«Viele sind nur auf dem Teller kreativ»

Isabel Heusser | 
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Restaurantgäste wollten am liebsten bei jedem Besuch etwas Neues, sagt Bruno Meier. Bild: Selwyn Hoffmann

Essen und Trinken reiche heute in der Gastronomie nicht aus, sagt der Gastronom Bruno Meier. Im Interview spricht er überPop-ups, den Wert eines Cordon bleu und die Zukunft der Gastronomie.

Herr Meier, Anfang April haben Sie das japanische Restaurant Kitchin auf dem Herrenacker eröffnet. Wie ist es ­angelaufen?

Bruno Meier: Sehr gut. Das Konzept funktioniert. Im «Kitchin» kommt mir zugute, dass ich schon Erfahrung mit der Gastronomie auf dem Herrenacker habe. 2007 war ich interimistischer Pächter des Theaterrestaurants und weiss, dass der Herren­acker besonders im Sommer ein schwieriger Platz ist.

Warum?

Wenn die Sonne auf den Steinboden knallt, wird es sehr warm auf dem Platz, die Hitze bleibt, und dann kommen weniger Leute. Dann war diesen Sommer noch die WM, viele Leute wollten lieber die Matches schauen, als ins Restaurant zu gehen, da ist der Umsatz im «Kitchin» zurückgegangen. Unser Mittagskonzept mit den Ricebowls hat aber auch den Sommer durch funktioniert. Leider ist es nach wie vor so, dass der Herrenacker grundsätzlich nicht gut frequentiert wird.

Welchen Nutzen haben Anlässe wie das Streetfood-Festival oder Märkte auf dem Herrenacker?

Grundsätzlich schätze ich alles, was den Herrenacker belebt. Die Gastronomen allein können das nicht machen. Sie sollten aber verstärkt zusammenarbeiten, dann kann man viel mehr erreichen. Ich bin aktuell daran, einen Verein für die Gastronomen auf dem Herrenacker zu gründen. Wir möchten einen gemeinsamen Auftritt, etwa, wenn es darum geht, der Stadt ein Anliegen zu präsentieren. Wünschenswert wäre etwa, wenn wir bei Veranstaltungen das Vorrecht hätten für gastronomische Angebote. Anlässe wie das «Stars in Town» oder die «Bockalp» sind tolle Ereignisse, gerade auch für den Herren­acker. Mein Ziel wäre es, mit dem Verein vermehrt mit diesen Veranstaltern zusammenzuarbeiten. Wir bemühen uns zum Beispiel um gemeinsame Angebote mit der «Bockalp» während der Weihnachtszeit.

Sie sprechen die Festhütte Bockalp an, die im November wieder aufgebaut wird und an der Sie beteiligt sind. Letztes Jahr kritisierten zahlreiche Gastronomen, die Holzhütte mit Fondue und Raclette im Angebot würde ihnen die Firmenessen wegnehmen.

Mittlerweile habe ich mich schweren Herzens aus der «Bockalp»-Organisation zurückgezogen. Ich will mich auf meine Ganzjahresbetriebe konzentrieren. Durch meine Beteiligung an der «Bockalp» habe ich das «Meier’s Pool» etwas vernachlässigt, und das «Kitchin» ist noch ein junger Betrieb, der jetzt meine Aufmerksamkeit braucht. Aber die «Bockalp» hat Spass gemacht, sie war ein Riesenerfolg und einen Monat vor dem Start komplett ausgebucht. Leider haben viele Ganzjahresgastrobetriebe das Jahr hindurch zu kämpfen und profitieren vor allem von einer gut laufenden Weihnachtszeit. Deswegen kann ich den Unmut einiger Gastronomen durchaus nachvollziehen. Leider sind viele nur auf dem Teller kreativ. Der Erfolg der Pop-ups sollte also eher Ansporn zu mehr Kreativität und Unternehmergeist sein.

Pop-ups als Ansporn: Wie meinen Sie das?

