Einmal Note sechs für Kanti-Lehrer

Maria Gerhard | 
Noch keine Kommentare
Mathematik kann durchaus auch Spass machen: Zusammen mit ihrem Mathematiklehrer Giancarlo Copetti beschäftigen sich diese beiden Schülerinnen im Unterricht mit der Infinitesimalrechnung. Bild: Maria Gerhard

Den Mint-Preis der ETH Zürich hat gestern die Fachschaft Mathematik der Kantonsschule Schaffhausen erhalten. Grund genug für die SN, wieder einmal die Schulbank zu drücken.

Eine aussergewöhnliche Show dürfe die SN bei ihrem Besuch nicht erwarten. Das stellt Mathematiklehrer Giancarlo Copetti zu Beginn seiner Mathestunde in der Klasse 3ma der Kantonsschule Schaffhausen an diesem Dienstagmorgen zunächst klar. «Ich habe nichts Besonderes geplant», sagt er gut gelaunt. Tatsächlich verteilt Copetti ein paar Arbeitsblätter an seine Schüler und schaltet den Beamer ein – mehr nicht. Copetti ist ein Lehrer, der auf ein erprobtes Konzept setzt: erklären, üben, üben, falls nötig gerne noch einmal erklären und erneut üben!

 

 

Seit fast 40 Jahren unterrichtet er an der Kantonsschule, lange war er auch Fachvorstand. Vielleicht gerade deshalb ist es für ihn nun eine besondere Freude, dass die Fachschaft Mathematik für ihren Unterricht gestern mit dem Mint-Preis 2017 der ETH Zürich ausgezeichnet wurde. «Mint» setzt sich aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zusammen. Da stellt sich die Frage: Was machen die Mathematiklehrer an der Kanti besser als andere?

Normalparabel und Co.

Copetti übt mit seinen Schülern heute die Ableitung der quadratischen Funktion. «Die Steigung ist hier negativ», sagt er und deutet mit dem Kugelschreiber auf einen Punkt auf der Normalparabel, die er an die Zimmerwand projiziert hat. Die Schüler – vor ihnen liegen die Formelsammlung und der Taschenrechner – folgen konzentriert seinen Ausführungen. Mit giftgrünem Markierstift streicht ein Mädchen Formeln auf ihrem Arbeitsblatt an. «Es ist schon spannend», wird Svenja Felix nach dem Unterricht sagen, «vor allem, wenn es gut erklärt wird.» Die 17-Jährige löst ganz gerne Gleichungen. Aber noch lieber hat sie dann doch das Fach Spanisch. Schliesslich ist sie auch im musisch-sprachlichen Zweig.

«Uns eint der Idealismus. Wir sind überzeugte Lehrer und sehr kommunikativ.»
Michael Barot, Fachvorstand

Wer an der Kanti die künftigen Mathematiker und Ingenieure kennenlernen möchte, muss auf die vierte Schulstunde warten: Dann unterrichtet Ueli Manz Schüler aus den Klassen 4na und 4nb im Kurs «Anwendungen der Mathematik». Hier werden Fragen gelöst wie: Wie viele verschiedene Anordnungsmöglichkeiten für die 34 Buchstaben des Satzes «Betrachten wir zum Beispiel diesen Satz» gibt es? Die Lösung ist eine 29-stellige Zahl. Die Schüler legen voller Tatendrang los.

Grübeln, bis es dampft

Man kann fast schon sehen, wie von ihren Köpfen der Dampf aufsteigt, ähnlich einem Computer, der heissläuft. Ein paar tippen eilig auf ihren Taschenrechnern Zahlen ein, andere diskutieren, wieder andere grübeln, die Wange auf die Faust ­gestützt, der Blick ins Leere. Letztere Strategie verfolgt auch der Schüler Gabriel Sonderegger. Mathematik ist eines seiner Lieblings­fächer. «Wobei mich Geometrie nicht so interessiert», sagt er, «mir liegt mehr die Problemlösung.» Solch knifflige Aufgaben zum Beispiel mag er gern. Später will er einmal Ingenieur werden. Den Unterricht an der Kanti findet er super. Und auch die einzige junge Frau in der Runde, Anna Sulzer, kommt gern zu den Mathestunden. Im Mai 2018 stehen die Maturaprüfungen an, doch davor hat sie keine Angst: «Wir werden gut vorbereitet.» Sie will Maschinenbau an der ETH Zürich studieren.

