Zu viel Power für das «Powerehepaar»?

Mark Liebenberg | 
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Cornelia Stamm Hurter und Ehemann Thomas Hurter an einem Anlass in Schaffhausen im letzten Mai. Bild: Michael Kessler

Eine Ehe – zwei hohe Ämter: Sie will in den Regierungsrat, er ist im Nationalrat. Kommt das gut? Wir fragten nach.

Falls SVP-Kandidatin Cornelia Stamm Hurter am 26. November die Wahl in den Schaffhauser Regierungsrat schafft, entsteht eine über die Kantonsgrenzen hinaus aufsehenerregende Konstellation: Ein Ehepaar übt zwei der wichtigsten öffentlichen Ämter gleichzeitig aus, in die man von der Schaffhauser Stimmbevölkerung überhaupt gewählt werden kann: Cornelia Stamm Hurters Ehemann Thomas Hurter ist seit 2007 Schaffhauser SVP-Nationalrat. Ein Ehepaar würde sodann die Geschicke des Staates Schaffhausen sowohl in Bundesbern als auch im Regierungsgebäude massgeblich mitbeeinflussen. Geht das überhaupt?

Die Antwort ist einfach: Ja, rechtlich steht dieser Konstellation nichts im Wege. Die Gewaltentrennung ist durch die unterschiedlichen staatspolitischen Ebenen, in denen die Eheleute politisieren, gewahrt. Ob damit jedoch nicht grundsätzlich zu viel politische Macht bei einer Familie liegt – das ist also keine staatsrechtliche Frage, sondern Ansichtssache. «Beides geht nicht!», schrieb kurz vor der Nomination von Stamm Hurter SP-Kantonsrat Matthias Freivogel in einem Leserbrief in den SN. Werde Stamm Hurter in die Kantonsregierung gewählt, müsse ihr Ehemann als Nationalrat zurücktreten.

«Politik am Küchentisch»

Einige, wenn auch nicht sehr zahlreiche Resonanzen habe es gegeben, so Matthias Freivogel: «Auch zustimmende aus bürgerlichen Kreisen.» Er bleibt dabei: «Ein Nationalrat und eine Regierungsrätin hätten wohl sehr viel Einflussmöglichkeiten und damit verbunden eben auch Macht. Auch wenn beide Teile dieses Powerpaares geloben würden, zu Hause am Küchentisch werde nichts solches verhandelt, was ja nicht überprüfbar wäre, finde ich diese Machtballung grundsätzlich problematisch.» Hätte die SP etwa den Ehemann ihrer früheren Regierungsrätin Ulla Hafner-Wipf als Nationalrat aufgestellt, vermutet Freivogel, wäre dies aus bürgerlichen Kreisen «bestimmt lauthals als äusserst problematisch kritisiert worden».

Mit seinem unguten Bauchgefühl ist er nicht allein. Auch Parteigenossin und Nationalrätin Martina Munz sagt: «Sachlich gesehen, gibt es keine Unvereinbarkeit der zwei Ämter. Aus meiner Sicht gibt es aber Vorbehalte gegenüber dieser Machtkonzentration.» Im Kanton Schaffhausen gebe es nur wenige wichtige politische Mandate. Dass die grösste Partei diese Macht in einer einzigen Familie konzentrieren wolle, empfinde sie aus demokratischer Sicht als problematisch. «Es wäre aber Sache der Partei, entsprechende Regeln aufzustellen, um eine Machtkonzentration zu verhindern.»

Nicht in den SN dazu äussern wollen sich andere Politiker aus dem linken Spektrum. Keinen Grund zur Sorge sehen wiederum andere Sozialdemokraten. Grossstadtrat Urs Tanner: «Der Kandidatin der SVP das Mandat ihres Mannes vorzuwerfen, grenzt ans Absurde. Es gibt viele gute politische Gründe, Frau Hurter nicht zu wählen, der Job ihres Ehemannes gehört nicht dazu.» Entspannt sieht es auch SP-Kantonsrat Jürg Tanner: «Es wäre natürlich schon eine Machtballung bei einem Ehepaar.» Rein rechtlich spreche aber nichts dagegen. «Letztendlich ist es eine Frage, ob der Stimmbürger es goutiert oder nicht», sagt Jürg Tanner.

Cornelia Stamm Hurter selber räumt ein, dass sie und ihr Mann sich die Frage der Vereinbarkeit sehr gut überlegt hätten, bevor sie ihre Kandidatur bekannt gegeben habe: «Wir ­haben auch mit anderen Personen darüber gesprochen, und die Resonanz war durchweg positiv.» Zu den Bedenkenträgern sagt sie: «Ich kann mir schlicht keinen Fall vorstellen, wo ein Interessenkonflikt entstehen könnte.» Werde sie gewählt, stehe das Wohl des Kantons und seiner Bevölkerung über allem. Als Ehepaar habe man übrigens bereits jahrelang Übung darin, Beruf und Privatleben zu trennen. «Als langjährige Oberrichterin und nebenamtliche Bundesrichterin habe ich ja bewiesen, dass das geht», sagt sie. «Bei uns redet keiner dem anderen in beruflichen Angelegenheiten drein, und über Gerichtsfälle äussere ich mich prinzipiell nie ausser bei Gericht.»

Regierung und Bundesparlamentarier politisierten unabhängig voneinander, betont auch Ehemann Thomas Hurter: «Die Aufgaben, Funktionen und Gewalten sind vollkommen getrennt. Ich sehe nicht ein, wo da ein Problem entstehen könnte.» Er sehe ­sogar eher die Vorteile einer engen Beziehung: «Die Sensibilisierung für Themen auf Bundesebene und ein intaktes Netzwerk können schneller Ohren und Türen öffnen, wenn es etwa darum geht, in der Bundesstadt für die Interessen des Kantons Schaffhausen zu weibeln.»

Aus dem Schatten des Mannes ­treten

Die Hurters finden es etwas schade, dass sich einige Leute auf diese Frage einschiessen. «Man redet ständig von Karriereförderung und fehlenden Frauen in Führungspositionen», sagt Stamm Hurter. «Und wenn dann mal eine Frau politisch aus dem Schatten ihres Mannes treten will, kommen als Reaktion solche Bedenken – das verstehe ich nicht.» Es gebe zudem schon heute in der Schweiz eine ganze Reihe von Politikerehepaaren, vornehmlich aus linken Parteien, wo ähnliche Konstellationen offenbar sehr gut funktionierten (siehe Kasten).

Einer, der sich seit geraumer Zeit vertieft mit Fragen der Gewaltenteilung beschäftigt, ist der parteilose Politbeobachter und Berater von Ständerat Thomas Minder, Claudio Kuster. Er sei ein starker Verfechter strenger Unvereinbarkeitsregeln und persönlicher Gewaltenteilung. «Ich finde es gut und richtig, dass bei uns Regierungsräte nicht gleichzeitig im Bundesparlament sitzen dürfen, im Gegensatz zu den Regeln in anderen Kantonen», meint Kuster. In diesem Fall jedoch lägen keine einander entgegengesetzten öffentlichen Interessen vor. «Beim Ehepaar Hurter sehe ich den Interessenkonflikt nicht, und daher erscheint mir auch die etwaige Machtkonzentration bei einer Familie im gegebenen Fall nicht gegeben», sagt Kuster.

Rechtlich könne man also nicht dagegen argumentieren – politisch allenfalls schon. «Es ist ja legitim, wenn jemand sagt, Frau Stamm Hurter gebe ich meine Simme nicht, weil ihr Mann bereits Nationalrat ist.» Kuster selber sähe vor allem einen Vorteil in der Konstellation in der Familie Hurter: «Es würde nicht schaden, wenn sich ein Nationalrat am Abend ungefiltert anhören müsste, welche Auswirkungen nationale Erlasse auf die Kantone zeitigen!»

Politik und Liebe: Wer sonst noch liiert ist

Politikerpärchen scheinen besonders eine Spezialität in der Westschweiz zu sein. SP-Ständerätin Géraldine Savary ist mit Grégoire Junod (Stadtpräsident von Lausanne) liiert. Auch die Waadtländer SP-Staatsrätin Nuria Gorrite teilt ihr Leben mit einem Politiker: mit FDP-Nationalrat Olivier Feller. Ein SP-Ehepaar sind Florence Germond, Stadträtin in Lausanne, und Nationalrat Roger Nordmann, Chef der SP-Bundeshausfraktion. Und der Neuenburger Ex-SP-Nationalrat Jacques-André Maire ist mit der Neuenburger SP-Staatsrätin Monika Maire Hefti verheiratet. In der Deutschschweiz sind die Berner Stadtpräsidentin Ursula Wyss und Thomas Christen ein SP-Paar. Christen ist Berater von Alain Berset. Ruedi und Stephanie Baumann (er Grüne, sie SP) sassen von 1994 bis 2003 als erstes Ehepaar gemeinsam im Nationalrat. Die Zürcher SP-Nationalräte Daniel Jositsch und Chantal Galladé waren mehrere Jahre miteinander liiert. Aktuell ein Nationalratspaar sind Bathasar Glättli (Grüne) und Min Li Marti (SP), beide aus Zürich.(lbb)

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