«Ich kann mit allen zusammenarbeiten»

Mark Liebenberg | 
Noch keine Kommentare
Weiblich und aus der Stadt: Cornelia Stamm Hurter will den Sitz der scheidenden SVP-Magistratin Rosmarie Widmer Gysel in der Schaffhauser Kantonsregierung erben. Am liebsten im Finanzdepartement, sagt die Kandidatin. Bild: Michael Kessler

Cornelia Stamm Hurter tritt für die SVP im Kampf um den frei werdenden Sitz in der Kantonsregierung an. Eine Begegnung.

Eines kann man nicht behaupten: dass die Regierungsratskandidatur von Grossstadträtin Cornelia Stamm Hurter von langer Hand geplant gewesen ist. Im Gegenteil: «Wir sassen gerade in einer SVP-Fraktionssitzung, als uns die Nachricht vom Rücktritt von Rosmarie Widmer Gysel erreichte. Wir waren alle total überrascht», sagt Stamm Hurter. Ihr erster Gedanke: «Jetzt muss Dani in die Hosen.» Erst als der städtische Finanzreferent Daniel Preisig ein paar Tage später seinen Verzicht auf eine Kandidatur bekannt gab, dachte Stamm Hurter erstmals an eine eigene Kandidatur, wie sie sagt. «Es haben sehr viele Leute angerufen oder mich angesprochen und haben mich ermuntert, auch aus anderen Parteien.»

Danach habe sie es sich gut überlegt und mit der Familie gesprochen. «Das heisst vor allem mit meinem Mann, den beiden erwachsenen Töchtern war das eher egal», sagt Stamm Hurter und lacht ihr herzhaftes helles Lachen. Politik ist in dieser Familie etwas ganz Selbstverständliches, und so habe eben auch Ehemann und SVP-Nationalrat Thomas Hurter reagiert. «Wie auch immer du dich entscheidest, ich stehe hinter dir», habe er gesagt.

Sechs Wochen vor der Wahl ist alles bereit für den Wahlkampf – ein Unterstützungskomitee mit Vertretern aller bürgerlichen und Mitte-Parteien hat sich formiert. Was reizt sie, die Stadtpolitikerin und Oberrichterin, an der kantonalen Bühne? «Aktiv dazu beitragen, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen und austarierte, pragmatische Lösungen für den Kanton und seine Bevölkerung zu finden – das reizt mich sehr», so die Kandidatin. Dabei dürfe man eines nicht verlieren: «das Gespür für das, was die Menschen denken und wollen. Das möchte ich unter Beweis stellen. Extreme und abgehobene Politik führt selten zum Erfolg.»

In erster Linie sähe sich Stamm Hurter als Vertreterin der Interessen der Stadt Schaffhausen in der Kantonsregierung. «Zurzeit hat die Stadt keine Stimme im Regierungsrat, das muss sich ändern.» Es gebe diverse Beispiele, wo es in der Zusammenarbeit von Stadt und Kanton hapere, sei es bei der Zusammenarbeit zwischen EKS und SHPower oder bei der Frage der Hochschule und der Kammgarn-Umnutzung. Umgekehrt verbucht sie denn auch die Vorlage zur Zusammenlegung der beiden Busbetriebe von Kanton und Stadt unter dem Dach der städtischen Verkehrsbetriebe als persönlichen Erfolg. «Ich habe diesen Vorschlag in der Kommission eingebracht. Zwischen Stadt und Kanton sind noch viele Synergien möglich, vorausgesetzt, sie werden von der Basis getragen.» An ihrem Image als Brückenbauerin im Stadtparlament hat sie beharrlich gearbeitet. «Ich kann mit allen zusammenarbeiten», sagt sie. Dabei helfe ihr auch die Erfahrung als Richterin, aus der Mediation, bei der Verhandlungsführung. Dass sie auf Poli­tiker aller Couleur zugehen kann, ­attestieren ihr sogar Gegner.

Erst in zweiter Linie sieht sie sich als Frauenvertreterin, sollte sie als einzige Frau ins Fünfergremium gewählt werden. Obschon dieser Umstand unter anderem dazu beigetragen hat, ihr das sensationelle Ergebnis von fast drei Vierteln der Stimmen an der SVP-Nominationsversammlung von Ende September zu bescheren. «Das zeigt doch, dass die SVP keine Stumpen rauchende Männerversammlung ist, sondern eine moderne, weltoffene Partei, wo Frauen selbstverständlich ihren gleichberechtigten Platz haben», sagt sie. Wenngleich Frauen oft auf andere Art und Weise politisieren als Männer («Wir Frauen fechten keine solchen Gockelkämpfe aus»), hätten Freunde von Frauenquoten in Stamm Hurter keine Fürsprecherin in der Kantonsregierung. «Ich habe mich stets dezidiert dagegen ausgesprochen Ich glaube, wir Frauen sind stark genug, um Kaderpositionen auch ohne Quote zu erreichen.»

Dabei wurde sie selbst durch ein Frauenthema politisch initiiert. «Ich trug 1971, natürlich gegen den Willen meines Vaters, Kleber für das Frauenstimmrecht auf dem Schulthek», erzählt sie. Hineingeboren in ein bürgerlich gesinntes Elternhaus, studierte Stamm Hurter Jurisprudenz. Mit 30 Jahren wurde sie ans Schaffhauser Obergericht gewählt. Die SVP wurde gleichzeitig zur politischen Heimat der aufstrebenden Juristin – obwohl auch die FDP bei ihr anklopfte. «Die frühere Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, die Partei der kleinen Leute, ist im Kanton seit fast hundert Jahren eine staatstragende Partei», sagt sie. Und diese Prägung sei für sie noch heute charakteristisch: «Ich bin aber schon eher im liberalen Flügel der heutigen Volkspartei zu Hause», sagt sie. Im Vizepräsidium der nationalen SVP sass sie von 1995 bis 2004, zu einer Zeit also, da sich der sogenannte Zürcher Flügel unter Christoph Blocher die Partei umbaute. Hinter den Positionen ihrer Partei könne sie stehen, erklärt Stamm Hurter «Sonst müsste ich ja die Partei wechseln.» Und auch in Schaffhausen gebe es heute verschiedene Ausrichtungen innerhalb der Partei, wie bei einer Volkspartei üblich.

Angesprochen auf die jetzt lancierte Selbstbestimmungs-Initiative («Keine fremden Richter») sagt die Richterin: «Es wird zum Teil die Meinung vertreten, das Völkerrecht sei auch über die spätere in Widerspruch dazu stehende nationale Gesetzgebung, namentlich über vom Volk angenommene Verfassungsbestimmungen, zu stellen. Dies wird auch teilweise bei der Anwendung der Landesverweisung geltend gemacht. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass die Leute dies nicht verstehen.»

Sollte sie gewählt werden, würde Stamm Hurter das Finanzdepartement besonders reizen. Insbesondere die Umsetzung der Unternehmenssteuerreform ist für sie ein Kernpunkt. Ein weiteres wichtiges Dossier, das sie besonders interessiert, ist die Revision des Polizeigesetzes.

Und noch etwas liegt ihr am Herzen. «Wir haben eine sehr hohe Lebensqualität, die wir auch erhalten müssen. Schaffhausen muss sich aber besser verkaufen, muss für seine Interessen lauter lobbyieren und Verbündete finden.» Zu dieser Einsicht sei sie auch durch die jahrelange Erfahrung ihres Ehemannes in Bern gelangt.

 

Freund und Feind Was langjährige Politikerkollegen über «CSH» sagen

Der Stadtparlamentarier und Kantonsrat Diego Faccani (FDP) sagt, er habe Cornelia Stamm Hurter als offene und integre Persönlichkeit kennen- gelernt, die «auch andere Meinungen gelten lässt und keinem Diskurs aus dem Weg geht». Dossierfest sei sie und scheue sich nicht anzupacken. «Sie ist ein ‹richtiger Chrampfer›.» Sie wisse, was sie wolle, werde sich dementsprechend auch durchsetzen und in ihrer neuen Rolle mühelos zurechtfinden. «Ich bin fast versucht zu sagen, dass sie nicht gewählt werden sollte, da die Stadt eine hervorragende Politikerin verliert.» Die urbanen Gemeinden verdienten aber eine starke Stimme im Regierungsrat, darum werde er sie mit Überzeugung wählen. «Ich weiss, dass dann ihre Vorlagen bis auf das Komma genau sauber vorbereitet ins Kantonsparlament kommen würden.»

Viele gute politische Gründe, Cornelia Stamm Hurter nicht zu wählen, sieht demgegenüber naturgemäss Grossstadtrat Urs Tanner (SP): «Als sehr rechte Politikerin, die primär für Steuersenkungen eintritt, wäre ihre Wahl natürlich nicht gut für den Kanton. Wer gegen Landverkäufe, gegen Zersiedelung, gegen sinnentleerte Steuersenkungen, für Entlastungen bei Krankenkassenprämien ist, kann Stamm Hurter unmöglich wählen!» Andererseits, räumt Tanner ein: «Sie ist eine engagierte, quirlige, präsente Person, eine intelligente, gute Juristin, teilweise etwas detailversessen und kontrollierend.» Wichtige Vorstösse hat er von der SVP-Frau indes nicht in Erinnerung. «Sie ist bestimmt nicht die grosse Takt- und Ideengeberin, dafür aber stets sehr loyal zu den doch teilweise extremen Vorstössen ihrer Fraktionskollegen …»

Für den Grossstadtrat und Kantonsparlamentarier René Schmidt (GLP) gehört die SVP-Regierungsratskan- didatin «zum eingesessenen Politadel». Sie liebe ihre Rolle als «juristisches Gewissen des Parlaments». Schmidt schwärmt von der «dezidierten Gastfreundschaft über alle Parteigrenzen hinweg», wie sie immer wieder bei Kommissionssitzungen bei ihr zu Hause zu erleben gewesen sei. Während der Sitzungen allerdings sei alle Harmonie weg. Besonders wenn Entscheide im Bereich der Sozial-, Energie, Lohn- oder Steuerpolitik ausgehandelt werden, pflege sie eine stramm bürgerliche Politik entlang der Parteilinie. «Als Vertreter einer ­lösungsorientierten Mittepartei vermisse ich bei ihr manchmal die Bereitschaft zu Kompromissen und zur verbindlichen Verständigung», meint Schmidt.

Als «blitzgescheit, humorvoll, gesellig und charismatisch» beschreibt Stadtparlamentarierin Bea Will (AL) ihre Ratskollegin. «Sie fällt durch konstruktive Sachpolitik auf und agiert nicht streng nach Parteibuch. Andererseits redet sie gern und verliert sich dabei manchmal in Details, kann rechthaberisch und belehrend auftreten.» Dass die SVP mit Stamm Hurter eine Frau und Städterin für die Regierung nominiere, sei zwar zu begrüssen – die Stimme könne sie ihr freilich nicht geben, sagt Will. «Wir haben empfindliche Differenzen in fast allen politischen Fragen!» Es brauche ganz sicher nicht vier Bürgerliche in der fünfköpfigen Kantonsregierung. Sie stimme daher für die SP-Kandidatin Claudia Eimer, sagt Will.

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren