Bäume schmorten wie im Backofen

Dario Muffler | 
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Kantonsforstmeister Bruno Schmid erklärt, wie es zum aktuellen Waldbild bei Hemishofen gekommen ist. Bild: Julia Leppin

Die ausbleibenden Niederschläge haben dem Wald zugesetzt. Im oberen Kantonsteil sieht man die Auswirkungen am deutlichsten. Auch der Borkenkäfer beschäftigt die Förster stark.

Im Herbst begeistert der Wald meist mit seinen bunten Farben. Im Waldgebiet Sankert bei Hemishofen dominiert aber nur eine Farbe: Braun. Dort wurden auf einer Fläche, die so gross ist wie zwei Fussballfelder, in den vergangenen 15 Jahren Eichen gepflanzt. Diesen Sommer haben die noch jungen Bäume aber nicht überlebt, und dabei ist die Eiche als widerstandsfähige Baumart bekannt. Der für das Gebiet zuständige Förster Walter Müller findet drastische Worte für die aktuelle Situation. «Die Bäume wurden den Sommer über wie in einem Backofen geröstet», sagt er. Müller schätzt, dass 90 Prozent der Bäume in diesem Gebiet verdorrt sind und dass sie nicht mehr treiben werden. «Man sieht, dass die Baumstämme gänzlich ausgetrocknet sind», sagt er und zeigt auf einen abgeschnittenen Stamm. Dass sich die Eiche in einer prekären Situation befunden habe, sehe man zudem an den sogenannten Angsttrieben am Stamm, die Bäume nur in Stresssituationen austrieben.

Die Bäume im Kanton Schaffhausen und speziell auf dem Reiat und im oberen Kantonsteil seien diesen Sommer unter Dauerstress gestanden, sagte Virginia Stoll, Präsidentin von Wald Schaffhausen, gestern am alljährlichen Medienausflug, der vom Verband der Waldbesitzer und vom Kantonsforstamt organisiert worden war. Der Sommer hatte mit einem starken Pollenflug im April bereits aussergewöhnlich begonnen, was schliesslich in eine grosse Menge an Früchten mündete. «Die Bäume haben nachgeholt, was sie im vergangenen Frühling wegen des Frostes verpasst hatten», so Stoll. In den vergangenen Jahren sei es zudem zu einer Häufung von Extremsituationen gekommen. «Der Wald hatte keine Zeit mehr, sich zu erholen», so Stoll. Das schwäche die Widerstandskraft der Bäume.

Schutzreaktionen bereits im Sommer

Die diesjährige Wasserknappheit führte dazu, dass die Bäume ihre natürliche Überlebensreaktion bereits früh im Jahr zeigten: Um nicht zu verdursten, schliessen die Bäume die Spaltöffnungen in ihren Blättern. In der Folge vertrocknet das Laub und fällt herunter. Dieser Vorgang war bei Buchen seit dem Juli zu beobachten. In der Regel lässt diese Baumart ihre Blätter aber erst im Oktober fallen. «Wir treffen heute Bilder an, die unsere langjährigen Förster noch nie gesehen haben», so Kantonsforstmeister Bruno Schmid. «Wir wollen aber nicht nur schwarzmalen: Der Wald überlebt das, seine Struktur wird sich aber verändern.»

«Der Wald hat keine Zeit mehr, sich zu erholen.»

Virginia Stoll, Präsidentin von Wald Schaffhausen

Seit diesem Sommer laufen neue Forschungsprojekte, die sich mit der langfristigen Auswirkung des Klimawandels befassen. Die nationale Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft untersucht mittels Satellitenbildern die Ausdehnung des frühen Blattfalls. Des Weiteren werden 900 Buchen mit frühem Blattfall über die nächsten Jahre genau beobachtet. Testweise versucht man auch Baum­arten aus südlicheren Gefilden nördlich der Alpen anzupflanzen.

Borkenkäfer und «Burglind» bringen die Forstwirtschaft an ihre Grenzen

Eine Folge der langen Trockenperiode ist auch, dass sich der Borkenkäfer stark vermehren konnte. «Dieses Jahr hat sich der Borkenkäfer massenhaft vermehrt», sagt Kantonsforstmeister Bruno Schmid. «Hinzu kommt, dass das Nahrungsangebot für den Käfer ausreichend war.» Der Grund dafür ist der Sturm Burglind, der Anfang Januar auch über Schaffhausen fegte. Es lag deshalb genug geschädigtes Fichtenholz herum, so der Kantonsforstmeister. «Der Borkenkäfer befällt in der Regel nur kranke und schwache Bäume, die gesunden Bäume erst ab einer gewissen Populationsgrösse», sagt er. Aufgrund der Trockenheit standen auch gesunde Fichten unter Stress und wurden anfällig für Borkenkäferbefall.

Wenn ein Baum vom Borkenkäfer befallen ist, dann muss er schnellstmöglich gefällt und aus dem Wald geschafft werden. Befallene Stämme sollten zudem von ihrer Rinde befreit werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Käfer zu weiteren Bäumen fliegt und diese befällt. «Insbesondere im oberen Kantonsteil und im Reiat gibt es kaum noch Fichtenbestände ohne Befall», sagt Schmid. Dies bedeutet für die Förster einen erheblichen Mehraufwand und führt deshalb zu wirtschaftlichen Schäden. Käferholz für die Verarbeitung vorzubereiten, ist aufwendiger, weil nur einzelne Bäume gefällt und nicht ganze Flächen gerodet werden können. Weiter ist auch der Erlös von ­Käferholz geringer.

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