Der Dialog ist wichtig

Doch was ist es denn nun, was den Unterricht an der Kanti so gut macht? «Das ist schwer zu sagen», sagt Fachvorstand Michael Barot und zuckt mit den Schultern. Mit Kollegen sitzt er in einer Runde. Sie seien nun mal ein ­gutes Team. Förderlich sei bestimmt auch, dass manche aus der Forschung oder der Industrie kämen. «Uns eint der Idealismus», sagt er, «wir sind überzeugte Lehrer und sehr kommunikativ.» Gerade Letzteres entspricht wohl kaum der gängigen Vorstellung von einem Mathematiklehrer. «Aber wir unterlaufen locker alle Klischees», sagt daraufhin Copetti, um noch hinzuzufügen: «Niemand will bei uns nach einem Lehrbuch unterrichten.» Natürlich gebe es Vorgaben, aber jeder erarbeite andere Unterrichtsmaterialien. Und dann tausche man sich darüber aus. Der Dialog sei das Wertvolle.

Diverse Rückmeldungen geben ihrer Methode recht: Kanti-Schüler würden an der ETH Zürich mit ihren Grundlagen überdurchschnittlich oft auffallen.

 

Freuen sich alle über die Auszeichnung der ETH: (v. l.) Ueli Manz, Fachvorstand Michael Barot, Giancarlo Copetti, Daniel Baumgartner, Brigitta Steinmann und David Stotz.  Auf dem Foto fehlen Georg Keller, Michael Gerike, David Maletinsky und Urs Fitze.

«Sie sind die Fahnenträger eines inspirierenden Mathematikunterrichts»

Da haben sich die Mitglieder Fachschaft Mathematik der Kantonsschule aber ordentlich gefreut: Gestern Nachmittag wurde ihnen an der ETH Zürich feierlich der Mint-Preis 2017 überreicht. Die Fachschaft wurde für ihre Leistungen im Unterricht der Fächer Mathematik, ­Informatik, Naturwissenschaft und Technik ausgezeichnet. Neben einer Goldplatinmedaille gab es auch ein Gemälde im Wert von rund 10 000 Franken: Falls es im Fachschaftsraum aufgehängt wird, werden künftig die Gesichter der berühmten Mathematiker Jakob I. Bernoulli und Leonhard Euler auf die Lehrer herabschauen.

Die Laudatio hielt der Professor für Informationstechnologie und Ausbildung, Juraj Hromkovicˇ. Die Fachschaft bestehe aus herausragenden Einzelpersönlichkeiten. Zusammen seien sie die Fahnenträger eines inspirierenden Mathematikunterrichts. Besonders hervorgehoben wurde der Beitrag von Mathematiklehrer Giancarlo Copetti. Er setze jedes Jahr die ETH unter Druck, erklärte Hromkovicˇ. «Wie? Er zündet in seiner Klasse so viel Begeisterung für die exakte Wissenschaft, dass wir hier an der ETH schwitzen, um den hohen Erwartungen seiner Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden.» Hromkovicˇ übte aber auch schweizweit Kritik: «In der Schweiz kann man alles erleben. Einen begeisterungsfähigen sowie einen frustrierenden Mathematikunterricht.» Einige Lehrpersonen hätten nun einmal noch nicht verstanden, wie ein erfolgreicher Mathematikunterricht aussehe. Wieder zu den Preisträgern gewandt: «Diese Fachschaft zeigt, wie man voneinander lernen und sich ständig verbessern kann.»

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren