«Genetisch nicht für so viel Sonne gemacht»

Alfred Wüger | 
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Der Schaffhauser Dermatologe Stefan Schwarzkopf: «Begreifen, dass man aufpassen muss.» Bild: S. Hoffmann

Jetzt ist die hohe Zeit der Sonnenbrände - aber zu viel Sonne schadet. Wie man Hautkrebs vorbeugen und wie man ihn behandeln kann, erklärt der Dermatologe Stefan Schwarzkopf.

Nicht wirklich eine Überraschung war es für Frau R. G. (Name der Redaktion bekannt), als der Arzt ihr mitteilte, dass ihre Haut erkrankt sei, denn ihr war klar, dass sie es in ihrem Leben mit dem Sonnen­baden übertrieben hatte. «Wenn alle im Schatten sassen am langen Tisch», sagt sie, «dann war die Ecke in der Sonne für mich reserviert. Keine zehn Minuten habe ich es im Schatten ausgehalten.» Aber selbst der Anfang der Hauterkrankung liess bei ihr noch nicht die Warnlampen angehen. «Es fing so harmlos an, als Vorstufen zum weis­sen Hautkrebs.» Die Flecken wurden behandelt, und Frau G. nahm sich vor, das Sonnenbaden etwas einzuschränken.

Die Frage drängt sich auf: Warum so viele Stunden in der prallen Sonne? «Für mich war es Lebensqualität. Volle Sonne, und die Welt war in Ordnung», sagt Frau G. Anfangs seien auch ihre Freundinnen und Freunde gern an der vollen Sonne gewesen, aber Kopfweh, innere Unruhe und Übelkeit stellten sich bei jenen ein. Frau G.: «Ich hatte diese Symptome nicht. Und solange ich die herrliche Wärme am ganzen Körper so geniesse, kann es doch nicht schaden, meinte ich.»

Lebensbedrohend oder nicht?

Der Schaffhauser Dermatologe Stefan Schwarzkopf kann sehr gut nachvollziehen, dass der Genuss der Sonne mit Lebensqua­lität in Verbindung gebracht wird, und sagt: «Es entsteht eine Hysterie, wenn der Hautarzt sagt, man dürfe nicht mehr an die Sonne.» Denn Sonne bedeute auch Lebensqualität, und die Sonne bewirke ausserdem viel Gutes. «Man denke nur an die Vitamin-D-Produktion. Wir Dermatologen müssen aufpassen, dass wir nicht einseitige und ­dadurch falsche Empfehlungen abgeben.» Aber: «Man kann die Haut kontrollieren, und wenn einem etwas auffällt, ein Fleck neu ist, wenn er wächst, vielleicht sogar schon einmal geblutet hat, dann soll man das dem Facharzt zeigen.»

«Für mich war es Lebensqualität. Volle Sonne, und die Welt war in Ordnung.»

R. G., Patientin mit weissem Hautkrebs

Nun ist Krebs nicht gleich Krebs. Die Art der Krankheit beeinflusst die Möglichkeit der Behandlung. Das ist auch bei den Hautkrebsarten so. Stefan Schwarzkopf: «Es gibt verschiedene Hauttumoren, die einen, wie Melanome (schwarzer Hautkrebs), können sogar tödlich verlaufen. Aber es gibt auch ­andere hautkrebsartige Tumoren, die nicht lebensbedrohend sind.» Die Mehrheit der Tumoren sei gut behandelbar, so der Dermatologe, denn: «Die meisten Tumoren sind Basaliome, bekannt als eine Form des weis­sen Hautkrebses. Diese Basaliome machen keine Ableger im Körper, sie sind also nicht lebensbedrohend. Es sind regionale Pro­bleme, die man durch verschiedene Arten von Therapien entfernen kann.» Daneben gibt es aber auch einen gefährlichen weissen Hautkrebs, also wenn die Geschwüre in die Tiefe wuchern und die Blut- oder die Lymphbahnen erreichen. «In elf Jahren hatte ich leider doch drei Patienten, die an einem weis­sen Hautkrebs verstorben sind.»

Etwas völlig anderes ist indes der schwarze Hautkrebs. Er macht Ableger, vor allem wenn er erst spät erkannt wurde. «Hier ist die Früherkennung das A und O», sagt Stefan Schwarzkopf. Aber die Früherkennung sei heute nicht zuletzt wegen der technischen Entwicklung viel besser als früher, sodass auch beim schwarzen Hautkrebs die Heilungschancen im Frühstadium bei bald 95 Prozent lägen. Allerdings: Entwarnung kann nicht gegeben werden. Denn in Studien erhobene Daten zeigen, dass bis zu 30 Prozent aller Menschen, die in Mitteleuropa leben, in den nächsten 20 bis 30 Jahren irgendeine Form eines Hautkrebses ­entwickeln werden. Der Grund, so Stefan Schwarzkopf, liege nicht zuletzt in den Genen. «In Studien», so der Schaffhauser Dermatologe, «wurde herausgefunden, dass wir genau in der Schweiz die höchste gene­tische Veranlagung für einen schwarzen Hautkrebs haben. Kommt dann noch ein sorgloses Verhalten der Sonne gegenüber dazu, dann bewirkt das eine kumulative Dosis.» Die Schweizer seien ein Volk, das sich sehr oft im Freien aufhalte, Ski fahre zum Beispiel oder auch bei der Arbeit auf dem Feld. «Ich habe leider schon viele Patienten vor allem aus ländlichen Regionen mit allen Arten von Hautkrebs auf dem Kopf gesehen», so der Dermatologe. Vor 30 Jahren habe es noch nicht so wirkungsvolle Cremes gegeben wie heute, und man habe sich auch zu wenig eincremt. «Unsere Haut scheint genetisch nicht für so viel Sonne gemacht zu sein. In der Schweiz haben wir die höchste Zahl von Erkrankungen an schwarzem Hautkrebs in ganz Europa.»

Tumorlast in Zukunft senken

«Ein 35-Jähriger muss begriffen haben, dass Hautkrebs nicht erst mit 80 kommt und dass man aufpassen muss, den Sonnenhut mitnimmt, die Sonnenschutzcreme anwendet und die Sonnenbrille trägt», sagt Stefan Schwarzkopf. «Dank Sensibilisierung auf dieses Thema hoffe ich, dass wir die aktuelle Tumorlast in Zukunft auch wieder senken können.»

Zurück zu unserer Patientin, Frau G. Bei ihr sind mehrere Stellen vom weissen Hautkrebs betroffen: die Nase und die Haut um die Augenbrauen, dann der Rücken, die Wade, das Dekolleté und die Hände. «Es kommt zu schuppigen roten Flecken, die nässen und auch mal ganz leicht bluten. Dann scheint es zu verheilen, kommt aber wieder.» Die Stellen seien behandelt worden durch Herausschneiden der Krankheitsherde und auch durch oberflächliches Gefrieren mit Stickstoff. Im Prinzip müsse sie jetzt die Sonne meiden. Beim Schwimmen, Walken, Spazieren lasse sich das jedoch fast nicht machen. Die Sonne verteufeln mag die heute 80-jährige Dame auch weiterhin nicht und rät dies: «Wenigstens über Mittag im Schatten bleiben, sich gut eincremen und die Sonne nur dosiert an den Körper lassen.»Auch Stefan Schwarzkopf plädiert nicht für ein absolutes Sonnenverbot. Aber gerade für Kinder sei es wichtig, dass sie keinen Sonnenbrand bekämen. Dennoch: «Meine Kinder dürfen auch einmal ohne Leibchen herumrennen», sagt er.

 

Meinungen

 Ronja Schüle und Serafina von Arx 

«Ich habe noch nie einen Sonnenbrand bekommen», sagt Ronja Schüle. «Aber ich creme mich trotzdem ein, da es besser für die Haut ist und ich dann weniger schnell Falten bekomme.» Auch ihre Freundin Serafina von Arx cremt sich ­immer ein: «Trotzdem bekomme ich nach einer halben Stunde an der Sonne immer einen ­Sonnenbrand.»

Filippo Binotto und Clemens Mohr 

Filippo Binotto cremt sich nie ein: «Ich bin zu faul.» Er hatte aber auch noch nie einen ­Sonnenbrand. «Wahrscheinlich sterben wir alle zuerst an ­Lungenkrebs», sagt er scherzend. Seine Eltern hätten ihn früher oft ermahnt, aber ein schlechtes Gewissen habe er keines. Clemens Mohr cremt sich nur am Anfang des Sommers ein: «Irgendwann bin ich genügend braun, dann gibt es keinen Sonnenbrand mehr.» Clemens hatte mal einen schlimmen Sonnenbrand: «Mein ganzer Rücken und sogar meine Ohren waren verbrannt.»

Margrit Krumm, Sabine Fehr und Edith Meier

Die drei Freundinnen verzichten nicht auf Sonnencreme. «Aber eigentlich creme ich mich zu wenig ein. Bei den Kindern ist man immer vorbildlich, doch bei einem selbst denkt man weniger oft daran», sagt Fehr. «Gestern habe ich mich gar nicht eingecremt, aber wir sind auch keine ‹Grillierer›», sagt Meier. Wenn es den drei Frauen zu heiss wird, setzen sie sich ins Café.

 Mayro und Alyah Robles

Die junge Mutter Mayro Robles liegt nie an der Sonne: ­«Deswegen benutze ich keine Sonnencreme», sagt Robles. «Sonst creme ich mich schon ein, aber einfach mit Body­lotion.» Doch ihre Tochter Alyah schützt sie vor der Sonne: «Sie hat hellere Haut als ich und ist deswegen empfindlicher.» Die Tochter einzucremen, ist Robles wichtig: «Das mache ich immer schon, bevor wir in die Badi gehen.» (mba) 

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