch eine Patientenverfügung weiter», so die Oberärztin.

Auch wenn der Tod oft etwas Schwieriges und Einschneidendes ist, versucht die Medizinerin ihre Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen. «Es gehört zu unserem Beruf, auch mit dem Tod umgehen zu können. Wir kümmern uns um die Patienten und ihre Angehörigen und begleiten sie. Aber ein gewisser professioneller Abstand muss gewahrt werden, um nicht alles zu nah an sich herankommen zu lassen». Natürlich gibt es immer wieder mal Fälle, die einem sehr nahe gehen, einen länger beschäftigen, wenn zum Beispiel sehr junge Menschen sterben müssen oder es eine Mutter ist, wo kleine Kinder zurückbleiben.


 

Ingo Bäcker, katholischer Seelsorger: «Jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod.»

Ingo Bäcker, katholischer Seelsorger. Bild: Spitäler Schaffhausen

Nicht nur der medizinische Aspekt ist wichtig bei der Betreuung von Sterbenden. Auch auf der emotionalen, spirituellen Ebene ist es wichtig, dass für Angehörige und Patienten – und manchmal auch für Pflegende oder Ärzte – jemand da ist, der sie betreuen kann. Das ist das Metier von Ingo Bäcker. Er ist Seelsorger am Kantonspital und begleitet Menschen in schwierigen Situationen – also auch wenn es ums Sterben geht. So weiss er aus Erfahrung: «Sehr oft wünschen sich Menschen die sterben, oder auch ihre Angehörigen ein letztes Ritual, einen letzten Gottesdienst, eine Segnung oder irgendeine Form des Abschiednehmens.» Diesem Wunsch nach seelischem Beistand kommen er und zwei weitere Kollegen am Kantonspital als Seelsorger nach. «Wir sprechen dann ein Gebet mit den Anwesenden, sind einfach da, reden mit Patient oder Angehörigen, hören zu und versuchen Halt zu geben.» Für viele Menschen ist der Tod eines Angehörigen, egal wie absehbar der Moment des Sterbens war, schwer zu erleben und zu verarbeiten. «Manche erleben solche Augenblicke sehr intensiv, einige ertragen die Situation auch nicht und verlassen dann das Zimmer. Menschen reagieren sehr verschieden», weiss der Seelsorger aus Erfahrung.

Die Seelsorger sprechen sich immer ab, damit sie nicht gleichzeitig in den Ferien sind und halten engen Kontakt zu den Gemeindepfarrämtern der Region. «So können wir sicherstellen, dass im Notfall immer ein Geistlicher erreichbar ist. Diese sind dann auch meist sehr schnell da.» Natürlich könne es auch sein, dass sich ein muslimischer Patienten in seinen letzten Stunden seelischen Beistand wünscht, wozu dann entsprechend ein Imam kontaktiert wird.

Auch für den Seelsorger ist und bleibt das Sterben von Patienten immer wieder eine Herausforderung: «Wenn ein Mensch stirbt, sind oft viele Angehörige da, die sich verabschieden wollen. Jedem mit seinen individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist nicht immer ganz einfach», so der katholische Seelsorger. Trotzdem sei es wichtig, dass man einen «Abschluss» so gestalte, dass Angehörigen, die dabei sein möchten, das auch können.

Auch bei seiner Arbeit macht es einen Unterschied, ob Menschen «absehbar», also nach längerer Krankheit, oder unerwartet sterben. Etwas, was ihm des Öfteren auffällt, ist, dass ein sterbender Mensch nach einem Abschiedsritual manchmal recht schnell verstirbt. Das möchte Ingo Bäcker allerdings nicht vorschnell und vereinfacht interpretieren und bewerten. Es entspricht einfach einer seiner Erfahrungen. Statistisch lassen sich solche Aussagen ohnehin nicht erfassen, das weiss auch Ingo Bäcker.

Eine allgemein gültige Formel, wie man mit dem Tod umgehen soll, hat der Seelsorger nicht. «Wie das Leben ist auch der Tod bei jedem Menschen individuell.» Daher müsse man sich auf jeden Menschen speziell einlassen, um ihn so gut wie möglich zu unterstützen und auch bei den letzten Schritten auf dem Lebensweg zu begleiten. Denn: «Letztlich stirbt jeder seinen eigenen Tod.»


 

Blaženka Bandur, Leiterin Pflege Innere Medizin und Operative Disziplinen: «Leben und Tod sind sehr eng miteinander verbunden.»

Blaženka Bandur, Leiterin Pflege Innere Medizin und Operative Disziplinen. Bild: Spitäler Schaffhausen

Auch Blaženka Bandur, Leiterin Pflege Medizin und Operative Disziplinen am Kantonsspital Schaffhausen, ist in ihrer Laufbahn immer wieder mit dem Tod konfrontiert worden. Sie sieht, dass die Betreuung von schwerkranken und auch sterbenden Menschen immer mehr in den Fokus kommt. «So legen wir inzwischen auch grossen Wert auf die Ausbildung in Palliative Care», sagt Blaženka Bandur. Darunter versteht man Massnahmen, die das Leiden eines unheilbar kranken Menschen lindern und ihm so eine bestmögliche Lebensqualität bis zum Ende ermöglichen. Das ist wichtig, denn auch sie weiss aufgrund langer Erfahrung, wie belastend das Sterben sowohl für einen Patienten als auch für Angehörige sein kann. Das Pflegepersonal gibt den Beteiligten – Patient und Angehörigen– dabei so viel Raum wie möglich. «Der Tod ist etwas Persönliches – wir sind da, wenn man uns braucht und ziehen uns zurück, sofern das möglich undgewünscht ist.»

Aber nicht nur Angehörige oder Freunde können unter dem Tod eines Patienten leiden: Auch für Pflegefachpersonen kann der Tod eines Patienten belastend sein. Meist schaffe man es, diese Gedanken und Erlebnisse nach Feierabend hinter sich zu lassen. Wichtig dafür seien jedoch zwei Dinge: «Man muss ein Team haben, mit dem man sich austauschen kann, wenn einen etwas wirklich belastet.» Gleichzeitig sei es auch wichtig, dass man, im Fall eines Todes, sagen kann: «Wir haben getan, was wir konnten.» Das helfe sehr, mit so einem Vorfall zurechtzukommen.»

Einerseits schwierig, andererseits ebenfalls hilfreich ist dabei auch die Arbeit in einem Spital, so erklärt Blaženka Bandur: «Ein Patient stirbt nur selten sehr plötzlich. Meisten ist das ein Prozess, der sich über Stunden oder sogar Tage hinziehen kann.» Gleichzeitig müsse man aber auch den anderen Patienten gerecht werden, die ebenfalls auf der Station sind. «Es ist wichtig, Empathie zu zeigen – aber auch sich abzugrenzen. Trotz der belastenden Situation bei dem einen Patienten müssen sich die Pflegefachfrauen und –männer konzentriert der Pflege, Behandlung und Betreuung der anderen Patienten widmen.»

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren