Neue Stelle soll Radikalisierung bekämpfen

Mark Liebenberg | 
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Abdriften in radikale Szenen – oft spielen soziale Medien dabei eine Rolle. Der Kanton Schaffhausen will mit einer neuen Anlaufstelle bei der Polizei Früherkennung und Prävention fördern und nötigenfalls intervenieren können. Bild: Key

Die Schaffhauser Polizei will eine neue Vollzeitstelle schaffen, die als Anlaufstelle beim Verdacht auf Radikalisierung und gewaltbereiten Extremismus dienen soll.

Markante Veränderungen der äusseren Erscheinung oder des Kleidungsstils, Konsum und Verbreitung von problematischen Videos oder Links, extremistische Werthaltungen und Abwertung von An-dersdenkenden, Ablehnung der demokratischen Rechtsordnung und ihrer Institutionen: Solche und andere «beunruhigende Verhaltensweisen» können auf Radikalisierungstendenzen hinweisen. So steht es auf einem Merkblatt zur Verhinderung von Radikalisierung der Jugendarbeit im Kanton Aargau. Auf dem Merkblatt ist erklärt, in welchen Fällen Mitmenschen, Lehr- und Ausbildungspersonen sowie Behörden die neue kantonale Anlaufstelle Radikalisierung im Schul- und Ausbildungsbereich zu Rate ziehen können.

Doch nicht nur Jugendliche stehen derzeit beim Thema Radikalisierung im Fokus, sondern im Prinzip alle Altersgruppen. Mit einem Nationalen Aktionsplan (NAP) wollen die Behörden in der Schweiz gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus vorgehen. Ende letzten Jahres hatten Bund, Kantone und Gemeinden ein Bündel von 26 Massnahmen vorgestellt, die präventiv wirken und so eine Radikalisierung verhindern sollen. Alle Anschläge der letzten Jahre in europäischen Städten hätten gezeigt – so hiess es vor einem Jahr –, dass es bei den Tätern lange vor der Planung ihrer Attacken Anzeichen für ein Abdriften in die radikale Szene gegeben hätte.

Früherkennung und Intervention

Eine der im NAP aufgeführten Massnahmen betrifft die Fach- und Beratungsstellen, die sich unter anderem mit der Früh­erkennung von Radikalisierung und Gewaltextremismus beschäftigen und im konkreten Fall auch Interventionen veranlassen können. Der Aktionsplan sieht in Kantonen, Städten und Gemeinden die Einrichtung solcher Stellen vor.

Auch der Kanton Schaffhausen hat darauf reagiert: Eine eigene Fachstelle fehlt im Kanton bislang. Die neue Anlaufstelle Radikalisierung und gewalttätiger Extremismus hat laut Regierungsrätin Cornelia Stamm Hurter (SVP), Vorsteherin des Finanzdepartements und damit Polizeivorsteherin des Kantons, folgende Aufgaben: «Sie dient der Früherkennung von möglicher Radikalisierung, berät und interveniert. Sie ist als Anlaufstelle für die Gesellschaft sowie für kommunale und kantonale Behörden gedacht und kann je nach Fall weitere zuständige Behörden beiziehen oder den Fall an diese übergeben.»

Stamm Hurter nennt als Beispiele die Schulbehörden, die Kriseninterventionsgruppe, die Kesb, Integres oder die Polizei. «Die Interventionen können je nach Fall sehr unterschiedlich ausfallen, die Fachstelle ist dabei für die Koordination der interdisziplinären Zusammenarbeit besorgt.» Grund für die Schaffung der neuen Fachstelle ist laut der Polizeivorsteherin, dass die nötigen Kompetenzen bisher nur in ungenügender Weise vorhanden waren. Zwei Stellen beim Kanton befassen sich heute mit verwandten Themen. Die Präventionsstelle der Schaffhauser Polizei (eine Stelle im Jobsharing) befasst sich hauptsächlich mit polizeilichen Themen wie Verkehrssicherheit, Schutz vor Diebstahl und Betrug, Gefahren im Internet. Und bei der Fachgruppe Bedrohungs- management handelt es sich um eine dienststellenübergreifende nebenamtliche Arbeitsgruppe, welche bis heute ausserhalb der Thematik Radikalisierung und Extremismus tätig war. Bei der Schaffhauser Polizei selbst sind zwei Personen im Nebenamt für die Fachstelle Bedrohungsmanagement zuständig.

«Regelmässige» Anfragen im Kanton

Die neue Vollzeitstelle soll deshalb ergänzend zur Präventionsfachstelle bei der Polizei hinzukommen. «Diese Stelle ist bislang nicht speziell auf Beratungs- und Aufklärungsarbeit ausgerichtet, wenn es um die Verhinderung von Radikalisierung geht, und hat auch kein vertieft geschultes Personal oder freie Ressourcen», erklärt Stamm Hurter. Im Budget 2019 eingestellt ist deshalb ein zusätzlicher Personalaufwand von 132 500 Franken für eine Vollzeitstelle bei der Schaffhauser Polizei.

«Anfragen zu Radikalisierung erreichen die Schaffhauser Polizei regelmässig.»

Cornelia Stamm Hurter, Regierungsrätin

Doch gibt es im kleinen Kanton Schaffhausen überhaupt ein Bedürfnis für eine solche Stelle? Ja, sagt die Regierungsrätin. «Anfragen zu Radikalisierung erreichen die Schaffhauser Polizei regelmässig aus Gemeinden oder aus der Gesellschaft.» Wie regelmässig? Darüber schweigt sich die Polizeivorsteherin aus. «Die Schaffhauser Polizei führt hierzu keine Statistik. Die Anfragen, die an die Polizei gerichtet wurden, kamen jedoch insbesondere aus den Bereichen Schule und Sozialwesen.»

Dschihadismus im Vordergrund

Dass die Schaffung der Stelle eine direkte Folge der Vorfälle in den städtischen Schulhäusern Bach und Alpenblick im Jahr 2016 ist, will die Magistratin nicht bestätigen. Stamm Hurter: «Der Nationale Aktionsplan bezieht sich auf alle Formen der Radikalisierung und des gewalttätigen Extremismus. Wie Sie aber aus dem Bericht entnehmen können, steht derzeit die dschihadistisch motivierte Radikalisierung im Zentrum.»

Erwartet würden vom Stelleninhaber oder von der Stelleninhaberin eine hohe Kommunikationsfähigkeit, Erfahrung im interkulturellen Dialog und ein geschickter Umgang mit unterschiedlichen Interessengruppen verschiedener Ebenen. «Wünschenswert wäre eine Ausbildung im Bereich Rechts- oder Kriminalwissenschaft oder eine qualifizierte Polizeiausbildung», sagt Stamm Hurter.

Die Stelle wird ausschliesslich durch den Kanton finanziert. Ein Impulsprogramm des Bundes im Umfang von fünf Millionen Franken erlaubt jedoch die finanzielle Unterstützung von neuen Projekten im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, die vom Kanton initiiert werden.

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