Heute wollen die Gäste in eine andere Welt eintauchen, sie wollen sich ablenken vom Alltag und etwas erleben. Am liebsten bei jedem Besuch etwas Neues. Das versuche ich sowohl im «Kitchin» als auch im «Meier’s Pool» zu bieten. Man muss aber sehen, dass die meisten Beizer nicht über die finanziellen Mittel verfügen, bei einem Konzeptwechsel direkt das ganze Restaurant umzubauen. Pop-ups haben es da viel einfacher, weil die Location dabei der entscheidende Faktor ist. Wenn sich dann wie bei der «Bockalp» der Erfolg einstellt, ist es viel eher möglich, an Geldgeber zu gelangen. Hinzu kommt, dass die meisten Schweizer das Jahr hindurch nicht oft auswärts essen gehen. Grundsätzlich hat es die Ganzjahresgastronomie sicherlich schwierig, nicht nur in Schaffhausen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Ganzjahresgastronomie?

Für mich gibt es mehrere Varianten: eine Küche von hoher Qualität und gehobenem Anspruch, Rundumkonzepte wie unser «Kitchin», Traditionshäuser und die unkomplizierten Lokale, wo ein ungezwungenes Ambiente herrscht und niemand zu drei Gängen gezwungen wird. Auch Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema, vor allem bei Fleisch und Fisch. Da herrscht momentan absoluter Notstand. Der Gast sollte aber auch bereit sein, einen angemessenen Preis für das zu bezahlen, was er bekommt.

Vielen Leuten ist es also zu teuer, ­auswärts zu essen.

Es kommt drauf an. Lebensmittel werden im Einkauf immer teurer. Nehmen wir die Pizza: Die kann man im Res­taurant für 20 Franken anbieten. Das ist ein Preis, den die Leute bereit sind zu zahlen, und der Wirt verdient auch noch ­etwas dran. Beim Cordon bleu sieht es schon anders aus. Wenn man Fleisch verwendet aus artgerechter Tierhaltung, wird es schnell teuer. Ein billiges Cordon bleu kostet 29 Franken, wenn es qualitativ anständig sein soll und kein Verlustgeschäft für den Wirt sind wir bei mindestens 39 Franken. In meinen Augen müsste ein hochwertig hergestelltes Cordon bleu deutlich mehr kosten, doch das zahlt kein Mensch.

Was braucht es denn, um als Gastronom erfolgreich zu sein?

Meier: Ich bin ein klassisches Beizerkind, habe die Hotelfachschule gemacht, war Geschäftsführer und habe Erfahrung in der Systemgastronomie, aber eigentlich braucht es das alles nicht unbedingt. Ich arbeite mit vielen Quereinsteigern zusammen, und die machen das sehr gut. Der Erfolg definiert sich meiner Meinung nach über fünf Faktoren: ein überzeugendes Konzept, den Gastgeber, die Lage, die Umsetzung der Küche und das Marketing. Hier machen viele Gastronomen einen grossen Fehler, denn sie versuchen oft, alles selber zu erledigen. Dabei braucht es gerade für die oben erwähnten Faktoren Fachwissen. Zusammenspannen würde gerade beratungsresistenten Gastronomen helfen. Für grosse Betriebe oder Unternehmen mit mehreren Restaurants ist das natürlich viel einfacher, sie können die Arbeitslast auf mehrere Schultern verteilen und in ­jedem Bereich die richtige Fachkraft einsetzen.

Unser Gespräch findet im «Meier’s Pool» statt. Lohnt es sich, in Schaffhausen eine Bar zu betreiben? Viele junge Leute gehen doch nach Zürich in den Ausgang.

Natürlich, da ist das Angebot auch viel grösser. Ich habe kürzlich mit einem Paar geredet, das von Zürich hierhergezogen ist. Die beiden nennen Schaffhausen Schlafhausen. Aber verglichen mit anderen Städten ähnlicher Grösse sind wir hier nicht schlecht aufgestellt, und im Sommer ist die Unterstadt gut frequentiert. Man muss den Leuten halt auch in den Bars und Clubs etwas Besonderes bieten.

Das heisst?

Meier: Nur mit Getränken und Essen kann man heute niemanden begeistern. Ohne Events geht es nicht mehr. Ich schaue, dass im «Meier’s Pool» immer etwas läuft, Fussballübertragungen zum Beispiel, diesen Sommer hatten wir auch Live Tattooing oder einen Armdrückenwettbewerb. Ansonsten sind die Leute auch hier sehr schnell gelangweilt. Es ist verrückt, was wir alles investieren. Aber solange die Rechnung aufgeht, mache ich das gern. Ich habe ja auch Spass daran.

 

 

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